Ökologie: „Klimaschutz ist schlechtes Investment“

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Für den dänischen Kyoto-Kritiker Bjørn Lomborg ist der Kampf gegen Aids oder die Versorgung mit sauberem Trinkwasser weit wichtiger als die rasche Umsetzung des Kyoto-Protokolls.

WIEN. 1,2 Millionen Menschen sterben jedes Jahr an Malaria. Das sagt die Weltgesundheitsorganisation. Mit der zunehmenden Erderwärmung steigt auch die Zahl der Malaria-Opfer, meinen Klimaforscher.

„Nicht das Klima ist schuld an den Malaria-Toten, sondern die Armut. Arme Menschen sterben an Fieber, reiche Menschen nicht.“ Das ist nur eines der eindringlicheren Beispiele, mit denen der Däne Bjørn Lomborg seit Jahren gegen das Diktat des Klimawandels ankämpft und aneckt. Es gehe darum, Menschenleben zu retten. „Mutter Erde“ halte noch länger durch.

So simpel lässt sich die These das 43-jährigen Statistikers zusammenfassen. Lomborg ist einer der kontroversiellsten Wissenschaftler der Gegenwart. Das Time-Magazin zählt ihn zu den „100 einflussreichsten Menschen der Welt“. Am Donnerstag war er auf Einladung des Landes Steiermark und der „Presse“ in Wien, wo er einen viel beachteten Vortrag hielt. Zuerst sollte man Armut, Krankheiten und soziale Ungerechtigkeit bekämpfen. Dann könne man das Klimaproblem lösen. Dem Kyoto-Protokoll begegnet Lomborg mit großer Skepsis. Für immense Kosten würde der Klimawandel damit im besten Fall gerade einmal um sieben Tage nach hinten verschoben werden, meint er.

„Straßen und Dächer weiß anmalen“

Seine These untermauert der gewiefte Statistiker mit zum Teil sehr plakativen Beispielen. „Jedes Jahr sterben mehr Leute an Kälte als an der Hitze“, sagt er. Und damit hat Lomborg natürlich recht, wenn er sich auf die gemäßigte Klimazonen beruft. Tatsächlich kam auch eine Studie des Weltklimarats (IPCC) vergangenes Jahr zu diesem Schluss. Lomborg erwähnt aber nicht, dass diese positive Entwicklung in Europa und Nordamerika durch noch viel dramatischere Sterblichkeit in den Entwicklungsländern überlagert wird. Viel lieber fordert er, alle Straßen und Dächer Londons weiß zu streichen. So könne die Temperatur effektiver gesenkt werden, als etwa mit der Reduktion der CO2-Emissionen.

Natürlich weiß keiner besser wie man mit Statistiken argumentiert als ein Statistiker. Und Lomborg weiß auch sehr gut, wie er seinen Kritikern – Grün-Aktivisten, Globalisierungsgegnern und Klimaforschern – begegnen muss. Immerhin war er lange Zeit selbst Greenpeace-Aktivist. Auch in Wien musste sich Lomborg als „Öko-Faschist“ beschimpfen lassen. Derartige Angriffe nimmt er genauso mit Gleichmut entgegen, wie einst die nach ihm geworfene Torte in einem Londoner Book-Shop.

Je aggressiver die Gegner, umso konzilianter gibt sich der Däne. „Die globale Erwärmung ist vom Menschen gemacht, sie ist ein Problem, aber sie ist kein prioritäres Problem“, sagt er.

Lomborgs Lieblings-Sparringspartner ist der frühere US-Vizepräsident und Friedensnobelpreisträger Al Gore. Geschickt pickt sich Lomborg Gores umstrittenste These heraus. Jene nämlich, dass der Meeresspiegel in 100 Jahren um sechs Meter steigen wird. Eine Annahme, die von keiner seriösen Untersuchung gestützt wird. „Es werden 30 Zentimeter sein“, sagt Lomborg. Damit bezieht er sich zwar auf eine sehr optimistische IPCC-Studie, befindet sich aber im Gegensatz zu Gore im realistischen Rahmen.

Headset, weißer PC und zwei große Leinwände, auf die er Tabellen projiziert. Polo-Shirt, Jean. Im Outfit unterscheidet sich Lomborg nicht von seinen Gegnern. Die Anhänger tragen meist Anzug und Krawatte.

„Es gibt nicht mehr Hurrikans“

„Es gibt nicht mehr Hurrikans als früher“, sagt er und zitiert eine US-Studie. Es leben einfach nur mehr und immer wohlhabendere Menschen entlang der Küste. 1926 wütete ein Hurrikan auf dem Gebiet des heutigen Miami. Zum Glück gab es damals die Stadt noch nicht, deshalb spricht kein Mensch mehr davon. Hurrikan Katrina war von seinen Ausmaßen nicht „katastrophaler“. Er traf aber dicht besiedeltes Gebiet. Lomborg ätzt: „Nicht ein Stopp des Klimawandels verhindert Hurrikan-Schäden, sondern ein Stopp des Wohlstands und des Bevölkerungswachstums.“

Die Einhaltung des Kyoto-Ziels zur Eindämmung der Treibhausgase würden das Wirtschaftswachstum der Welt jährlich um 180 Mrd. Dollar verringert, zitiert er einen Bericht des IPCC. Mag sein, dass die Zahl noch aktuell war, als er seinen Bestseller („Cool it. Warum wir trotz Klimawandels einen kühlen Kopf bewahren sollten“) publizierte. Mittlerweile hat der Weltklimarat die Kosten auf knapp 70 Mrd. Dollar revidiert. Lomborg verwendet die alten Zahlen. Ein kleiner Wermutstropfen, denn auch die aktuellen würden seine These nicht widerlegen. Sie wären nur nicht ganz so plastisch.

Anstatt jährlich 180 Mrd. in den Klimaschutz zu pumpen, könnte man um 75 Mrd. Dollar alle Menschen auf diesem Planeten mit sauberem Trinkwasser versorgen, sagt er. Für einen Dollar, der ins Kyoto-Ziel investiert wird, erhalte man 30 Cent Rückflüsse. „Das ist ein schlechtes Investment“, sagt er. „Ein Dollar für die Aids-Vorbeugung bringt 40 Dollar an sozialen Rückflüssen.“

Lomborgs Argumente sind treffend. Aber er dividiert dabei Armutsbekämpfung und Klimaschutz auseinander. Im Kyoto-Protokoll wird erwähnt, dass zuerst die Armut bekämpft werden muss, bevor Entwicklungsländer sich dem Klimaschutz verpflichten müssen. Lomborg erwähnt das nicht.

Andererseits räumt „Kyoto-Ketzer“ Lomborg mit plumpen Öko-Dogmen auf. Umweltschützern, die sich um die Eisbären sorgen, antwortet Lomborg: „Dank Kyoto würde man jährlich einen Eisbären retten. Wie wäre es, einfach weniger abzuschießen?“ 500 Eisbären werden jedes Jahr erlegt.

ZUR PERSON

„Apokalypse No!“ hieß 2001 sein erster Bestseller. Lomborg leitet das „Institut für Umweltprüfung“ in Kopenhagen, das die dänische Regierung berät. Der Vegetarier gründete die Expertengruppe „Copenhagen Consensus“, die globale Probleme reiht. Klimaschutz rangiert auf Platz 17.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2008)

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