Steuern: Die Rechnung übernehmen wir

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Gravierende Änderungen im Steuersystem finden nur langsam statt. Ein Blick in die Statistik verrät jedoch: Arbeiten wurde in Österreich stetig stärker "steuerlich bestraft".

„Ein Schelm ist, wer mehr gibt, als er hat.“ Mit diesen Worten wischte Finanzminister Michael Spindelegger bei seiner „Österreich-Rede“ vergangene Woche die Forderungen nach einer baldigen Steuerreform vom Tisch. Und auch wenn es richtig ist, eine Steuerreform auf Pump abzulehnen, war es wohl noch selten zuvor so notwendig, die Lohn- und Einkommensteuer zahlenden Menschen in diesem Land zu entlasten. Wie notwendig, zeigt ein Blick in die historische Steuerstatistik.

Zwei Steuerarten sind in Österreich seit jeher maßgeblich für die Finanzierung des Staates verantwortlich: die Mehrwertsteuer sowie die Lohn- und Einkommensteuer. 1976 – dem Jahr, zu dem die Steuerdaten der Statistik Austria zurückreichen – war das Aufkommen aus diesen beiden Steuern mit je knapp 30 Prozent des gesamten Steueraufkommens ziemlich genau gleich groß. Sechs von zehn Steuereuro (die damals natürlich noch Schillinge waren) des Gesamtaufkommens von umgerechnet 9,9 Milliarden Euro stammten vor 38 Jahren also aus diesen beiden Massensteuern.

Eine Aufteilung, die sich aber schon bald ändern sollte. Dank kalter Progression, durch die Steuerpflichtige nach nominellen Lohnsteigerungen in höhere Progressionsstufen fallen und real mitunter sogar weniger erhalten, stieg der Anteil von Lohn- und Einkommensteuer bis zum Jahr 1988 bereits auf saftige 33 Prozent des Gesamtaufkommens, während – zum Vergleich – die Mehrwertsteuer deutlich schwächer auf knapp über 30 Prozent anstieg. Grund genug für die damalige Regierung die (laut Wifo anno 1988) „größte Steuerreform der Zweiten Republik“ durchzuführen. Und siehe da: Sie wirkte. Im Jahr 1989 fiel der Anteil der Arbeitssteuern bereits wieder auf 30 Prozent.

Doch die Freude für die arbeitenden Menschen im Land währte nur kurz: Schon wenige Jahre später war das Niveau von 1988 wieder eingestellt– und eine Senkung ward nicht mehr in Sicht. Seither klettert der Anteil der Lohn- und Einkommensteuer trotz kleinerer Reformen stetig nach oben beziehungsweise stagnierte auf hohem Niveau. 2012 stammten 35,8 Prozent des gesamten Steuerkuchens von 137,4 Milliarden Euro aus dieser Steuer, die Mehrwertsteuer belief sich gleichzeitig lediglich auf 28,3 Prozent. Hinzu kommt, dass auch der Kuchen in Summe deutlich wuchs: Betrug die Steuer- und Abgabenquote 1976 noch rührselige 26,3 Prozent, mussten die Österreicher 2012 bereits 44,8 Prozent jedes erwirtschafteten Euro an den Staat abliefern.

Doch wenn die Lohn- und Einkommensteuerpflichtigen in Relation immer mehr zahlen, wer zahlt dann weniger? Die Unternehmen sind es jedenfalls nicht. Auch der Anteil der Körperschaftsteuer legte in den vergangenen 38 Jahren von einst 6,1 auf nunmehr 8,4 Prozent der gesamten Steuereinnahmen zu.

Rückgänge gab es aber etwa bei Vermögenssteuern wie der Grundsteuer oder den inzwischen abgeschafften Vermögen- und Erbschaftssteuern. Ihr Anteil sank seit 1976 von einst drei auf nunmehr 0,85 Prozent. Österreich rangiert mit diesen Werten auch deutlich unter dem OECD-Schnitt.

