Jurist: Landeshaftungen für Hypo verstoßen gegen EU-Recht

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THEMENBILD: HYPO ALPE-ADRIA-BANKAPA/BARBARA GINDL
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Eine Überbergangsbestimmung der EU sei "eklatant missbraucht" worden, heißt es in einem politisch brisanten Rechtsgutachten.

Das nächste Expertengutachten zum Milliardengrab Hypo Alpe Adria wurde am Montag von den Neos präsentiert: Europarechtler Stefan Griller von der Uni Salzburg meint darin, dass ein großer Teil der Haftungen, die das Land Kärnten für die Hypo übernommen hat, EU-rechtswidrig ist. Das ist deshalb politisch brisant, weil sie so nicht als Argument gegen eine Insolvenz der notverstaatlichten Bank verwendet werden können.

Konkret geht es um eine Übergangsfrist, die Brüssel der Republik zwischen 2003 und 2007 nach dem Verbot von Landeshaftungen eingeräumt hatte. Genau in diesem Zeitraum sind die Haftungen des Landes Kärnten für die Hypo um 13,9 Milliarden Euro auf fast 25 Milliarden angeschwollen (siehe Grafik). In welchem Ausmaß davon Beträge heute noch wirksam sind, lasse sich nicht genau feststellen, so der Jurist. Es gehe aber "in die Milliarden".

Hypo-Haftungen
Hypo-Haftungen

Beim Großteil habe es sich um "völlig neue Verbindlichkeiten" gehandelt, die mit früheren nichts zu tun gehabt hätten, führt Griller aus. Schließlich habe die Hypo plötzlich mit einem veränderten Geschäftsmodell (Stichwort Balkan-Expansion) und einer Vervielfachung ihres Geschäftsvolumens aufgewartet.

Interpretation eines EU-Schreibens

Warum könnte es sich nun um einen Verstoß gegen das EU-Recht handeln? Grillers Interpretation bezieht sich auf einen Brief aus Brüssel. Das Finanzministerium in Wien hatte - nach einem 2002 von Brüssel eingeleiteten Aufsichtsverfahrens gegen Österreich - einem Aus für Landeshaftungen zugestimmt. In einem formlosen Schreiben gestand die EU-Kommission Österreich eine Übergangsfrist von 2. April 2003 bis 1. April 2007 zu - in dieser Zeit "kann die Ausfallshaftung für neu eingegangene Verbindlichkeiten aufrechterhalten bleiben", zitiert Griller aus dem Brüsseler Papier.

Auch nach diesem Zeitpunkt habe man so getan, als könnte man weiterhin "auf Teufel komm raus" neue Verbindlichkeiten eingehen, kritisierte Griller. Das sei "ein eklatanter Missbrauch der Übergangsbestimmung" gewesen. Die Politik habe da "nicht genau genug hingeschaut".

Auszug aus den Unterlagen der Neos

"Für die erste Interpretation spricht, dass die Verlängerung der staatlichen Haftung (= Übergangsfrist) dem Gläubigerschutz dient. Der Vertrauensschutz kann jedoch nur für schon bestehende Gläubiger gelten, nicht für neue Gläubiger , die wissen mussten, dass neue Beihilfen rechtswidrig sind.

Wenn man der zweiten, gegensätzlichen Interpretation folgt, dass nämlich die EU-Kommission Haftungen für gänzlich neue Verbindlichkeiten zulassen wollte, stößt man an die Grenzen des EU-Rechts. [...] Es liegt jenseits sämtlicher Ermessengrenzen, unter dem Titel Übergangsbestimmungen gänzlich neue Beihilfen über einen Zeitraum von fast 4 Jahren und mit einer Laufzeit von bis zu 14 Jahren zuzulassen. Insbesondere liegt es außerhalb jeder Ermessensgrenze schon für rechtswidrig erkannte Beihilfen in Höhe von 13,9 Mrd. Euro zuzulassen!"

Haircut: "Nachteile hätte man sich sparen können"

Auch durch das Hypo-Sondergesetz sei "die Nichtigkeit der Haftung und eine Insolvenz nicht vom Tisch", meinte Griller. Denn das Beihilfenverbot gehe auf Nachfolgegesellschaften über, allerdings werde die Thematik durch das Gesetz ungleich komplizierter.

Zum Haircut selbst sprach der Uni-Professor von einer "Ungleichbehandlung von Hypo-Gläubigern", bei der man sich "die Nachteile daraus hätten sparen können" - nämlich "wenn man sagt, eine vernünftige Variante ist eine Insolvenz". Ob sich die Klagsposition für Gläubiger, die um ihr Geld umfallen, durch seine neuen Erkenntnisse verbessere oder nicht, lasse sich "nicht sehr einfach beantworten", räumte der Jurist ein.

Neos-Budgetsprecher Rainer Hable meinte, angesichts der vorliegenden Expertise von Griller "bricht die Argumentation von SPÖ und ÖVP für die Notverstaatlichung und gegen die Insolvenz endgültig zusammen". Mit der Einschätzung des Europarechtlers, der sich auch Uni-Professoren wie Heinz Mayer, Walter Obwexer und Robert Rebhahn anschließen würden, gehe "eine juristische Bombe hoch", und es platze eine politische.

Neos drängen weiter auf U-Ausschuss

Bisher seien ja die Kärntner Landeshaftungen "das Fundament der Argumentation der SPÖ/ÖVP-Regierung gewesen", nämlich "für die Rechtfertigung der sogenannten Notverstaatlichung 2009, gegen eine Insolvenz und für die Errichtung einer Abbaugesellschaft 2014". Hable: "Die Notwendigkeit eines Untersuchungsausschusses ist für mich umso dringlicher, weil nach wie vor nicht die ganze Wahrheit am Tisch liegt."

(APA/Red.)

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