USA: 500 Dollar – und der Lkw-Tank ist nicht einmal halb voll

(c) AP (Michael Probst)
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Benzingutscheine beim Autokauf, steigende Lebensmittelpreise, teure Öffis: Die hohen Ölpreise kommen die USA teuer.

Washington.Don blickt angespannt auf die sich leise drehenden Zahlen. 78 Dollar, 79 Dollar– bei 80 Dollar hängt er den Tankstutzen zurück auf die Zapfsäule. „Noch immer nicht voll“, sagt er mit einem Kopfnicken in Richtung des riesigen Chevrolet Suburban. „Aber mehr ist nicht drin. Das muss reichen für diese Woche.“ 320 Dollar (206 Euro) gibt der 45-Jährige monatlich aus, um an seinen Arbeitsplatz nach Washington zu pendeln. Vor ein paar Jahren, als er sich das Sports Utility Vehicle (kurz: SUV, ein Geländewagen für die Stadt) kaufte, waren es weniger als 150 Dollar. Damals schien das sechs Meter lange SUV eine gute Idee. „Wir passen alle hinein, außerdem ist meine Familie in dem Auto sicher.“ Mittlerweile haben die hohen Benzinpreise das Sicherheitsdenken relativiert: „Wenn das so weitergeht, werde ich auf ein kleineres Auto umsteigen müssen.“

Benzinpreis dürfte weiter steigen

Dass der Ölpreis seit Wochen fast täglich ein neues Rekordhoch erreicht, merken die Amerikaner an der Zapfsäule. Der Shell-Tankwart in Falls Church, einem Vorort von Washington, hat diese Woche die Preise bereits zwei Mal erhöht: Derzeit bezahlt man für eine Gallone (3,78 Liter) Normalbenzin 3,29 Dollar. Im Sommer 2003 waren es bescheidene 1,39 Dollar. „Viel schlimmer“, sagt John, „wird es nicht mehr werden.“

Damit dürfte er sich irren. Zwar ist der Preis für ein Barrel Öl (à 159 Liter) diese Woche zurückgegangen (nach einem Rekord von 111,8 Dollar am Montag), der Autofahrerclub AAA erwartet aber, dass die Benzinpreise bis zum Sommer weiter steigen. Wenn zur Hauptreisezeit die Nachfrage groß sei, könnte sich die Gallone der Vier-Dollar-Grenze annähern. Das wäre ein Allzeithoch. Den bisherigen Rekordpreis aus dem Jahr 1981, als man inflationsbereinigt 3,22 Dollar pro Gallone bezahlte, hat man freilich schon lange eingestellt.

Wer meint, mit Diesel würden die Amis billiger fahren, irrt. Wegen der großen Nachfrage vor allem in Europa erleben die Dieselpreise in den USA einen Höhenflug: 4,19 Dollar – fast einen Dollar mehr als für Benzin– legt man für die Gallone ab. Sehr populär ist Diesel in den USA nicht: Pro Jahr werden 142 Mrd. Gallonen Benzin verfahren, aber nur 65 Mrd. Gallonen Diesel und Heizöl verbraucht.

Teuer kommt der Dieselpreis die Lkw-Firmen. „Für uns bedeuten die Preise den Ruin“, meint Jim O'Neal, Vorsitzender der Truckload Carriers Association. Früher sei man mit 500 Dollar wochenlang gefahren. Jetzt kriege man dafür den Tank nicht einmal halb voll.Die Rechnung bezahlen die US-Bürger im Supermarkt. Die hohen Treibstoffpreise sind ein Grund für die Verteuerung der Lebensmittel: Der Weizenpreis hat sich in zehn Monaten verdreifacht. Für Eier bezahlt man seit Anfang 2007 um 32 Prozent mehr; Milchprodukte stiegen um neun Prozent.

Die Autofahrer in den USA jammern zwar über die Benzinpreise. Die Fahrgewohnheiten haben sich aber kaum geändert. Pro Tag werden US-weit mehr Kilometer gefahren als 2003. Pro Jahr legt ein Autobesitzer 12.000 Meilen im Pkw zurück – und eine US-Familie hat im Schnitt mehr als zwei Autos.

Der Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel wird kaum gefördert, denn auch hier geht man strikt nach kapitalistischen Kriterien vor. Weil die Nachfrage steigt, steigen auch die Preise. Die Ticketpreise für U-Bahn und Busse in der Hauptstadt Washington stiegen um 29 Prozent seit Jänner 2007.

Zu spüren bekommen die steigenden Benzinpreise die Autohersteller. Die einst „großen Drei“ von Detroit – General Motors, Ford und Chrysler – verlieren ihre Titel an japanische Produzenten von sparsameren Autos. Toyota – mittlerweile auf Platz zwei – verkaufte 2007 2,62 Mio. Autos in den USA, Ford 2,56 Mio. Auf Platz eins ist weiter General Motors mit 3,8 Mio. abgesetzter Fahrzeuge. Doch die Verkaufszahlen der einst gefragten Benzin fressenden SUVs sind seit 2002 um ein Drittel gefallen.

Wer will gebrauchte SUVs?

Wer einen besitzt, hat Probleme, ihn loszuwerden. In Falls Church bietet ein Gebrauchtwagenhändler Benzingutscheine für jeden SUV. Gebrauchte Chevrolet Suburbans und Ford Excursions überschwemmen den Markt: Für 20.000 Dollar bekommt man einen gut erhaltenen, dreijährigen Suburban. Auch Don würde seinen gerne los werden. Doch schuldet er der Bank für das Auto noch 23.000 Dollar, und so viel bekomme er wohl nicht dafür. „Aber bei den Benzinpreisen rechnet es sich wahrscheinlich, den Verlust in Kauf zu nehmen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2008)

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