Dies gibt nicht zuletzt der Kanzlerpartei stets neue Nahrung für die Forderung nach neuen Vermögensteuern. Was dabei allerdings gern übersehen wird, ist, dass in anderen Ländern wie Frankreich über die Grundsteuern etwa auch die Wasserversorgung oder die Müllentsorgung bezahlt wird, für die es hierzulande gesonderte Abgaben gibt. Und dass es sich hierbei auch um einen statistischen Rückstand handelt, den Österreich an anderer Stelle wieder aufgeholt hat.

Als SPÖ-Finanzminister Ferdinand Lacina die Vermögensteuer im Jahr 1994 kippte, trug sie rund 750 Millionen Euro zum Budget bei. Die im Jahr zuvor als Ersatz eingeführte Kapitalertragsteuer spielte hingegen schon 1995 rund 1,8 Milliarden Euro ein. Doch da es sich hierbei nicht um eine Substanzsteuer handelt, firmiert sie in den Statistiken Österreichs bei den Ertragsteuern. Zu drei Vierteln wird die Kapitalertragsteuer in den Steuerstatistiken bei Einkommen- und Lohnsteuer zugerechnet, zu einem Viertel bei der Körperschaftsteuer.

Spezialsteuern.
Dies erklärt zu einem Teil auch das relative Anwachsen bei Lohn- und Körperschaftsteuer – aber nicht vollständig. Denn es gibt auch andere Steuern, deren Anteil am Gesamtaufkommen seit dem Jahr 1976 deutlich gesunken ist – summiert unter dem Kapitel Verbrauchsabgaben. Hier finden sich die Spezialsteuern auf Tabak und Alkohol sowie die beim Kauf neuer Autos fällige Normverbrauchsabgabe. Der Anteil dieser Abgaben sank seit 1976 von 11,3 auf 8,7 Prozent. Dies mag zum Teil zwar auf das erhöhte Gesundheitsbewusstsein der Österreicher zurückzuführen sein, die zunehmend die Laufschuhe der Zigarette und das Glas Wasser dem Bier vorziehen. Unter dem Strich bleibt jedoch, dass Arbeiten vom Steuersystem in den vergangenen Jahren zunehmend steuerlich „bestraft“ wird, während gleichzeitig die Belastung anderer vom Staat besteuerter Aktivitäten in Summe zurückging.

Die arbeitenden Österreicher wurden aber nicht nur auf der steuerlichen Seite stetig stärker zur Kasse gebeten. Noch kräftiger legten die Beiträge zur Sozialversicherung zu. Stammten 1976 noch „lediglich“ 27,1 Prozent am gesamten Steuer- und Abgabenkuchen von den an die Sozialversicherung fließenden Lohnnebenkosten, waren es im Jahr 2012 bereits 33,6 Prozent. Damit liegt Österreich im internationalen Trend. So stiegen innerhalb der OECD die Beiträge der Bürger für die Sozialsysteme seit den 1960er-Jahren mit Abstand am schnellsten an. Ihr Anteil an den Gesamteinnahmen lag 1965 im Schnitt noch bei 18 Prozent und liegt heute bei 26 Prozent – unter dem Wert Österreichs von 1976.

Allerdings sagt der Blick über die Grenzen oft nicht allzu viel aus. Denn ebenso wie die Steuer- und Abgabenquoten sind auch die Leistungen der einzelnen Staaten an ihre Bürger komplett unterschiedlich. Klar ist aber, dass in Österreich die sozialen Leistungen in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen haben: So erhielten beispielsweise im Jahr 1983 die ärmsten zehn Prozent der Einwohner des Landes weniger als 50 Prozent dessen, was sie selbst erwirtschafteten, als Zuschuss vom Staat. Rund 20 Jahre später, im Jahr 2005, lag dieser Anteil wesentlich höher – und zwar bei 250 Prozent.

Fakten

1976 machten die Mehrwertsteuer sowie die Lohn- und Einkommensteuer jeweils 30 Prozent des gesamten Steueraufkommens aus. Umgerechnet sechs von zehn Steuereuro des Gesamtaufkommens von umgerechnet 9,9Milliarden Euro stammten aus diesen zwei Massensteuern.

2012 stammten 35,8Prozent des Steuerkuchens von 137,4 Milliarden Euro aus dieser Steuer, die Mehrwertsteuer belief sich lediglich auf 28,3Prozent.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.05.2014)

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