Leistungsbilanz: Die „Ostfantasie“ hat Sprünge bekommen

Leistungsbilanz, Osteuropa
Leistungsbilanz, Osteuropa(c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
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Österreichische Unternehmen haben ihre Investitionen in Zentral- und Osteuropa drastisch zurückgefahren. Die Ukraine-Krise könnte die Lage weiter verschärfen. Investiert wird jetzt in Nord- und Westeuropa.

Wien. Die viel zitierte „Ostfantasie“ ist verschwunden, die Osteuphorie der österreichischen Unternehmen hat offenbar ziemlicher Ernüchterung Platz gemacht: Nach den Daten der Nationalbank (OeNB) sind die Investitionen österreichischer Unternehmen im Vorjahr dort dramatisch eingebrochen. 2013 wurden in der Region netto gerade noch 1,5 Mrd. Euro investiert. So wenig wie zuletzt 1999, also vor 15 Jahren. In besseren Jahren hatten die heimischen Investitionen im Osten mehr als fünf Mrd. Euro ausgemacht.

Nationalbank-Vizegouverneur Andreas Ittner will darin zwar noch kein Ende der Ostfantasie, sondern eher eine Stabilisierung erkennen, wie er bei der Präsentation der österreichischen Leistungsbilanz am Dienstag sagte. Langfristig sei die Region für österreichische Unternehmen nämlich weiterhin interessant. Der Rückgang war aber doch relativ markant. Nennenswert investiert wurde nur noch in Kroatien, Serbien und Tschechien.

Allerdings war die grenzüberschreitende Investitionstätigkeit im Vorjahr generell eher gering. Österreichische Unternehmen investierten 10,5 Mrd. Euro im Ausland, ausländische 8,5 Mrd. Euro in Österreich. Das liegt an sich zwar im Durchschnitt der vergangenen Jahre. Allerdings entfällt ein Drittel dieser Investitionsvolumina auf eine Transaktion, die ein reiner „Durchlaufposten“ war: Ein russischer Konzern investierte drei Mrd. Euro in den Niederlanden über den Umweg einer österreichischen Gesellschaft. Das machte Russland (obwohl das Geld gleich weiterfloss) in der Statistik zum größten Auslandsinvestor in Österreich und Holland (obwohl das Geld de facto nur aus Russland durchgeroutet wurde) zum größten Empfänger österreichischer Investitionsmittel.

Die größten Zielländer heimischer Investitionen waren neben den Niederlanden Deutschland und Norwegen. Das war vor allem zwei staatsnahen Konzernen geschuldet: Die Verbundgesellschaft zog sich aus der Türkei zurück und tauschte die dortigen Investitionen gegen Kraftwerke in Deutschland. Und die OMV engagierte sich kräftig in der Nordsee.

Heuer dürfte die Ukraine-Krise dafür sorgen, dass die Investitionstätigkeit österreichischer Unternehmen im Osten weiter schrumpft. Der Abschwung in Russland beginne schon, auf österreichische Unternehmen durchzuschlagen. Wie stark sich das auf die österreichische Investitionstätigkeit auswirken wird, könne man derzeit freilich noch nicht sagen. Österreichische Banken haben jedenfalls schon Ausstiegsabsichten in der Ukraine angedeutet.

Leistungsbilanz positiv

Insgesamt konnte Ittner gestern freilich Erfreuliches berichten. Die Leistungsbilanz (also der Saldo aus allen grenzüberschreitenden Waren-, Dienstleistungs- und Finanztransaktionen) wies im Vorjahr einen Überschuss von 8,5 Mrd. Euro oder 2,7 Prozent des BIPs zugunsten Österreichs aus. Damit lag der Überschuss noch deutlich über dem schon guten Ergebnis (7,3 Mrd. Euro) des vorangegangenen Jahres. Das deutet doch auf eine vergleichsweise noch immer hohe Wettbewerbsfähigkeit Österreichs hin.

Tourismus meldet Rekord

Wesentlich dazu beigetragen hat ein Rekordergebnis im Tourismus: Ausländer haben 2013 mit mehr als 15 Mrd. Euro so viel wie noch nie in Österreich ausgegeben. Weil die Ausgaben der Österreicher im Ausland gleichzeitig leicht rückläufig waren, kletterte der Überschuss aus dem grenzüberschreitenden Reiseverkehr relativ stark auf den ebenfalls noch nie erreichten Wert von 7,5 Mrd. Euro.

Zu verdanken ist das vor allem deutschen Touristen, die für zwei Drittel des Nächtigungszuwachses verantwortlich waren. Die Zahl der deutschen Gästenächtigungen stieg – entgegen dem mittelfristigen Trend – um 1,2 Millionen an. Kräftige Zuwächse gab es auch bei Gästen aus Russland und China. Die Chinesen haben in der Nächtigungsstatistik Amerikaner und Franzosen schon deutlich abgehängt. Rückläufig waren die Touristenzahlen – wenig überraschend – aus den südeuropäischen Krisenstaaten Italien, Spanien und Zypern. In der Weltrangliste der wichtigsten Tourismusdestinationen liegt die Alpenrepublik damit auf Platz 13 – und hängt bei den Tourismuseinnahmen Länder wie die Schweiz, Kanada oder Indien ab.

Bei den Exporten konnten vor allem die Dienstleistungsausfuhren sehr deutlich gesteigert werden. Der Dienstleistungsexport erreicht bereits ein Volumen von 25 Mrd. Euro.

Insgesamt weist Österreich auch für 2013 ein Handelsbilanzdefizit auf (es wird also mehr importiert als exportiert), diese Differenz hat sich im Vorjahr allerdings halbiert.

Kritische Standortqualität


Um diese Entwicklung weiterzuführen, müsse allerdings mehr Aufmerksamkeit auf die Sicherung der Standortattraktivität gerichtet werden, meint die Nationalbank. Für 45 Prozent der Exporte sind nämlich „auslandskontrollierte Unternehmen“ verantwortlich. Und die reagieren meist recht empfindlich auf Standortverschlechterungen – und können Investitionen blitzschnell umleiten.    (ju)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.05.2014)

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