ÖIAG-Chef Kemler: "Bin ja kein Sparschweinchen"

Rudolf Kemler
Rudolf KemlerDie Presse
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Er müsse nicht "alles einsammeln, was am Weg liegt", sagt ÖIAG-Chef Rudolf Kemler. Die Firmen aus dem staatlichen Energiesektor hätte er aber schon gern in der ÖIAG.

Sie sind vor zwei Jahren mit einem ehrgeizigen Programm angetreten. Getan hat sich nichts. Macht Ihnen der Job noch Spaß?

Rudolf Kemler: Großen sogar. Denn auch die bestehenden Unternehmen bieten Interessantes. Für mich ist die ÖIAG neu nicht aufgehoben, sondern aufgeschoben. Ich bin sehr optimistisch, dass die Koalition im Herbst eine neue Diskussion beginnt.

Sie wollten der ÖIAG mehr Kompetenzen verschaffen – und sind bisher gescheitert.

Natürlich wäre ich lieber schon weiter. Aber wenn Sie Beteiligungen der Republik verantworten, brauchen Sie den Konsens beider Koalitionspartner. Es braucht künftig von uns mehr Überzeugungsarbeit, aber es bedarf auch mehr Bereitschaft in der Politik.

Fehlt der politische Wille, oder sind es Eifersüchteleien zwischen Ministerien?

Wahrscheinlich ist es eine Mischung aus allem. Dabei sind freilich auch Dinge in den Brunnen gefallen, die für den Standort extrem wichtig wären.

Welche etwa?

Der Österreich-Fonds. Die Idee ist, einen Teil der Dividenden zur Unterstützung innovationsstarker Unternehmen einzusetzen und dort einzuspringen, wo die Banken nun auslassen. Wir liegen schon bei der Startfinanzierung in Europa im hinteren Drittel. Wenn es darum geht, Firmen zur Marktreife zu bringen, reißt die Finanzierung ganz ab. Daher verlieren wir innovationsstarke Unternehmen. Nehmen Sie Finnland: Nokia erlitt schon vor acht, neun Jahren einen Rückschlag. Damals hat die finnische Wirtschaft gespürt, was das heißt, wenn so ein Motor ausfällt. Es wurde ein Fonds gegründet, in dem heute schon 150 Beteiligungen sind.

Ist es in einer so knappen Budgetsituation sinnvoll, über einen neuen Fonds zu reden?

Zeigen Sie mir einen Finanzminister, der nicht gern mehr Geld hätte. Aber wenn ich etwas ernten möchte, muss ich auch investieren. Ich bin überzeugt davon – und es gibt in Europa gute Beispiele dafür –, dass mit relativ geringen Investitionen viel bewegt werden kann.


Was macht Sie optimistisch, dass sich im Herbst etwas ändert? Die Atmosphäre in der Regierung verschlechtert sich täglich.

Unsere Wirtschaftsentwicklung zeigt, dass wir Handlungsbedarf haben. In den USA findet eine Reindustrialisierung statt, in Europa das Gegenteil.

Ist der Fonds für Sie das Kernstück einer neuen ÖIAG oder die Hereinnahme neuer Unternehmen?

Wenn ich einen Beitrag zur Zukunft des Standorts leisten will, ist der Fonds das Thema Nummer eins. Aber es geht auch um das Management von Staatseigentum. Da geht es im Kern um 30 Unternehmen, die auf sieben Ministerien verteilt sind. Einige, die besonders stark im Wettbewerb stehen, wären besser in der ÖIAG mit ihrem professionellen Beteiligungsmanagement aufgehoben.

Damit meinen Sie den Verbund. Trifft das auch auf die ÖBB zu?

Man muss die unterschiedlichen Entwicklungsstufen bei Unternehmen berücksichtigen. Die ÖBB haben die Infrastruktur und marktnahe Bereiche. Wenn die Sparten klar getrennt sind, sind die ÖBB ein Kandidat. Grundsätzlich gehören für mich Branchen wie Energie und Telekom zur ÖIAG. Die Frage ist etwa, wie man die Energielandschaft effektiver gestaltet. Die Landesversorger sind im europäischen Umfeld Zwerge.

Casinos Austria gilt als Fixstarter.

Es herrscht Konsens in der Koalition, dass sich die Nationalbank über die Münze vom Glücksspiel trennt. Zudem stehen die Casinos zunehmend im internationalen Wettbewerb, das schreit nach einer Bereinigung der Aktionärsstruktur.

