Strom-Streit: „Das ist alles nicht wahr“

MINISTERRAT: MITTERLEHNER
MINISTERRAT: MITTERLEHNER(c) APA/HELMUT FOHRINGER
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Die Strombranche liefert sich eine Schlacht mit dem Wirtschaftsminister. Sie will nicht allein fürs Energiesparen verantwortlich sein.

Wien. Der Kampf um das Energieeffizienzgesetz geht in die finale Phase. Die Fronten sind klar, die Studien geliefert, die „Fakten“ in alle Richtungen interpretierbar. Politiker, Lobbyisten und Manager haben Stellung bezogen, bereit, das geplante Gesetz zu verhindern oder zu verteidigen. Es geht um viel Geld, Bürokratie und politisches Kleingeld. Um Energiesparen geht es meist nur am Rande.

„Wir brauchen dieses Gesetz nicht“, macht Barbara Schmidt, Generalsekretärin des Lobbyverbands Oesterreichs Energie, die Position der Stromwirtschaft klar. Wie berichtet sollen durch das Gesetz alle Energielieferanten ab kommendem Jahr dafür verantwortlich gemacht werden, dass ihre Kunden bis 2020 jedes Jahr zusätzliche 0,6 Prozent weniger Energie verbrauchen. Andernfalls stehen den Versorgern Strafzahlungen ins Haus. Ein unnötig teures System, das allein die E-Wirtschaft 450 Millionen Euro im Jahr kosten wird, errechnete Wifo-Experte Stefan Schleicher im Auftrag von Oesterreichs Energie. 450 Millionen, die letztlich die Kunden bezahlen müssten.

Für Schmidt ist es unverständlich, warum es überhaupt so weit kommen musste. Dass man mit der Vorgabe aus Brüssel auch anders umgehen könne, zeige das Beispiel Deutschlands. Die Bundesrepublik habe Anfang Juni an die EU gemeldet, welche Einsparungen das Land mit bestehenden Maßnahmen erreichen könne. Ein zusätzliches Gesetz wurde nicht vorgelegt.

Diesen Mut habe Österreich nicht gehabt. Auch die heimische Regierung habe bereits gesicherte Einsparmaßnahmen an Brüssel gemeldet. Mit 224 Petajoule eingesparter Energie würde das EU-Ziel von 218 Petajoule (etwa die Explosionskraft der stärksten Wasserstoffbombe) bis 2020 sogar übererfüllt. Und trotzdem lege das Land mit dem „bürokratischen“ Energieeffizienzgesetz auch noch nach.

Verpflichtung könnte sinken

„Alles nicht wahr“, kontert Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) im Gespräch mit der „Presse“. Erst vergangene Woche habe er seinen deutschen Amtskollegen Sigmar Gabriel (SPD) besucht und dort zu hören bekommen, dass auch Deutschland gegen Ende des Jahres „nicht um ein Gesetz herumkommen“ werde. Im Gegenteil. Der SPD-Mann forderte die EU gemeinsam mit sechs anderen EU-Ländern sogar auf, schärfere Energiesparziele bis 2030 zu erlassen. Ob es aber ein rechtlich oder politisch bindendes Ziel sein soll, geht aus dem Schreiben nicht hervor.

Die Meldung bestehender Energieeffizienzmaßnahmen allein würde für Österreich nicht reichen, sagte Mitterlehner. Er rechnet damit, dass die EU nicht alle vorgelegten Punkte – wie etwa die Wohnbauförderung – voll anrechnen werde. Deshalb sei ein eigenes Gesetz unumgänglich, um ein Vertragsverletzungsverfahren zu vermeiden. Sollte die Lücke kleiner ausfallen, als derzeit gedacht, könnte auch die Verpflichtung für die E-Wirtschaft geringer ausfallen.

Der Wirtschaftsminister, der für sein Gesetz eine Zweidrittelmehrheit im Parlament braucht und daher um die Zustimmung der Grünen wirbt, sieht in den Attacken der Energieversorger die „Bemühung, nichts tun zu müssen“. Man könne nicht einfach das, was schon bisher erreicht wurde, zum neuen Ziel erklären und dann jubeln: „Erfüllt!“. Er kritisiert die „Unbeweglichkeit der E-Wirtschaft“. Es brauche ein „Umdenken, damit die Österreicher besser mit Energie umgehen“. Für die Lieferanten sei das keine Bürde, sondern ein neues Betätigungsfeld. Sie könnten ihren Kunden neben Strom ja auch Energiemanagement liefern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2014)

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