50 Jahre Türken in Österreich – 51 Jahre Österreich in der Türkei

Heimische Unternehmen waren unter den ersten westlichen Investoren in der Türkei. Und sie würden es sofort wieder tun.

Vor 50 Jahren warb Österreich erstmals um türkische Gastarbeiter, um für den Aufschwung der Nachkriegsjahre auch genügend Hände im Land zu haben. In die andere Richtung waren wir noch schneller. Schon vor 51 Jahren wagte die Veitscher Magnesit als einer der ersten Investoren aus dem Westen den Schritt in die Türkei. Das Unternehmen kaufte in Eskişehir in Westanatolien eine gewaltige Magnesit-Lagerstätte, von der das Nachfolgeunternehmen, die RHI, immer noch zehrt.

Im Rückblick lag der Schritt für den heutigen RHI-Chef Franz Struzl eigentlich auf der Hand: „Die Qualität der Magnesit-Rohstoffe in der Türkei sind länger als 50 Jahre bekannt“, sagt er zur „Presse am Sonntag“. Von der Weitsicht seiner Vorgänger profitiert er noch immer. „Die Türkei ist eine der bedeutendsten Rohstoffquellen und auch ein starker Absatzmarkt für uns“. Nächstes Jahr will die RHI ein zweites Unternehmen im Osten zukaufen.

Seit der Pioniertat in den frühen Sechzigern ist eine ganze Reihe an heimischen Unternehmen in die Türkei gegangen. Allen voran die OMV mit dem Einstieg bei der Petrol Ofisi oder die Post, die im Vorjahr ein Viertel der Aras Kargo, dem zweitgrößten Paketdiestleister des Landes, erworben hat. Aber auch kleinere Unternehmen wie der Plattenhersteller Egger oder der Kornspitzerfinder Backaldrin haben das Land am Bosporus, das in zehn Jahren zu den zehn größten Weltwirtschaften gehören will, als Produktionsstätte entdeckt. Dass die Türkei mit ihren 73 Millionen Einwohnern aber auch ein gewaltiger Absatzmarkt ist, haben die heimischen Unternehmen noch viel zu wenig erkannt, sagt der Handelsdelegierte der Wirtschaftskammer Österreich in Istanbul, Marco Garcia. „Die Niederlande und die Schweiz exportieren das Doppelte und Dreifache von Österreich dorthin – die ganze Energie der österreichischen Unternehmen ging in den vergangenen Jahren nach Osteuropa und die nahen Märkte.“ Die wichtigsten Handelspartner der Türken sind die Deutschen. Österreicher liegen hingegen weit abgeschlagen auf dem 32. Rang.


Krise der Politik stört kaum. Jene Unternehmen, die ins Land gegangen sind, wissen genau, was sie an der Türkei haben. Nach den wirtschaftlich eher durchwachsenen 1990er-Jahren und dem Crash 2001 erlebte die Türkei eine starke Periode mit Wachstumsraten von neun Prozent wie im Jahr 2011. Auch heute wächst die Wirtschaft des Landes deutlich schneller als in Europa. „Die Türkei ist ein Riesenland, der Nachholbedarf gewaltig“, sagt Post-Chef Georg Pölzl. Für sein Unternehmen, an dem er 2016 schon 75 Prozent halten will, erwartet er Wachstumsraten im zweistelligen Bereich.

Von der politischen Instabilität, die sich im vergangenen Sommer etwa bei den Gezi-Park-Unruhen gezeigt und der Türkei eine veritable Kapitalflucht beschert hat, lassen sich die heimischen Unternehmen nicht so leicht beeindrucken. „Wir haben in den vergangenen 51 Jahren hier so viel erlebt“, sagt RHI-Chef Struzl. „Das Land verlassen wir deshalb sicher nicht.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2014)

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