Rohstoffe: Kanadas Weg zur Öl-Weltmacht ist weit, teuer und riskant

Kanada will mehr Öl aus Teersand gewinnen. Doch die Umstellung dürfte Jahre dauern und äußert kostspielig sein.

Ottawa. Wenn Kanadas konservative Regierung von der künftigen Rolle des Landes auf dem Energiemarkt spricht, fällt stets der Slogan von der „aufstrebenden Energie-Supermacht“. Diese Selbsteinschätzung basiert auf der Steigerung der Ölsandförderung und Kanadas riesigen Reserven in diesem Bereich. Aber der Weg zur Erdöl-Weltmacht ist teuer und riskant. Mit 2,6 Mio. Fass Öl (je 159 Liter)pro Tag ist Kanada ein wichtiger Lieferant, mit drei bis vier Prozent Anteil an der globalen Förderung aber nur an siebenter Stelle im Ranking der großen Öllieferanten.

Große Reserven

Fort McMurray ist das Zentrum der Ölsandindustrie im Norden der kanadischen Provinz Alberta. Vor 40 Jahren lebten hier 1200 Menschen, heute sind es 80.000. Rund um Fort McMurray fressen sich riesige Schaufelbagger in den Ölsand, ein Gemisch aus Sand, Ton und teerartigem Bitumen. Die abbaubaren Ölreserven im Sand werden auf 174 Mrd. Fass oder 24 Mrd. Tonnen geschätzt. Damit verfügt Kanada nach Saudiarabien über die zweitgrößten Reserven.

Kanada will seine Erdölproduktion bis 2020 auf 4,7 oder gar 5,3 Mio. Fass pro Tag steigern – durch den Ausbau der kapital- und energieintensiven Ölsandgewinnung. Noch fördert das Land zu gleichen Teilen konventionelles flüssiges Öl und „unkonventionelles“ Öl aus Ölsand. Während die konventionellen Reserven abnehmen, wird laut „National Energy Boards“ (NEB) die Gewinnung aus Ölsand steigen – von 1,2 Mio. auf 3,7 oder 4,3 Mio. Fass pro Tag im Jahr 2020.

Eine schnellere Expansion ist nicht möglich. Kapazitätsgrenzen bei der Umwandlung des Sandes in Schwer- und Leichtöl, Arbeitskräftemangel und Infrastrukturprobleme in der Ölregion Nord-Albertas stellen die Industrie vor Herausforderungen. Fünf bis zehn Jahre liegen zwischen der Entscheidung, Ölsand abzubauen, und dem Produktionsbeginn.

Zwischen 2006 und 2015 haben Unternehmen wie Shell, Syncrude, Suncor, Canadian Natural Ressources und Petro Canada Investitionen von 125 Mrd. kanadischen Dollar (85 Mrd. Euro) geplant. Wie viel tatsächlich realisiert wird, ist offen. Das NEB geht von 94 Mrd. Dollar aus. Denn der Abbau von Teersand ist kostspielig: Entweder wird er im Tagebau gewonnen und dann das Bitumen von Sand und Ton getrennt, oder es wird die „In-situ“-Methode angewandt: Heißer Dampf wird in den Boden gepumpt, Bitumen verflüssigt und abgepumpt.

Kritik von Umweltschützern

Beide Verfahren sind teuer und energieintensiv, auch werden große Mengen Wasser benötigt, das dem Athabasca-Fluss entnommen wird. Umweltschützer kritisieren, dass sauberes Erdgas verwendet wird, um schmutziges Schweröl zu gewinnen, dass dem Fluss Wasser entzogen wird und Klärschlammteiche die Umwelt verschandeln.

Bei einem Ölpreis von 100 US-Dollar ist der Abbau wirtschaftlich rentabel. Aber die Industrie klagt über Kostensteigerungen. Die Preise für Rohstoffe wie Stahl sind gestiegen, die Lohnkosten laufen den Unternehmen angesichts des Arbeitskräftemangels in Alberta davon. Der hohe Bedarf an Erdgas schafft Engpässe auf dem Erdgasmarkt. Entsetzt reagierte die Industrie, als Albertas Regierung eine Erhöhung der Förderabgaben um jährlich 1,4 Mrd. Dollar ankündigte. Nicht abzusehen ist, mit welchen Kosten in einigen Jahren der CO2-Ausstoß zu Buche schlagen wird. Analysten von CIBC Worldmarkets gehen jetzt davon aus, dass die Rentabilitätsschwelle, die noch vor kurzem bei einem Ölpreis von 40 US-Dollar pro Barrel lag, für neue Investitionen bei 65 Dollar liegen könnte.

Lange Vorlaufzeiten für Projekte schließen aus, dass Kanada den Ölmarkt kurzfristig stärker entlasten kann. Das Land könnte zwar bis 2020 zum dritt- oder viertgrößten Förderer nach Russland und Saudiarabien, gleichauf mit den USA, aufsteigen. Trotzdem wird Kanada nach Ansicht von Randy Ollenberger von BMO Capital Research nicht genug beisteuern, um Engpässe abzumildern. 2015 könne der tägliche Verbrauch weltweit bei 100 Mio. Barrel liegen, zwölf Mio. mehr als derzeit, meint er. Bei einer Steigerung des kanadischen Beitrags um 2,5 Mio. Barrel bleibt eine Lücke von zehn Mio. Barrel.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2007)

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