Müllentsorgung: "Wenn ein Monopol fällt, fallen die Preise"

Franz Sauseng
Franz SausengMichaela Bruckberger
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Es habe noch nie eine Branche gegeben, bei der ein Ende des Monopols nicht niedrigere Preise und höhere Qualität gebracht hätte, sagt Franz Sauseng, Chef von Interseroh Österreich.

Für die meisten Menschen ist eine leere Plastikflasche Müll, den sie halt in einen Container werfen. Was denken Sie, wenn Sie eine PET-Flasche in der Hand haben?

Franz Sauseng: Zuerst einmal denke ich nicht daran, dass ich Müll in der Hand halte. Im Gegenteil: Wenn ich PET-Flaschen entsorge, ist das für mich der erste Schritt im Kreislauf des Recyclings von Rohstoffen. Ich habe daher auch kein schlechtes Gewissen dabei, wenn Müll anfällt, denn ich weiß, dass das Recycling funktioniert und aus der weggeworfenen PET-Flasche wertvolle Sekundärrohstoffe für neue Produkte entstehen. Der Rohstoffbedarf der Industrie kann nicht unendlich durch Primärrohstoffe gedeckt werden. Da würden wir mehr als eine Erde benötigen. Allein unsere Unternehmensgruppe spart jährlich rund 40 Mio. Tonnen Primärrohstoffe, die nicht aus der Erde gebaggert werden mussten.

Der Recyclinggedanke ist die eine Sache. Abfall ist aber natürlich auch ein gutes Geschäft. Die Krise brachte allerdings einen drastischen Preisverfall. 2009 ist etwa die Tonne Altpapier von 90 auf fünf Euro gefallen. Hat sich die Situation wieder gebessert?

Ja. 2009 war ein extremer Rückgang, inzwischen hat sich das aber normalisiert. Wir sind wieder etwa auf dem Vorkrisenniveau. Dennoch bleibt der Rohstoffmarkt ein volatiler Markt. Die Erlöse für Sekundärrohstoffe unterliegen der weltweiten Entwicklung von Angebot und Nachfrage. Daher gibt es natürlich auch immer Preisschwankungen. So lange aber etwa das papierlose Büro eine Fiktion bleibt, wird auch die europäische Papierindustrie vor allem auf Altpapier als Rohstoff bauen.

Was ist eigentlich der wertvollste Müll?

Sekundärrohstoffe sind dann wertvoll, wenn sie für die Herstellung von neuen Produkten genauso gut einsetzbar sind wie Primärrohstoffe. Hierfür ist notwendig, dass sie eine hohe Reinheit aufweisen – wenn also etwa nicht Polyethylen und Polypropylen miteinander vermischt worden sind. Gut sind etwa transparente PET-Folien mit einer gewissen Stärke oder reines Aluminium. Dann ist es nämlich möglich, dass aus diesen Abfällen wieder mit dem Ursprungsrohstoff vergleichbare Materialien erzeugt werden. Zum Beispiel haben wir von Interseroh ein Verfahren entwickelt, mit dem wir einen Recyclingkunststoff produzieren, der in der Qualität mit Primärrohstoffen vergleichbar ist – und daher auch für hochwertige Produkte verwendet werden kann.

Die Sortenreinheit ist bei Abfällen aus Unternehmen in der Regel höher als bei Haushaltsmüll, was Letzteren weniger wertvoll machen dürfte ...

Es gibt dabei mehrere Unterschiede: Erstens sind Abfälle aus Unternehmen meist größer und die Anfallmenge höher. Bei Haushalten sind die Mengen nicht nur geringer, es gibt auch mehr unterschiedliche Materialien und sogenannte Fehlwürfe – wenn also beispielsweise auch Restmüll in der gelben Tonne landet.

Ist eine solche Verschmutzung – etwa durch Essensreste – beim Recycling ein Problem?

Bei Kunststoffen ist das schon ein Thema, da bei der Sortierung Verfahren mit Nahinfrarotstrahlen eingesetzt werden. Da verschlechtern diese sogenannten nassen Abfälle die Sortierqualität erheblich. Bei Metallen ist es hingegen weniger problematisch, da das Recycling irgendwann im Hochofen bei rund 1000 Grad passiert. Da ist dann ein bisschen Kohlenstoff unerheblich.

Für Sie wird das Thema ja insofern ab dem kommenden Jahr relevant, als der Markt für Haushaltsmüll liberalisiert wird. Die Hersteller von Verpackungen können dann statt des bisherigen Monopolisten ARA auch Firmen wie Interseroh beauftragen, sich um die Entsorgung ihrer Verpackungen zu kümmern. Ihnen zufolge sollen dadurch die Preise fallen. Warum?

