Semmeringtunnel: ÖBB dürfen weiterbauen

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Viereinhalb Monate, nachdem die Baubewilligung vom Verwaltungsgerichtshof aufgehoben wurde, erstellte das Ministerium einen neuen Bescheid. In ein bis zwei Wochen sollen die Bauarbeiten wieder aufgenommen werden.

Wien. Manchmal sind es sehr kleine Dinge, die etwas Großes zu Fall bringen. So erging es nicht nur Goliath, sondern zuletzt auch dem Semmeringbasistunnel. Im Februar dieses Jahres wurde das Milliardenprojekt vom Verwaltungsgerichtshof (VwGH) wegen mehrerer – verhältnismäßig kleiner – Mängel in der Bewilligung durch das Infrastrukturministerium zwischenzeitlich gestoppt. Seit gestern, Dienstag, liegt nun ein neuer Bescheid vor. Und im zuständigen Ministerium geht man nun davon aus, dass alle Stolpersteine endgültig behoben sind.

Hauptkritikpunkt des VwGHs war bei seinem Entscheid im Februar, dass ein Sachverständiger für die Lärmbelastung nicht den formalrechtlichen Kriterien entsprochen hat. „Er war nicht nach Paragraf 31a des Eisenbahngesetzes beeidet“, heißt es dazu aus dem Ministerium. Dieser Teil des Bescheids sei daher nun von einem anderen – entsprechend beeideten – Sachverständigen neu durchgeführt worden.

Zu viel Lärm beim Spielen?

Dabei wurde auch der zweite Kritikpunkt des VwGH aufgegriffen: Im ersten Bescheid wurde die Lärmmessung vor den Fenstern des Wohngebäudes eines Anrainers durchgeführt und nicht näher an der Grundstücksgrenze, wo sich angeblich die Kinder der Bewohner beim Spielen oft aufhielten. Dies wurde nun entsprechend nachgeholt. Der dabei ermittelte „Bestandslärm“ wurde danach mit dem errechneten Baustellenlärm summiert, um die gesamte Lärmbelastung zu erhalten. Im ersten Bescheid war dies nur mit dem errechneten Lärm während des Betriebs des Tunnels geschehen.

Zu guter Letzt wurde auch geprüft, ob eine lokale Biolandwirtschaft durch das Projekt Ertragseinbußen haben könnte. Dies war im ersten Bescheid ebenfalls nicht geschehen. Dieser Punkt wurde nun mit einem Nein beantwortet.

Offen ist daher nur mehr die Frage einer Deponie für das Aushubmaterial in Longsgraben. Deren Bescheid wurde vom VwGH komplett aufgehoben, da die Deponie nicht eisenbahnrechtlich, sondern abfallrechtlich zu genehmigen sei, hieß es im Februar. Zudem ist laut ÖBB hier noch offen, ob es zu Enteignungen kommt. Mit zwei von 140 Grundeigentümern sei man sich aufgrund der zu hohen Ablöseforderungen nicht einig geworden, weshalb „aus Interesse der Steuerzahler“ ein Antrag auf Enteignung geprüft werde.

Die meisten grundsätzlichen Einwände der Tunnelgegner, wonach der Bau nicht im öffentlichen Interesse liege, der Schutz des Grundwassers nicht dem Stand der Technik entspreche oder die Bewilligung den Denkmalschutz verletze, schmetterte der VwGH im Februar bereits ab.

Dennoch kam am Dienstag erneut Kritik von Tunnelgegnern, die sich vor allem auf eine – selbst in Auftrag gegebene – Studie eines deutschen Instituts stützen, wonach die volkswirtschaftlichen Effekte deutlich geringer als von den ÖBB behauptet sind. Bei den ÖBB konterte man bisher nicht nur mit eigenen Studien, sondern auch mit einem Vergleich mit der Westbahn: So leben auf der Südachse gleich viele Menschen wie auf der bereits ausgebauten Westachse – die Zahl der Fahrgäste beträgt allerdings nur ein Viertel.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.06.2014)

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