EU verhängt 899 Mio. Euro Strafe gegen Microsoft

(c) EPA (Rainer Jensen)
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Der Software-Hersteller verlangte zu hohe Lizenzgebühren von der Konkurrenz. Die EU antwortet mit einer Rekordstrafe.

Brüssel (pö/mac/ag.).Mit der Klage von Sun Microsystems begann vor zehn Jahren der Kampf der EU gegen den US-Konzern Microsoft. Sun Microsystems hatte geklagt, dass Microsoft seine Marktdominanz ausnütze, um Konkurrenten zu vertreiben. Mittlerweile ist die Schlacht gegen den Branchenführer legendär. Kein anderes Unternehmen fasste mehr Strafen der EU-Wettbewerbskommission aus als der Software-Riese aus Redmond. Jüngster Höhepunkt ist die Rekordstrafe über 899 Mio. Euro vom Mittwoch.

Der Grund für das Bußgeld geht zurück ins Jahr 1994. Schon damals hatte Brüssel eine marktbeherrschende Stellung des US-Konzerns festgestellt und Auflagen dagegen verhängt. Microsoft wurde verpflichtet, das Betriebssystem Windows auch ohne Mediaplayer anzubieten und alle Schnittstellen auch der Konkurrenz zugänglich zu machen. Bis Oktober 2007 sei das nicht passiert, begründet Wettbewerbs-Kommissarin Neelie Kroes das gestrige Urteil. Das Unternehmen habe ungerechtfertigt hohe Lizenzgebühren für Informationen verlangt, die nötig sind, um Software zu entwickeln, die mit Windows kompatibel ist. Erst im Herbst des Vorjahres, mit dem Umstieg auf eine Einmalzahlung von 10.000 Euro, sah die EU-Kommission ihre Forderung erfüllt.

„Microsoft ist das erste Unternehmen seit Einführung der EU-Wettbewerbspolitik vor 50 Jahren, gegen das die Kommission eine Geldbuße wegen Nichteinhaltung einer Kartellentscheidung verhängen muss“, erklärte Kroes. Schon 2006 musste Microsoft deswegen 280 Mio. Euro an die EU überweisen. Insgesamt hat der Konzern schon 1,68 Mrd. Euro an die EU abgeliefert.

In einer ersten Aussendung gab sich das Unternehmen, das bislang immer vehement gegen EU-Entscheidungen vorging, kleinlaut. Die Strafen würden die Vergangenheit betreffen, man wolle die Entscheidung überdenken, ließ ein Sprecher des weltgrößten Software-Herstellers wissen.

Glasnost bei Microsoft?

In der vergangenen Woche hatte der Konzern auf Druck der EU angekündigt, Wettbewerbern leichteren Zugang zu seiner Software zu gewähren. Bislang ein gut gehüteter Schatz des Unternehmens. „Microsoft verspricht Glasnost“, titelte die Financial Times Deutschland. Die EU-Kommission zweifelt allerdings am Strategieschwenk des Unternehmens. „Reden ist billig“, sagte Wettbewerbs-Kommissarin Kroes. Ähnliche Ankündigungen des Unternehmens aus der Vergangenheit hätten wenige Auswirkungen gehabt, kritisierte die EU.

Das letzte Kapitel im jahrelangen Rechtsstreit ist wohl noch lange nicht geschrieben. Seit Jänner laufen zwei weitere Kartelluntersuchungen der EU gegen Microsoft. Die Behörden untersuchen, ob der Konzern seine Marktmacht missbraucht, um seinen Internet Browser und Büroanwendungen durchzusetzen. Über 90 Prozent aller Computer laufen mit Windows.

AUF EINEN BLICK

Microsoft muss 899 Mio. Euro an die EU abliefern. Insgesamt summieren sich die Bußgelder des Konzerns auf 1,68 Mrd. Euro.

Das Geld fließt in das EU-Budget und reduziert so indirekt die Beiträge der Mitgliedstaaten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2008)

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