Wien: Paradies für Börseninsider

INSIDER-FREISPRUCH - EX-OMV-CHEF RUTTENSTORFER
INSIDER-FREISPRUCH - EX-OMV-CHEF RUTTENSTORFER(c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
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Im Vergleich zu anderen Ländern werden in Österreich Manager, die Insiderinformationen ausnutzen, fast nie bestraft. Daher geht die Finanzaufsicht nun zum Europäischen Gerichtshof.

Wien. Die Wiener Börse hatte früher den wenig schmeichelhaften Spitznamen VIP für „Vienna Insider Party“. Insider sind Personen, die mit Aktien handeln und dabei Insiderinformationen ausnutzen, um sich rechtswidrig einen Vermögensvorteil zu verschaffen. Laut Gesetz drohen ihnen bis zu fünf Jahre Haft. Doch die Finanzmarktaufsicht (FMA) kämpft hier gegen Windmühlen.

Weil in Österreich Insider vor Gerichten fast nie verurteilt werden, schaltet die Aufsicht nun den Europäischen Gerichtshof ein. Denn in anderen europäischen Ländern sollen laut FMA bei ähnlichen Fällen sehr wohl Strafen verhängt worden sein.

Auch bei Verstößen gegen Meldepflichten wird eine Klarstellung vom europäischen Höchstgericht erwartet, sagten die FMA-Vorstände, Klaus Kumpfmüller und Helmut Ettl, im Gespräch mit Journalisten. Anlass dafür ist ein Streit zwischen der Aufsicht und hochrangigen Raiffeisen-Managern (mit Herbert Stepic an der Spitze). Die Aufsicht verhängte gegen die Raiffeisen-Leute wegen Verletzung der Ad-hoc-Pflicht Strafen. Doch der Verwaltungsgerichtshof wusch die Banker rein („Die Presse“ berichtete exklusiv am 3. Juni 2014).

Auffällige Kursbewegungen

Pro Jahr gibt es an der Wiener Börse rund 1200 bis 1500 auffällige Kursbewegungen. Allein im Vorjahr wurden elf Insideruntersuchungen eingeleitet. In zwei Fällen wurde die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Doch im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern müssen die Betroffenen selten Konsequenzen fürchten, wie folgende Zahlen zeigen: Seit ihrer Gründung im Jahr 2002 hat die Aufsicht 20 Insiderfälle mit 86 Beschuldigen angezeigt. In allen Verfahren wurden umfangreiche Beweise sichergestellt. Die Aufsicht war sich sicher, dass die Gerichte Strafen aussprechen werden. Doch die Realität sieht anders aus.

Bislang liegen in Österreich nur zwei rechtskräftige Verurteilungen vor. 2004 ist ein Drucker, der Einladungen zur Präsentation einer Innovation eines börsenotierten Unternehmens produziert hat, wegen Bereicherung in Höhe von 15.000 Euro zu drei Monaten bedingt bestraft worden. Beim anderen Insiderprozess ging es um frühere „Bierbarone“, die mit Geldstrafen davongekommen sind.

Besonders aufwendig waren die Ermittlungen gegen den früheren OMV-Generaldirektor, Wolfgang Ruttenstorfer. Doch dieser wurde in allen Instanzen freigesprochen. Ähnlich erging es dem Chef der Raiffeisen Bausparkasse, Manfred Url. Drücken Österreichs Gerichte bei Börseninsidern und bei der Verletzung von Meldepflichten mehrere Augen zu?

Zur Verteidigung der Justiz muss gesagt werden, dass in Österreich die gesetzlichen Vorgaben weniger streng und klar geregelt sind als in anderen europäischen Ländern. Dies geht laut „Presse“-Informationen unter anderem auf das Lobbying von börsenotierten Firmen zurück. Einer EU-Richtlinie zufolge reicht im Regelfall schon das Wissen um einen Insidersachverhalt für eine Verurteilung aus, in Österreich dagegen müssen auch noch Vorsatz und Bereicherungsabsicht vorliegen.

Brisantes EuGH-Urteil

Die Finanzaufsicht fordert nun vom Europäischen Gerichtshof eine Klarstellung, dass auch in Österreich die strengeren EU-Richtlinien gelten. Denn es könne nicht sein, dass in Österreich Insider laufen gelassen werden, während in anderen EU-Ländern Strafen verhängt werden.

Zudem gibt es ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs, dass börsenotierte Konzerne ihre Aktionäre über kursrelevante Vorgänge (wie Fusionen oder Zukäufe) schon informieren müssen, auch wenn sich diese noch im Planungsstadium befinden. Möglich ist hier die Information in Zwischenschritten, unabhängig von der Eintrittswahrscheinlichkeit des Vorgangs.

AUF EINEN BLICK

Seit Gründung der Finanzmarktaufsicht (FMA) im Jahr 2002 gab es in Österreich zahlreiche Insiderfälle, aber nur zwei rechtskräftige Verurteilungen. Um dies zu ändern, wendet sich die FMA nun an den Europäischen Gerichtshof. Auch bei Verstößen gegen Meldepflichten wird eine Klarstellung vom EuGH erwartet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.07.2014)

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