Sand, Öl, Kupfer: Geht uns die Welt aus?

CHINA FEATURE PACKAGE DESERTIFICATION
CHINA FEATURE PACKAGE DESERTIFICATIONEPA
  • Drucken

Die Wirtschaft verschlingt Unsummen an natürlichen Ressourcen. Selbst Sand mutiert zur Schmuggelware. Aber es gibt Wege aus dem Dilemma: die Stadt als Mine und das Vertrauen auf die Macht des Preises.

Es muss nicht immer Öl sein. Wer der Frage nachgeht, welche Rohstoffe auf unserem Planeten schön langsam knapp werden, wird schon auf dem Spielplatz um die Ecke fündig. Sand ist mittlerweile einer der begehrtesten Rohstoffe weltweit. In jedem Zentimeter Straße, in jedem Handy, in jeder Solarzelle verbaut die Menschheit Sandkörner. Ohne Sand kein Beton, ohne die darin enthaltenen Minerale Thorium, Titan und Uran keine Computerchips, ja, nicht einmal Haarsprays. Doch obwohl es auf dieser Erde gewaltige Wüsten gibt, ist auch Sand nicht unbegrenzt verfügbar.

Für Beton ist der Wüstensand nämlich unbrauchbar, weil seine Körner vom Wind über die Jahre so rund geschliffen wurden, dass sie nicht mehr aneinander haften. Den Sand, den die Menschen verbauen, buddeln sie aus Flüssen, Kiesgruben, Stränden und Meeresböden. Schön langsam schlagen die Meeresforscher Alarm. Allein an der deutschen Nordseeküste wurden 2010 fast drei Millionen Tonnen Kies für gewerbliche Zwecke vom Meeresboden gekratzt, um Straßen oder die neue Ostseepipeline zu bauen. In Summe werden etwa 15 Milliarden Tonnen Sand im Jahr verbraucht, das sind etwa zwei Tonnen pro Person.

Die Folgen der unbekannten Knappheit muten heute meist noch skurril an: Wüstenstaaten wie Dubai müssen Sand aus Australien importieren, Kalifornien muss Jahr für Jahr Millionen an Dollar ausgeben, um seine Strände für die Touristen neu mit Sand aufzuschütten, nur um dabei zuzusehen, wie der Sand wieder verschwindet. Der französische Dokumentarfilmer Denis Delestrac zeigt aber auch dunklere Seiten des Sandgeschäfts: In Marokko führt der illegale Sandabbau zum Verschwinden ganzer Strände, in Indonesien sogar ganzer Inseln. Singapur importiert trotz aller Verbote Sand aus den Nachbarländern. In Indien haben sich mafiöse Strukturen rund um das Sandgeschäft aufgebaut.

Mit Österreich hat das alles auf den ersten Blick sehr wenig zu tun. Zwar verbraucht auch der heimische Häuselbauer rund 200 Tonnen Sand für sein Eigenheim. Aber solange sich die Knappheit noch nicht auf den Betonpreis durchschlägt, wird ihm das herzlich egal sein.

Genau darin liege der große Fehler des Wirtschaftssystems, warnt der deutsche Umweltpionier Friedrich Schmidt-Bleek (siehe nebenstehendes Interview). Denn was für Sand gilt, gilt für jedes natürliche Material. Es ist nicht unbegrenzt verfügbar, aufgrund seines geringen Preises aber dem Raubbau durch die Menschen vollkommen ausgeliefert. Nicht nur Sand, auch Kalk, Eisen, Kupfer, Öl und Gas würden von der Menschheit verschwenderisch eingesetzt. Vor allem die Menge an Material, die für die Produktion einzelner Güter gebraucht werde, sei kaum im Fokus. Für ein Kilogramm Kupfer müssen der Natur etwa 500 Kilogramm Ressourcen entnommen werden, ein Smartphone braucht zur Herstellung 450-mal sein eigenes Gewicht.


Urban Mining.
Um dieses Material wieder zurückzugewinnen, setzen Politik und Wirtschaft immer stärker auf Recycling. So werden etwa die Hersteller von Autos oder Elektronikartikeln inzwischen per Gesetz dazu verpflichtet, bereits bei der Konstruktion ihrer Produkte dafür zu sorgen, dass diese nach dem Ende der Lebenszeit wieder möglichst einfach zerlegt wiederverwendet werden können. Vor allem im Automobilbereich, in dem zunehmend auf sogenannte Verbundwerkstoffe gesetzt wird, eine schwierige, aber lohnende Angelegenheit.

Deutlich komplizierter ist die Situation jedoch, wenn es sich nicht um Massenprodukte handelt – etwa Gebäude. In diesen werden Tonnen an Metallen, Kunststoffen oder Baustoffen wie Zement verarbeitet, die in der Vergangenheit bei einem Abriss kaum wiederverwertet wurden. Forscher haben daher vor einigen Jahren den Begriff des Urban Mining entwickelt. Die Stadt (oder andere menschliche Infrastruktur) ist demnach eine Art Bergwerk voller Rohstoffe, die abgebaut und verwendet werden können.

So kommen beispielsweise laut einer Studie der TU Wien auf jeden Österreicher im Schnitt zehn Tonnen Stahl, die in Häusern, Bahnstrecken oder Stromleitungen verarbeitet sind. Andere Berechnungen aus den USA kommen zu dem Schluss, dass die Menge an Kupfer, die weltweit verbaut ist, bereits ungefähr gleich groß ist wie jene Menge an Kupfer, die noch in den globalen Bergwerken zu finden ist.

In Fallstudien bei Abbruchprojekten wird daher zurzeit eruiert, wie viel an verwertbaren Materialien bei Häusern durchschnittlich anfällt. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse sollen dann helfen, standardisierte Methoden zu entwickeln, damit wertvolle Rohstoffe nicht mehr auf Bauschuttdeponien landen, sondern – wie es etwa beim Recycling von Autos heute schon geschieht – wieder für neue Gebäude verwendet werden können.


Der Preis entscheidet.
Wie viel von einem Rohstoff noch unter der Erde liegt, hängt aber auch sehr mit dem Preis zusammen, den die Menschen bereit sind, dafür zu zahlen. So schätzte der Club of Rome in seinen „Grenzen des Wachstums“ 1972 die globalen Ölreserven auf 455 Milliarden Fass. Innerhalb von 20 Jahren sollten diese aufgebraucht sein.

Seither wurde aber nicht nur etwa das Doppelte der damaligen Vorhersage aus dem Boden gefördert. Die globalen Reserven betrugen im Jahr 2013 fast 1700 Milliarden Fass – was eine Steigerung von 400 Milliarden gegenüber 2003 und von 700 Milliarden gegenüber 1993 darstellt. Der Grund ist, dass sich durch die höheren Ölpreise Technologien rechnen, die einst undenkbar waren. Und dies treibt auch die technologische Entwicklung in einer Spirale immer weiter nach oben. Eine Entwicklung, die bei anderen Rohstoffen wahrscheinlich ähnlich laufen dürfte.

Knappheit

15Milliarden Tonnen Sand werden im Jahr verbraucht. 200 Tonnen verschlingt ein Einfamilienhaus.

70Kilogramm

Natur kostet ein durchschnittliches Smartphone in seiner Herstellung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.08.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.