Silicon Valley: "Wer es hier schafft, schafft es überall"

Nikolaus Henckel
Nikolaus Henckel Die Presse
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Auch heuer machen sich 17 Firmengründer aus Österreich ins Silicon Valley auf, unterstützt von der "Go Silicon Valley"-Initiative der Wirtschaftskammer. Sie suchen, wie viele vor ihnen, den großen Erfolg.

Nikolaus Henckel mag sein Büro. Kein Wunder: Es ist groß, mit hohen Wänden, lichtdurchflutet und am Karmeliterplatz gelegen, in Gehweite von der Wiener Innenstadt. Hier arbeitet er mit seinen sieben Mitarbeitern und seinem Ko-Geschäftsführer an seiner Geschäftsidee: einem Online-Kundenbindungsprogramm für Klein- und Mittelbetriebe. „Also zum Beispiel für den Copyshop gegenüber“, sagt Henckel mit Blick auf die Taborstraße. Aber nicht mehr lange. Im Oktober bricht Henckel ins Silicon Valley auf und tauscht den geräumigen Altbau gegen einen Schreibtisch im Großraumbüro. Um dort, wie so viele andere, den großen Erfolg zu finden.

Henckel ist einer von 18 Unternehmern aus Österreich, die sich für den heurigen Durchgang des „Go Silicon Valley“-Programms der Wirtschaftskammer und des -ministeriums qualifiziert haben. Die Initiative gibt es seit 2009, seither nahmen 72 österreichische Firmen teil. Sie ermöglicht es Gründern, im IT-Zentrum der Welt kreative Luft zu schnuppern. Die meisten Österreicher, die sich im Silicon Valley versuchen, hatten das Programm als Sprungbrett.

Henckels Faszination vom Silicon Valley ist nicht zu überhören. „Es ist atemberaubend, wie die dort drüben Wachstum betreiben“, sagt er im Besprechungszimmer seines Büros im zweiten Bezirk. „Ich möchte die Dynamik verstehen, lernen, wie es andere machen und lernen, wie wir dieses Wachstum auch hier vorantreiben können.“ Und möglicherweise Geschäftspartner finden, ein Netzwerk aufbauen. Netzwerken, sagt Henckel, sei der gemeinsame Nenner im Valley.

Das Haus ist schon gemietet („doppelt so teuer wie hier“), der Jurist geht mit Frau und Kindern. Überzogene Erwartungen, wie sie manche haben – etwa aus dem Nichts heraus Millioneninvestitionen zu finden – hat er nicht. „Es ist ein Abenteuer. Ich will einfach in 20 Jahren zurückschauen und mich freuen, es gemacht zu haben.“

Zahlreiche Österreicher vor und nach ihm haben ihr unternehmerisches Glück im Silicon Valley gesucht – gefunden haben es nur wenige. Einer, der es geschafft hat, ist der Welser Daniel Mattes: 2009 verkauften er und sein Geschäftspartner Roman Scharf ihre Internet-Telefonie-Firma Jajah für 209 Millionen Dollar an die spanische Telefónica. Mit an Bord war der IT-Großinvestor Sequoia Capital, der auch Google, Yahoo und Apple finanziert hat. Seither lebt und arbeitet Mattes ziemlich erfolgreich im Silicon Valley.

Von solchen Geschichten träumen viele, bevor sie sich in die Welt der Internetmilliardäre aufmachen – und erleben dann, vor Ort, eine herbe Enttäuschung. Drei Monate – so lange unterstützt die Kammer den Aufenthalt – sind nicht viel Zeit. Am Ende schaut oft nicht das heraus, was sich die Jungunternehmer erhofft haben. Im Silicon Valley geht alles schnell, und es wartet niemand auf einen. Ohne Plan läuft in der Regel nichts.


Teures Abenteuer. Mike Heininger weiß das. Der Unternehmer, der an einem Online-Datenbank-Tool bastelt, ist schon seit Wochen dabei, den Aufenthalt seiner Firma in Redwood City, einer der vielen Kleinstädte im Silicon Valley, vorzubereiten. Obwohl er erst im Oktober startet. Man habe Gespräche mit Alumni des Programms geführt und diverse administrative Dinge erledigt, wie die Wohnungssuche. „Jetzt bauen wir gerade eine Datenbank von interessanten Firmen und Organisationen auf und recherchieren, wie wir an sie herankommen“, sagt Heininger.

Wird man ins „Go Silicon Valley“-Programm aufgenommen, heißt das nämlich noch lange nicht, dass alles organisiert ist, geschweige denn finanziert. Im Gegenteil. Die Teilnehmer bekommen lediglich einen Arbeitsplatz in einem „Accelerator“ zur Verfügung gestellt. Das ist eine Art Großraumbüro, in dem viele andere Start-ups sitzen, regelmäßig Pitches stattfinden und Coaches anwesend sind, die den Jungunternehmern mit Wissen und Erfahrung unter die Arme greifen. Etwa das Plug and Play Tech Center in Sunnyvale. Hier sitzen Firmen, die wachsen wollen, aber noch zu klein und zu unerfahren für ein eigenes Büro sind.

Abgesehen vom Arbeitsplatz bekommen die Teilnehmer aber nicht viel. Anreise, Wohn- und sonstige Lebenshaltungskosten müssen sie selbst bezahlen. Und diese machen, nicht zuletzt wegen der horrenden Immobilienpreise im Valley, den Löwenanteil der Kosten aus.

