Antonella Mei-Pochtler: "Wir sind verblendet von unserem Wohlstand"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Neue Vermögenssteuern brächten Österreichs Familienbetriebe in die Klemme, warnt Unternehmensberaterin Antonella Mei-Pochtler. Der Pfeiler der heimischen Wirtschaft würde nicht sofort verschwinden, sondern langsam erodieren.

DiePresse: Die Wirtschaftsforscher haben die Wachstumserwartungen schon wieder nach unten geschraubt. Wie kommt Österreichs Wirtschaft wieder in Schwung?

Antonella Mei-Pochtler: Der Wohlstand in diesem Land ist seit den 1980er-Jahren viel stärker gestiegen als im Rest der Welt, weil sich Österreichs Wirtschaft geöffnet hat und viele Unternehmen erfolgreich über die Grenzen gegangen sind. Wir exportieren seither sehr viel. Umgekehrt importieren wir den Wohlstand der Welt. Hätten wir diese Betriebe nicht, wären die Preise und Löhne etwa halb so hoch wie heute. Das haben wir für die Niederlande, Schweden und Österreich analysiert. Es gibt eine führende Industrie im Land, die für den Wohlstand verantwortlich ist. Und in Österreich sind das zu 80 Prozent Familienunternehmen. Das sind vielleicht nicht die größten Wachstumstreiber, aber mit Sicherheit sind es Wohlstands- treiber.

Was macht sie besonders?

Sie folgen ganz anderen Prinzipien als andere Firmen. Ihr größter Vorteil ist die Widerstandsfähigkeit. Familienunternehmen leben länger. Sie wachsen nicht so stark und sind nicht so überdurchschnittlich profitabel. Aber sie sind extrem konstant und tendieren seltener dazu, sich zu übernehmen.

Klingt nach einem Zustand, den im Grund alle Unternehmen anstreben.

An Familienunternehmen werden ganz andere Erwartungen gestellt als an börsenotierte Unternehmen im Streubesitz. Sie machen Aktionäre glücklich, wenn sie große Aufschläge nach oben und unten bieten. Dann steigen die Leute ein, steigen wieder aus und haben etwas verdient. Das ist für ein Familienunternehmen überhaupt kein Wert. Die ganze Geisteshaltung des Managements ist eine andere. Die Familie ist immer wichtiger als die Börse. Aber auch börsenotierte Unternehmen können so denken. Nestlé ist etwa ein großer Konzern an der Börse, wird aber geführt wie ein Familienunternehmen.

Die Familie allein ist aber auch kein Garant für Erfolg. Jüngste Beispiele sind etwa Niemetz, Baumax oder Bene.

Das Unternehmen muss natürlich auch gut geführt sein. Viele Familienunternehmen sind nicht konsequent genug, wenn es darum geht, Familienfremde in die Führung zu lassen. Die Wahrscheinlichkeit, dass gerade in der Familie jemand das Unternehmen wirklich gut führen kann, ist nicht hoch. Wenn man da keine Kompromisse macht, bekommt man leicht Probleme.

Was sind klassische Fallen, in die Familienunternehmen leicht tappen?

Zu wenig Konsequenz, wenn es darum geht, sich von unproduktiven Mitarbeitern oder schlecht laufenden Geschäften zu trennen. Trennungen sind für Familienunternehmen schwierig.

Gut für die Mitarbeiter.

Es ist nicht gut für die Mitarbeiter. Jede Form der Trennung ist gut, wenn das, was verbleibt, gesünder wird. Sonst ist es nur eine Frage der Zeit: Man trennt sich nicht und alles wird krank. Da hat dann niemand etwas davon. Harte Entscheidungen sind oft notwendig, um die Substanz zu verbessern.

Apropos harte Entscheidungen. Was halten Sie von der Debatte über Vermögensteuern? Wie, denken Sie, würden Familienunternehmen darauf reagieren?

Die ganze Diskussion verkennt vollkommen, dass Vermögen von versteuertem Geld aufgebaut wird. Wir arbeiten die Hälfte des Jahres nur für den Staat. Und bei vielen Familien steckt dieses versteuerte Vermögen eben in den Unternehmen.

Firmenvermögen soll von der möglichen Steuer doch explizit ausgenommen sein.

Wie wollen die das erheben? Wie schließt man das aus? Und wie soll sich ein Unternehmen noch eine Kapitalerhöhung leisten können? Wenn wir wollen, dass die „Hidden Champions“ aus Österreich ins Ausland gehen, brauchen sie auch Kapital. Von den Banken kommt es nach Basel III nur begrenzt. Unternehmensanleihen können sich nur die Großen leisten. Bleiben Kapitalerhöhungen, die vom Vermögen der Eigentümer kommen müssen. Wenn wir daran knabbern, bekommen wir ernsthafte Probleme.

Denken Sie ernsthaft, dass Familienunternehmen das Land verlassen würden?

Nein, sie würden nicht von heute auf morgen verschwinden, aber sie würden erodieren. Und das ist am gefährlichsten. Eine Megakrise ist nicht das Problem. Dann wissen alle, dass man reagieren muss. Aber dieses langsame Aushöhlen wird oft zu lange übersehen. Das sehen wir in der Standortdebatte sehr gut. Wir sind verblendet von unserem Wohlstand, den wir heute haben und denken viel zu selten an das Morgen. Aber nichts von dem dürfen wir als gegeben hinnehmen.

Zurück zu den Steuern: Hand aufs Herz, ist es in Österreich schwieriger, Vermögen aufzubauen oder Vermögen zu behalten? Und wäre es daher nicht legitim, die Steuerlast zu verlagern?

Als Arbeitnehmer ist es in Österreich sehr schwer, Vermögen aufzubauen, weil man so hohe Steuern bezahlt. Die Hälfte landet beim Staat, der Rest im Konsum. Mehr als das Eigenheim kann man sich so kaum erwirtschaften. Deswegen sage ich: Wir brauchen zuerst eine unbedingte Senkung der Staatskosten. Dafür bin ich auch gern bereit, Steuern zu bezahlen. Danach sollten Steuern gesenkt werden. Und da ist es schon wichtiger, die Einkommensteuer zu senken, auch weil das den privaten Vermögensaufbau erleichtert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.07.2014)

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