Niedrige Zinsen: Österreich erspart sich fünf Milliarden Euro

GERMANY INCREASE OF INTEREST RATE
GERMANY INCREASE OF INTEREST RATE(c) EPA (Salome Kegler)
  • Drucken

Für Sparer und Anleihenbesitzer sind Minizinsen ein Fluch, doch der Staat freut sich darüber. Seit Beginn der Finanzkrise hat sich Österreich fünf bis sechs Milliarden Euro erspart.

Wien. Deutsche und österreichische Staatsanleihen sind begehrt. Noch nie seit 1945 zahlt der deutsche Staat bei der Geldaufnahme so niedrige Zinsen. In der Vorwoche sind die Renditen für zehnjährige deutsche Staatsanleihen vorübergehend auf ein Rekordtief von 1,059 Prozent gefallen. Seit Beginn der Wirtschafts- und Finanzkrise im Jahr 2007 hat sich der deutsche Staat durch die Minizinsen 120 Milliarden Euro erspart.

Das schreibt die „Welt am Sonntag“ und beruft sich dabei auf bislang unveröffentlichte Berechnungen der deutschen Bundesbank. Ein Jahr vor Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise lag die durchschnittliche Verzinsung deutscher Staatsanleihen noch bei 4,3 Prozent, seitdem ist der Wert deutlich gesunken. Dafür gibt es im Wesentlichen zwei Gründe: die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank und die Flucht vieler Anleger in deutsche Staatsanleihen. Denn diese gelten als besonders sicher.

Renditen bleiben niedrig

Wie sieht die Lage in Österreich aus? Auch die Renditen österreichischer Staatsanleihen sind seit der Krise gesunken. Doch exakte Berechnungen liegen nicht vor.

Raiffeisen-Chefanalyst Peter Brezinschek sagte der „Presse“ am Sonntag, er gehe davon aus, dass die Ersparnis für den österreichischen Staat zwischen 1,0 Milliarden Euro und 1,5 Milliarden Euro pro Jahr liegt. Seiner Einschätzung nach dürfte das auch in den nächsten fünf bis zehn Jahren so bleiben. Seit Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise habe Österreich zwischen fünf und sechs Milliarden Euro eingespart. Auch Bank-Austria-Chefökonom Stefan Bruckbauer geht von einer jährlichen Ersparnis für den österreichischen Staat von einer Milliarde Euro aus. Zwischen Österreich und Deutschland gibt es aber einen wesentlichen Unterschied. In Deutschland sinkt die Staatsschuldenquote, während sie in Österreich kontinuierlich steigt. Der vor Kurzem von der Berliner Regierung vorgelegte Budgetplan sieht für das Jahr 2015 keine Neuverschuldung vor. Die sogenannte „schwarze Null“ soll in Deutschland für die Jahre bis 2018 gelten.

In Österreich wird die Schuldenquote des Bundes heuer auf ein Rekordniveau steigen. Im Finanzministerium führt man dies unter anderem auf Einmaleffekte wie die Abbaugesellschaft für die Hypo Alpe Adria zurück. Einige Experten meinen daher, Österreich habe sich in Summe gar nicht so viel erspart. Zwar profitierte der Bund von den niedrigen Zinsen, doch unter dem Strich seien die Zinszahlungen kaum gesunken, weil sich der Staat zugleich mehr Geld von den Finanz- und Kapitalmärkten holte.

Negative Zinsen für Sparer

Die niedrigen Renditen für deutsche und österreichische Anleihen bedeuten für Anleger nichts Gutes. Denn sie müssen negative Realzinsen in Kauf nehmen. Berücksichtigt man die Inflationsrate und die Kapitalertragsteuer werden deutsche und österreichische Staatsanleihen zum Verlustgeschäft. Damit geraten vor allem Lebensversicherungen und Pensionskassen unter Druck. Denn diese investieren vorwiegend in deutsche und österreichische Anleihen. Für sie wird es schwieriger, vernünftige Erträge zu erzielen. Ähnlich ist die Lage bei Sparbüchern. Selbst bei den Topangeboten von Direktbanken und bei langen Bindefristen bleibt unter dem Strich kaum noch etwas übrig, wenn man die Inflationsrate einkalkuliert.

Für viele Staaten sind negative Realzinsen dagegen ein bequemes Mittel, um ihre Schulden loszuwerden. Auf diese Weise haben sich beispielsweise die USA nach dem Zweiten Weltkrieg saniert. 1945 sind in den USA die Staatsschulden auf 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts explodiert. Über negative Realzinsen ist dieser Wert zehn Jahre später auf die Hälfte gesunken. Experten gehen davon aus, dass negative Realzinsen auch jetzt der wahrscheinlichste Weg aus der Schuldenkrise sein werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.08.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.