„Ausgaben gefährden Steuerreform“

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Weil Bund und Länder das Geld mit vollen Händen ausgeben, wackelt laut Staatsschuldenausschuss das Nulldefizit 2010.

wien (ju). Weil die Regierung zu spendabel mit den (stark gestiegenen) Steuereinnahmen umgeht, sind die für 2010 angepeilten Ziele (Steuerreform mit drei Mrd. Euro Nettoentlastung und gleichzeitig ausgeglichener Staatshaushalt) kaum noch zu erreichen. Der Präsident des Staatsschuldenausschusses, Bernhard Felderer, hält dies nur noch für möglich, wenn sich die Regierung bei ihren Ausgaben künftig extrem „zurückhält“ und wenn gleichzeitig ein (durchaus möglicher) größerer Konjunktureinbruch ausbleibt.

Konjunktur-Dividende verbraucht

Die „Konjunktur-Dividende“ – wegen der satt brummenden Wirtschaft sind die Steuereinnahmen heuer um 5,5 Prozent gestiegen – sei jedenfalls so gut wie verbraucht, sagte Felderer bei der Präsentation des Staatsschuldenberichts 2007. Die hätte eigentlich für die Steuerreform „angespart“ werden müssen.

Was den „Staatsschuldenpapst“ besonders vergrämt: Die Regierung habe für Pensionisten, Pflege, Lehrer und für die Mindestsicherung „Zusatzausgaben in noch nicht absehbarer Höhe“ beschlossen, gleichzeitig lassen die Bundesländer beim Sparen völlig aus:

Die Länder können seit drei Jahren nicht einmal mehr den mit dem Bund geschlossenen Stabilitätspakt zur Budgetkonsolidierung erfüllen. Der sieht nämlich Länderüberschüsse zwischen 0,5 und 0,75 Prozent des BIP für die Erstellung des „Maastricht-Budgets“ vor. In der Praxis haben die Länder aber nur zwischen 0,1 Prozent (2006) und 0,4 Prozent (heuer) abgeliefert. Felderer: „Die Länder sehen den Stabilitätspakt nicht als Verpflichtung. Wenn es leicht geht, machen sie es, wenn nicht, nicht.“

Dass zu viel Geld in den Ländern versickert, hat viel mit dem bisherigen Scheitern der Staatsreform zu tun: Die derzeit tagende großkoalitionäre Staatsreform-Arbeitsgruppe habe noch keine Neuregelung der Kompetenz-Verteilung zwischen Bund und Ländern vorgelegt, die Finanzströme zwischen Bund und Ländern seien weiter „unübersichtlich“ und „intransparent“, die unterschiedlichen Rechnungslegungsstandards der Länder führen dazu, dass die „Berichte der Bundesländer miteinander nicht vergleichbar“ sind.

Auf Bundesebene sieht Felderer die vereinbarte Pensionsreform, die das System bis 2030 gesichert hätte, durch die jüngsten Maßnahmen „ad acta gelegt“. Und dass 47 Prozent jener, die vor 60 in Pension gehen, das aus Invaliditätsgründen tun, „sollte man sich auch einmal anschauen“, meinte Felderer.

„Pensionsreform ad acta gelegt“

Jedenfalls: Derzeit sei die Pensionsreform „nicht relevant. Wenn wir den Plan nicht einhalten, werden wir aber größere Probleme bekommen“. Die „ärgsten Schocks“ im Pensionssystem könnten nur vermieden werden, „wenn wir das Pensionsantrittsalter wirklich bald in die Gegend von 64 oder 65 Jahre bringen“.

Die Gesamtbilanz der heimischen Budgetpolitik ist jedenfalls durchwachsen. Erfreulicherweise geht die Staatsverschuldung in Relation zum Bruttoinlandsprodukt kontinuierlich zurück und sinkt heuer erstmals seit langem wieder unter 60 Prozent. Beim gesamtstaatlichen Budget ist Österreich mit einem Defizit von 0,8 Prozent des BIP in diesem und 0,7 Prozent im kommenden Jahr aber nur mäßiger EU-Durchschnitt.

Zum Vergleich: Finnland erwirtschaftet 4,6 Prozent Budgetüberschuss, Plus-Zeichen stehen vor den Budgetsalden aber auch bei Spanien, Luxemburg, Irland, Deutschland, Dänemark, Schweden, Bulgarien, Estland und Lettland.

Besonders bitter: Die Steuer- und Abgabenquote ist mit 43,2 Prozent in der EU deutlich überdurchschnittlich – und sie geht auch nur sehr zäh zurück.
Leitartikel Seite 39

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.12.2007)

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