Globalisierung: „Mit Freihandel sinkt die Kinderarbeit“

(c) Reuters (Crack Pali)
  • Drucken

Interview. Der Publizist Peter Felixberger kritisiert die Industrieländer, die mit ihren Subventionen den globalen Freihandel behindern. Er glaubt, die Globalisierung werde oft als Sündenbock herangezogen.

Die Presse: Österreich zählt sich zwar gerne zu den Gewinnern der Globalisierung, trotzdem ist die Skepsis in der Bevölkerung groß. Was läuft hier schief?

Peter Felixberger: Meist wird die wirtschaftliche Ebene mit der kulturellen und persönlichen Ebene vermischt, so kommt es entweder zu kruder Globalisierungskritik oder blanker Euphorie. Globalisierungskritiker argumentieren selten wirtschaftlich, sondern auf der Ebene der menschlichen Natur. Sie finden sich aber nicht damit ab, dass die Ego-Maximierung, gerade in Krisenphasen, fixer Bestandteil dieser Natur ist. Wenn es aber keine Krise gibt, dann sind Menschen meist maßlos.

Die Finanzkrise offenbart die Gefahren des globalisierten Kapitals. Kaum werden in den USA Häuser falsch bewertet, krachen in Europa die Banken.

Felixberger: Die Finanzkrise passiert nach zwei Jahren des starken Aufschwungs. In der Zeit haben Gier und Korruption bei allen Teilnehmern natürlich zugenommen. Es ist ein typisches Beispiel, wie Wirtschaft nicht nur Wohlstand schafft, sondern auch vernichtet. Wir vernichten laut IWF (Internationaler Währungsfonds, Anm.)gerade 600 Mrd. Euro.

Ist das also nur ein Problem der handelnden Akteure?

Felixberger: Nein, natürlich gibt es hier eine Systematik. Aber im Grunde treffen die Investoren ihre Entscheidungen alleine. Und da haben alle mitgemacht. Vor drei Jahren hätte sich kein kleiner Sparkassen-Direktor gedacht, dass er jemals in US-Hypotheken und Zukunfts-Derivate investieren wird.

Braucht es im Finanzbereich eine stärkere Regulierung?

Felixberger: Bestimmt. Denn es kann nicht sein, dass ein Herr Ackermann (Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank, Anm.) plötzlich fordert, dass der Staat seine Schulden bezahlen soll. Wirtschaft kann nicht ständig Liberalisierung fordern, und wenn es schlecht läuft, nach dem Staat rufen. Die Banken gehen wie jeder andere Risiken am Markt ein und sollten ihren Misserfolg selbst ausbaden. Der Steuerzahler darf nicht dafür zahlen, wenn Unternehmen versagen.

Die Internationalisierung bringt auch neue Verstrickungen. China ist abhängig vom US-Konsum, Amerika von chinesischen Investitionen. Droht das Kartenhaus einzustürzen?

Felixberger: Nicht wenn alle gleichen Zugang zu einer liberalen Marktwirtschaft hätten. In der Realität versuchen leider gerade die Industrieländer mit Subventionen den globalen Freihandel zu verhindern. Dann brauchen wir uns nicht wundern, wenn es hier zu Abhängigkeiten kommt.

Offenbar predigen die Industrienationen die Globalisierung nur, haben vor echtem Freihandel aber Angst. Wer wären denn die Gewinner eines völligen Freihandels?

Felixberger: Grundsätzlich gibt es zwei Arten von Ländern mit jeweils unterschiedlicher Zustimmung zur Globalisierung: In Südasien lehnen etwa nur sechs Prozent die Globalisierung ab. In Frankreich sind es 36 Prozent. Das ist einfach erklärt, denn die Franzosen haben etwas zu verlieren, die Asiaten können hingegen nur gewinnen.

Und Gewinner gibt es mehr, als man denkt: Seit 1980 ist ja auch die Zahl derer, die von weniger als einem Dollar am Tag leben, um ein Drittel gesunken.

Felixberger: Gerade in den Ländern, die sich der Globalisierung geöffnet haben, ist auch die Lebenserwartung stark gestiegen. Seit 1950 haben davon 24 arme Länder und somit drei Milliarden Menschen profitiert. Sie haben ihre Zölle drei Mal mehr als andere gesenkt. Im Gegenzug hat sich ihr Anteil am Welthandel im Verhältnis zu ihrer Wirtschaftskraft mehr als verdoppelt.

Wie groß ist der Einfluss des Freihandels auf die Entwicklung eines Landes wirklich?