Es ist dies nicht das erste Mal, dass ein Monopol aufgebrochen wird. Und in allen vergleichbaren und nicht vergleichbaren Branchen hat es dadurch zwei Auswirkungen gegeben: Die Preise sind gefallen, und die Qualität ist gestiegen. Wenn mehrere um etwas rittern, dann steigt in der Regel immer die Effizienz. Es wäre sonst das einzige Monopol, bei dem das nicht passiert. Und das kann ich mir nicht vorstellen. Wie die Preise im Jahr 2015 konkret sein werden, kann man heute noch nicht sagen, da die Verhandlungen mit den nachgelagerten Dienstleistern noch nicht abgeschlossen sind und der verlangte Leistungsumfang noch nicht genau definiert ist.

Den Herstellern der Verpackungen bringt das Kosteneinsparungen. Aber was hat der Konsument davon? Wird eine Packung Milch billiger werden?

Man muss dabei berücksichtigen, wie hoch der Verpackungskostenanteil an den Produktkosten ist. So kosten die Entsorgung und das Recycling von einem Getränkekarton nur den Bruchteil von einem Cent. Ob da eine Preisveränderung in den Produktpreis einfließt, liegt bei den Herstellern und dem Handel. Wir ermöglichen mit der Marktöffnung aber zumindest Kostensenkungen in Bezug auf diesen Verpackungsanteil.

Laut dem derzeitigen Monopolisten, ARA, wird die Liberalisierung zu mehr Trittbrettfahrern führen, die für die Entsorgung ihrer Verpackungen gar nichts oder zu wenig bezahlen, weil der Markt unübersichtlich wird.

Wir haben in Österreich schon heute bereits rund 30 Prozent Trittbrettfahrer, etwa im Kunststoffbereich. So müssen wir laut Gesetz 130 Prozent der Abfälle erfassen – also um 30 Prozent mehr, als laut den Herstellern in Umlauf gebracht werden. Doch woher kommen die? Die werden nicht alle von Touristen ins Land gebracht werden. Ich glaube aber, dass die Zahl dieser Trittbrettfahrer eher reduziert werden kann, wenn mehr Anbieter auf dem Markt sind, als wenn ein Monopolist im Markt ist und sagt: „Es müssen ohnehin alle mich beauftragen.“

Müllentsorgung ist ja ein Teil der sogenannten Daseinsvorsorge – wie die Versorgung mit Strom oder Wasser. Bei Liberalisierung denken viele gleich an neapolitanische Zustände mit Müllbergen auf den Straßen. Was sagen Sie zu diesen Ängsten?

Diese Sorgen sind völlig unbegründet. Im Endeffekt ändert sich für die Konsumenten gar nichts: Die Tonnen, der Entsorger und der Abfuhrrhythmus bleiben gleich. Ob sich Interseroh oder ein anderes Unternehmen im Hintergrund um die Entpflichtung und das Recycling der PET-Flasche kümmert, merkt der Konsument gar nicht.

Was erwarten Sie sich von der Liberalisierung?

Wir sind seit 1997 im liberalisierten Markt für Gewerbeverpackungen tätig und haben deutlich über 1000 Kunden. Wir sind zuversichtlich, dass uns unsere bisherigen Kunden auch beauftragen werden, künftig ihre Haushaltsverpackungen zu entpflichten. Im Gewerbe haben wir zurzeit zehn Prozent Marktanteil, wir erwarten daher, dass wir auch im Haushaltsbereich deutlich zweistellige Marktanteile erreichen.

Erste Überlegungen zur Liberalisierung des Haushaltsbereichs hat es bereits 2005 gegeben. Warum hat das Ihrer Meinung nach so lang gedauert?

Der Gesetzgeber hat seit Jahren mit einem funktionierenden System zusammengearbeitet. Da war das Interesse, etwas zu ändern, halt überschaubar.

Steckbrief

Franz Sauseng leitet seit dem Jahr 2000 die Geschäfte des heimischen Ablegers des deutschen Entsorgungsunternehmens Interseroh.

Interseroh ist wiederum eine Tochter der deutschen Alba Group, die in Europa, den USA und Asien rund 200 Tochterunternehmen in der Entsorgungs- und Recyclingbranche mit etwa 9000 Mitarbeitern hat. Alba erzielte 2012 einen Umsatz von rund 2,9 Mrd. Euro und ist damit eines der größten Recyclingunternehmen weltweit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.06.2014)

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