Die Langzeitarbeitslosigkeit stieg im Mai um fast 70 Prozent. Vor allem Ältere finden sich immer öfter beim AMS. Das liegt auch am erschwerten Zugang zur Frühpension.
Wien. Österreich, das Paradies für Frühpensionisten: Ganz so ist es nicht mehr. Mit dem heurigen Jahr wurde der Zugang zum frühzeitigen Ruhestand erschwert. Das zeigt sich auch in den aktuellen Arbeitsmarktdaten: Zahlreiche verhinderte Frührentner landen mittlerweile in der Arbeitslosenstatistik. So stieg die Zahl der Arbeitslosen, die älter als 50 Jahre sind, im Mai um 23 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Bereits im April hatte sie um 22 Prozent zugelegt. Gleichzeitig arbeiten aber auch so viele Über-50-Jährige wie noch nie: Im Mai waren 817.000 „Ältere“ unselbstständig beschäftigt – um 35.000 mehr als ein Jahr zuvor.
Sowohl der Zugang zur Hacklerregelung als auch zur Invaliditätspension wurde eingeschränkt. Das schlägt sich in der Langzeitarbeitslosigkeit nieder: Die Zahl der Menschen, die länger als zwölf Monate keinen Job hatten, stieg innerhalb eines Jahres um fast 70 Prozent auf 10.600. Menschen, die sich früher aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigung in die Invaliditätspension verabschiedet hätten, müssen nun an Integrationsmaßnahmen teilnehmen und stehen dem Arbeitsmarkt zumindest theoretisch zur Verfügung. Dadurch waren zuletzt um 5000 Personen mehr von der Arbeitsmarktstatistik erfasst als im alten System. Das ist zwar nicht schön für die Statistik, führt Österreich jedoch Schritt für Schritt an die Realität heran.
Aber auch die allgemeine Arbeitslosigkeit steigt weiter. Die Arbeitslosenquote – nach nationaler Definition – kletterte im Jahresvergleich um einen knappen Prozentpunkt auf 7,7 Prozent. Die Zahl der als arbeitslos gemeldeten Menschen (inklusive Schulungsteilnehmer) legte um zwölf Prozent auf 370.143 zu. Und das, obwohl auch die Beschäftigung erneut stieg und so hoch ist wie nie.
Hauptgrund ist das weiter wachsende Arbeitskräftepotenzial: Neben Älteren drängen auch Frauen und Ausländer verstärkt in den Arbeitsmarkt. „Vor diesem Hintergrund brauchten wir auf jeden Fall mehr als zwei Prozent Wirtschaftswachstum, damit die Arbeitslosigkeit sinkt“, sagt Helmut Mahringer vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) zur „Presse“. Weil dieses nicht in Sicht ist, rechnet der Ökonom weder heuer noch 2015 mit einem Rückgang der Arbeitslosigkeit.
Ausländer verdrängen einander
Eine Verdrängung österreichischer durch ausländische Arbeitskräfte sieht Mahringer nicht – sehr wohl aber eine von Ausländern untereinander. Die Zuwanderer aus den neuen EU-Ländern – unter den Top-Zuwanderernationen waren zuletzt etwa Polen und Ungarn – seien besser ausgebildet als die klassischen früheren Gastarbeiter, beispielsweise aus der Türkei. „Die Verdrängung findet stark unter den ausländischen Arbeitskräften statt“, sagt Mahringer. Besonders in Branchen mit traditionell hohem Ausländeranteil wie Bau oder Tourismus. Die Ausländerarbeitslosigkeit stieg im Mai um 27 Prozent, so stark wie in kaum einer anderen Gruppe auf dem Arbeitsmarkt. Nur unter den Behinderten erhöhte sie sich mit 31 Prozent noch stärker.
Ausschlaggebend ist vor allem die Qualifikation. Menschen mit Beeinträchtigungen – sprachlicher, gesundheitlicher oder sonstiger Natur – verlieren in der Regel am schnellsten ihren Job und brauchen überdurchschnittlich lange, um wieder einen zu finden. Vor allem in einer Wirtschaftskrise. Ein Teufelskreis: Je länger jemand arbeitslos ist, desto schwieriger wird der Wiedereinstieg.
Im Mai gab es in Österreich rund 89.000 „Langzeitbeschäftigungslose“: Das sind laut AMS Menschen, die nicht nachhaltig in den Arbeitsmarkt integriert sind. Die rund 10.600 erwähnten Langzeitarbeitslosen zählen zu dieser Kategorie. Aber auch Menschen, die in der Zwischenzeit zwar einen Job gefunden, ihn aber nicht länger als zwei Monate ausgeübt haben und Menschen, die trotz Schulungen keine Arbeit finden konnten.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.06.2014)