Felixberger: Der Freihandel ist an vielen Stellen förderlich. So hat man herausgefunden, dass es in Ländern, in denen das Pro-Kopf-Jahreseinkommen über 7000 Dollar liegt, kaum noch Kinderarbeit gibt.

In einer globalisierten Welt zieht es auch die Arbeiter in Richtung Kapital. Sie verlassen ihre Heimat, die Entwicklung in diesen Ländern wird gestoppt. Ist der Brain Drain eine unangenehme Nebenwirkung der Globalisierung?

Felixberger: Diese Bewegungen gibt es, und daran finde ich nichts Verwerfliches. Das Verhalten ist geradezu zwingend und natürlich. Interessant ist eher, dass wir nicht mehr das Ziel solcher Migrationsströme sind. Westliche Unternehmen expandieren nach Asien, da sollten die Angestellten eigentlich mitgehen. Deutsche Firmen schicken ihre Mitarbeiter inzwischen nach Südindien, um sie auszubilden, damit sie hier mit besserer Kompetenz das Wohlstands-Spiel mitspielen können.

Können wir die Leute bei uns nicht mehr ordentlich vorbereiten?

Felixberger: Bildung ist eines der großen Probleme in unserer Region. Menschen mit mittlerer oder hoher Bildung sind zwar integriert, werden immer besser ausgebildet und können am Wirtschaftsleben teilnehmen. Was machen wir aber mit denen, die das nicht können?

Wenn ich Sie richtig verstanden habe, schicken wir sie nach Asien.

Felixberger: Nein. Die nimmt in Asien doch keiner. Wir schaffen stattdessen hier bei uns einen Niedriglohnbereich, in dem wir Menschen parken, von denen wir wissen, dass wir sie nicht integrieren können. Daran ist aber nicht die Globalisierung schuld. Das hat die Wirtschaft schon immer getan. Am Ende steht der Arbeitslose ohne Schulabschluss eben in Konkurrenz mit dem Vorzugs-Schüler. Die Globalisierung hat nur die Anzahl der Konkurrenten erhöht.

Was sollte Bildung in Europa dann leisten?

Felixberger: Jeder sollte sein eigener Manager werden und sich als Projekt begreifen. Den alten Dreisprung „Eigenheim – Mittelklassewagen – Rente“ gibt es heute nicht mehr. Stattdessen müssen wir uns in fragilen Arbeitswelten behaupten. Das verlangt mehr Mobilität und Flexibilität von den Menschen. Das wollen und schaffen sicher nicht alle, aber viele Junge stehen dem Phänomen heute schon sehr aufgeschlossen gegenüber.

Welche Rolle kann Selbstbestimmung in der zukünftigen Arbeitswelt spielen?

Felixberger: Das ist ein grundlegender Wert, aber nicht ohne Selbstverantwortung. Wer sich selbst bestimmen will, übernimmt Verantwortung für sich und die Gesellschaft. Meine Freiheit bekomme ich von der Gesellschaft und die gebe ich zurück. In Form meiner Arbeit, meines Know-How und meines Engagements. Künftig wird man sich Firmen für die man arbeiten wird, aussuchen können, so wie heute ein Fußballer sein Team. Im Segment der High Potentials gibt es diese Job-Nomaden schon heute.

Wie kann soziale Absicherung in solchen Erwerbs-Biografien aussehen? Was halten sie von der Idee eines Grundeinkommens?

Felixberger: Der entscheidende Punkt ist: Wir haben heute eine Bevölkerungsschicht, die nicht integrierbar ist. Die stecken wir momentan in Niedriglohnbereiche, und ein Grundeinkommen wäre aus meiner Sicht nichts anderes. Daher wäre ein Grundeinkommen als Übergangslösung für diesen Sektor sicher brauchbar. Die Lösung ist es nicht. Da würde ich eher auf die Wirtschaft setzen. Denn in der Geschichte war es immer die Wirtschaft, die Wohlstand geschaffen hat.

ZUR PERSON

Peter Felixberger tritt seit Jahren in seiner Arbeit als Autor und Publizist für Selbstbestimmung und Autonomie des Einzelnen ein.

Darüber hinaus engagiert sich der 47-Jährige Mitgründer des Ethikverbands der deutschen Wirtschaft in zahlreichen Projekten, um die positiven Seiten der Globalisierung aufzuzeigen.

Auf Einladung des Management Clubs sprach der gebürtige Bayer in Wien über die größten Fehler der Globalisierungskritiker.

www.culture-counts.dewww.managementclub.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.04.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.