Auch darüber ist sich Heininger im Klaren. „Das Abenteuer kostet natürlich einiges an Geld.“ Sorgen macht ihm das aber keine, denn er hat vielen Start-ups etwas Entscheidendes voraus: eine Mutterfirma, die den Ausflug finanziert. Heiningers Unternehmensgruppe Bee Network gibt es seit 1995, und sie läuft gut. „Die Finanzierung ist für uns also relativ unproblematisch, wir können das aus den laufenden Umsätzen bestreiten.“ Heininger kann sich in Kalifornien also voll und ganz auf seine Pläne konzentrieren. „Wir wollen unseren Nutzerkreis erweitern, erste namhafte Kunden in den USA finden, die als Referenzkunden verwendet werden können“, sagt er. Heininger selbst, der bei Bee Network Ko-Geschäftsführer ist, wird nur wochenweise im Silicon Valley sein. Seine Produktmanagerin bleibt drei Monate.

Das könnte sich als kluge Entscheidung entpuppen: Geht der Geschäftsführer selbst für drei Monate weg, kann es leicht sein, dass er bei der Rückkehr das Chaos vorfindet. Gewisse Details sind nicht zu unterschätzen: etwa die Zeitverschiebung, die zur Folge hat, dass man Telefon- oder Internetkonferenzen mit den Mitarbeitern zu Hause nur zu Unzeiten führen kann. Und die Firma aus der Ferne führen muss, neben den Terminen tagsüber.


Eine Idee reicht nicht.
Um am „Go Silicon Valley“-Programm teilzunehmen, muss aber der Geschäftsführer oder zumindest ein anderer hochrangiger Mitarbeiter mit Entscheidungsbefugnis nach Kalifornien gehen. Der „ideale Kandidat“, heißt es in der Ausschreibung der Wirtschaftskammer, ist ein KMU oder ein Spin-off einer Großfirma (wie bei Heininger), mit mindestens zwei Mitarbeitern und einer „bahnbrechenden“ und „idealerweise auch patentfähigen“ Geschäftsidee im IT-Bereich. Die Idee sollte bereits auf dem Markt getestet sein, beziehungsweise sollte es einen Prototypen geben. Eine Idee allein reicht freilich nicht: Wer allein damit ins Valley aufbricht, hat so gut wie keine Chancen, an verwertbare Kontakte oder gar Investoren heranzukommen. Im Idealfall hat man schon einen Kundenstock aufgebaut und kann nachweisen, dass das Produkt auf dem Markt „funktioniert“.

Zumindest sein letztes Produkt hat „funktioniert“ – jetzt versucht es Christoph Holz, 47, noch einmal mit einer neuen Firma. Er ist schon seit 20 Jahren Unternehmer, hat die erfolgreiche Internetwerbeagentur namens Holzweg aufgebaut. Mit seinem Start-up Visalyze versucht er sich jetzt am Thema Datenaufbereitung in Sozialen Netzwerken. Er nennt das seine „Midlife-Crisis“: „Andere Männer in meinem Alter haben eine Freundin, ich habe ein Start-up“, sagt Holz. Er ist seit zwei Monaten im Silicon Valley und hat noch vier Wochen vor sich. Was hat ihn dort hingetrieben? „Dass hier zwölf Prozent des weltweiten Investitionskapitals im Bereich IT angesiedelt sind. Nirgends ist die Dichte an Investoren und Start-ups höher“, schwärmt er. Holz sucht nicht primär nach Investoren, sondern betreibt vor allem Marktforschung. „Und ich wollte sehen, wie das Silicon Valley von innen funktioniert.“ Er schätzt das offene Gesprächsklima, und dass jeder mit jedem rede: Er habe schon Projektleiter von Twitter kennengelernt und Kontakte zu Oracle und General Motors geknüpft.

In Österreich, findet Holz, fehle das Gefühl für Start-ups – sie würden so behandelt, als wären sie kleine Industriebetriebe. „Das ist eigentlich obszön, diese Haltung mancher Fördergeber und potenzieller Auftraggeber gegenüber Start-ups.“ Dazu komme die „enorme Geschwindigkeit“ im Silicon Valley, die Wertschätzung von jungen Firmen. Während sich Österreicher in der Regel lieber einen sicheren Beruf bei einem großen Konzern oder gleich beim Staat suchten. „Hier gehen die richtig cleveren Leute gar nicht in große Unternehmen. Sie steigen alle zwei, drei Jahre in ein neues Start-up ein. Diese Mentalität erzeugt natürlich ganz neue Möglichkeiten für Start-ups.“ Der zentrale Grund, warum er hier ist, ist für ihn klar: „Wer es hier schafft, schafft es überall.“

Geschäfte in Kalifornien

„Go Silicon Valley“ ist ein Programm für Firmengründer aus Österreich. Die Wirtschaftskammer und das -ministerium unterstützen im Rahmen der Internationalisierungsoffensive einen dreimonatigen Aufenthalt im kalifornischen Silicon Valley. So soll österreichischen KMU der Einstieg in die IT-Branche der USA ermöglicht werden.

Die Teilnehmer bekommen einen Arbeitsplatz in einem Business Accelerator zur Verfügung gestellt. Dort finden regelmäßig Pitches statt, und es sind Mentoren anwesend, die den Gründern mit ihrer Expertise unter die Arme greifen.

Der ideale Kandidat ist laut Ausschreibung der Wirtschaftskammer ein österreichisches KMU oder Spin-off einer Großfirma, hat zumindest zwei Mitarbeiter und eine „bahnbrechende“ und marktfähige Geschäftsidee. Der nächste Durchgang ist für das Jahr 2015 geplant. Interessenten können sich aber schon jetzt melden: Außenwirtschaft.technologie@wko.at.

In Zahlen

2009startete die „Go Silicon Valley“-Initiative der Wirtschaftskammer und des -ministeriums.

72Unternehmer aus Österreich nahmen seither an dem Programm teil.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2014)

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