Bahngewerkschafter zur Lohnrunde: „Der Druck wird steigen"

INTERVIEW MIT OeBB-GEWERKSCHAFTER ROMAN HEBENSTREIT
INTERVIEW MIT OeBB-GEWERKSCHAFTER ROMAN HEBENSTREITHERBERT NEUBAUER / APA / picture
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Interview. Das Thema Steuerreform lasse sich nicht mehr „wegdiskutieren", so der oberste Bahngewerkschafter Roman Hebenstreit. Ohne Reform würden eben die Lohnforderungen steigen.

Die Presse: Laut Ihnen war diese Lohnrunde ein „Systembruch", da Sie erstmals eine Nettoforderung gestellt haben. Schlussendlich gab es aber dennoch einen Bruttoabschluss. Sind Sie somit gescheitert?

Roman Hebenstreit: Nein, keinesfalls. Es war klar, dass die technische Umsetzung in einer Lohntabelle nur eine Bruttovariante sein kann. Das geht gar nicht anders. Aber hinsichtlich der Höhe der Forderungen und der Systematik, wie wir sie umgesetzt haben, wurde immer auf Nettobasis gerechnet. Und davon wurde die Bruttoerhöhung abgeleitet. Entscheidend war für uns eine Netto-Inflationsabgeltung, weil die gesteigerte Miete ja auch nicht vom Bruttolohn bezahlt wird.

Hier kann man natürlich einwerfen: Was können die Unternehmen dafür, dass es die kalte Progression gibt? Warum sollen sie dafür aufkommen?

Faktum ist, dass für die Menschen in den vergangenen Jahren immer stärker spürbar wurde, dass die Gewerkschaften zwar Bruttolohnabschlüsse erzielten, sich dabei aber der Finanzminister aufgrund der kalten Progression jedesmal seinen Bonus holt und weniger davon im Geldbörsel bleibt.

Aber was können die Unternehmen dafür? Die machen die Steuergesetze ja nicht.

Aber welche andere Möglichkeit hat ein Arbeitnehmer denn? Ihm wird die Steuer automatisch abgezogen. Er hat - anders als ein Unternehmer oder Selbstständiger - auch keine Möglichkeit für Spielräume.

Und deshalb muss er es dort einfordern, wo es geht? Also bei den Lohnrunden?

Genau.

Erwarten Sie eigentlich, dass es in anderen Branchen „Nachahmer" geben wird?

Es ist ganz sicher so, dass die Sensibilität in den Gewerkschaften und bei den Mitgliedern deutlich steigen wird. Österreich entwickelt sich ja zunehmend zum Lohnsteuerstaat. So werden die Einnahmen aus dieser Steuer demnächst bereits die Einnahmen aus der Umsatzsteuer erstmals übertreffen. Da besteht ganz einfach Handlungsbedarf. Deshalb fordert der ÖGB das jetzt auch ein.

In einer ersten Reaktion war man in den anderen Branchen aber eher verhalten. Hätten Sie sich da mehr Rückhalt erwartet?

Entgegen allen Vermutungen war die Idee, eine Nettoforderung zu stellen, nicht mit anderen Branchen im ÖGB abgesprochen. Wir haben das im Verhandlungsteam der Vida entschieden. Insofern muss es auch jeder für sich selbst machen. Die Metaller haben ja ebenfalls bereits Mindesterhöhungen in ihren Abschlüssen enthalten, die schlussendlich eine gewisse Nettoerhöhung garantieren.

In der Öffentlichkeit gab es viel Kritik für Ihr Vorgehen. Vor allem, da es sich bei den Schienenverkehrsbetrieben primär um steuerfinanzierte Staatsbetriebe handelt. Was entgegnen Sie?

Wir haben für fast 50 Eisenbahnunternehmen verhandelt. Es geht dabei also nicht nur um die ÖBB. Viele Firmen davon - etwa im Güterverkehr - sind eigenwirtschaftlich und erhalten keine Zahlungen vom Staat. Zudem sind auch gemeinwirtschaftliche Leistungen, also die Bestellung von Dienstleistungen durch den Staat, keine Subventionen. Diese Darstellung ist höchst unfair und unseriös. Das ist so, als würde man sagen, dass Bauarbeiter keine Lohnerhöhung bekommen sollen, weil sie eine Schule oder ein Amtsgebäude bauen. Ich weiß, dass durch diesen ständigen Rufmord an den ÖBB und ihren Beschäftigten viele glauben, die Eisenbahner müssten was einzahlen, damit sie dort arbeiten dürfen.

Die kalte Progression war ja nicht nur bei der Lohnrunde Thema sondern ist dies auch bei der aktuell größten ÖGB-Kampagne seit langem für eine Steuerreform. Große Reaktionen in der Politik wurden damit bislang aber nicht ausgelöst. Ist der ÖGB so schwach?

Ich glaube, dass der Zuspruch sehr hoch ist und die Sensibilität in der Bevölkerung deutlich steigt und noch weiter steigen wird. Denn es kann nicht sein, dass die Menschen, die mit ihren Händen oder mit ihrem Kopf mühsam Geld verdienen, die Gesamtlast der staatlichen Ausgaben stemmen, während sich jene, die von Erbschaften oder Zinseinkünften profitieren, sich zunehmend von dieser Finanzierung verabschieden.

Wenn sich bis Herbst nichts tut, was wird der ÖGB machen?

Ich kann jetzt keine Details über die Kampagne sagen. Aber der Druck wird auf jeden Fall steigen. Denn dieses Thema lässt sich nicht einfach wegdiskutieren.

("Die Presse", Printausgabe vom 25.7.2014)

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