Ihr neuer Aufsichtsratspräsident Siegfried Wolf gilt als Mann der Tat. Erhoffen Sie sich von ihm mehr Druck auf die Regierung?

Er will ein aktiver Aufsichtsratspräsident sein...



Das ist doch eine gefährliche Drohung?

Das wird sich zeigen. Ich gehe davon aus, dass er die Reform, die er ja kennt, unterstützt. Er ist aktiv und findet offene Worte. Da begrüße ich eine Rollenteilung zwischen uns.


Wenn auch im Herbst nichts weitergeht: Es gibt ja Kritiker, die meinen, man brauche die ÖIAG gar nicht.

Solche Stimmen gibt's immer, die kommen vor allem von Hinterbänklern.

Was ist die ÖIAG: Supervisor, Feuerwehr oder Korrektiv?

Wir sind von allem etwas. Bei der Hypo sind wir jetzt Feuerwehr. Die Abbaugesellschaft kommt aber zum Finanzministerium, weil es sonst das Risiko gibt, dass die ÖIAG für Schulden der Hypo herangezogen werden könnte. Ich bin ja auch kein Sparschweinchen für Beteiligungen, dass ich alles einsammeln muss, was am Weg liegt. Ich habe aber Sorge um unsere Leitbetriebe.

Das Stichwort ist gefallen: Die Telekom musste zuletzt 400 Millionen Euro in Bulgarien abschreiben. Macht Ihnen das Sorgen?

Das war für uns alle eine Überraschung. In Bulgarien haben auch die EVN und die Erste Bank Probleme. Das Land befindet sich in einer extremen Negativspirale. Die Menschen können sich manche Dinge einfach nicht mehr leisten. Das lokale Management, das im ersten Quartal noch die Planung erfüllt hat, musste daher den Plan überarbeiten. Daraufhin musste der Konzernvorstand reagieren.

Dass es Bulgarien nicht gut geht, ist doch schon lange bekannt.

Die Telekom generiert in Bulgarien nach wie vor Cash. Es geht um die Zukunftsaussichten. Wir hatten diese Situation schon in Weißrussland. Heute ist das die beste Beteiligung.

Hat Telekom-Chef Hannes Ametsreiter noch Ihr Vertrauen?

Das ist für mich keine Frage.

Die Telekom bekommt eine Kapitalerhöhung über eine Milliarde Euro. Wie schlecht geht es dem Konzern?

Wenn man eine Milliarde Euro für Frequenzen ausgeben muss, dann wird mir schwarz vor den Augen. Dazu kommt der Wettbewerb, der die Ertragslage verschlechtert. Und die Regulierung mindert den Umsatz jährlich um 70 bis 100 Millionen Euro.

Im Budget für 2015 ist wieder eine sehr hohe Dividende angesetzt. Gibt es da Begehrlichkeiten im Finanzministerium?

Wünschen wird man noch was dürfen.


Wie viel Geld muss die ÖIAG bei der Kapitalerhöhung in die Hand nehmen?

Wir wollen unseren Anteil von 28,4 Prozent halten und müssen daher 280 Millionen Euro aufbringen. Eines ist klar: Der Syndikatsvertrag mit America Movil schafft uns die Möglichkeit, bei der Telekom mitzugestalten, die wir sonst verloren hätten.

Kritiker meinen, die ÖIAG habe sich über den Tisch ziehen lassen.

Der Syndikatsvertrag sichert uns viel mehr Rechte, als wir sonst als 28-Prozent-Aktionär hätten. Deutschland hat an der Deutschen Telekom 32 Prozent und nur zwei Aufsichtsräte, und nicht einmal den Vorsitzenden. Wir stellen den Vorsitzenden und nominieren den Vorstandsvorsitzenden. Wir sind in einer komfortablen Situation.

Steckbrief

1956 wird Rudolf Kemler in Wien geboren.

1989 startet er nach der Ausbildung an der HTL in der Geschäftsleitung von Nixdorf. Er bleibt auch nach der Übernahme des Computerunternehmens durch Siemens dort.

1992 wechselt er in die Konzernzentrale nach München, wo er für Bankensysteme zuständig ist.

1998 übersiedelt er in die USA und übernimmt eine Führungsfunktion bei GE Capital.

Ab 2000 ist Kemler wieder in Österreich. Er ist Chef von T-Systems Österreich und wird 2008 Generaldirektor von Hewlett-Packard Österreich.

Seit 1. 11. 2012 ist er Chef der Staatsholding ÖIAG.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2014)

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