Lehrlinge: Das Grüßen als Problem

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Lehrbetrieb(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Vielen arbeitslosen Jugendlichen fehlen soziale Grundfertigkeiten. Offene Lehrstellen können dadurch nicht besetzt werden.

Wien. Freundlich grüßen, eine Betriebsanleitung lesen und kleine Beträge im Kopf rechnen. Diese Fähigkeiten werden bereits in der Volksschule gelernt. Viele Jugendliche haben damit aber trotzdem Probleme und sind so für den Arbeitsmarkt völlig ungeeignet, warnen Wirtschaftskammer und Sozialministeriumservice (ehemaliges Bundessozialamt). Eine Umfrage des Ministeriums zeigt das Ausmaß des Problems. 85 Prozent der befragten Firmen beklagen, dass viele potenzielle Lehrlinge Bildungslücken haben, die sie für die Lehrstelle unbrauchbar machen. Hinzu kommen fehlende Sozialkompetenzen und Sprachprobleme.

Die Folgen machen sich auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar. Obwohl im Juli über 40.000 Jugendliche unter 25 Jahren arbeitslos waren, fehlen den österreichischen Betrieben 4000 Lehrlinge. Die Unternehmen sind damit einem doppelten demografischen Druck ausgesetzt, sagte Martin Gleitsmann von der Wirtschaftskammer am Mittwoch bei der Präsentation der Umfrage. Auf der einen Seite steige die Zahl der Pensionierungen, andererseits gäbe es weniger qualifizierte Berufseinsteiger für die offenen Lehrstellen. Er sieht hier das Bildungssystem in der Verantwortung. „Wenn wichtige Fähigkeiten im sozialen Umgang wie freundlich grüßen und Händeschütteln fehlen, dann haben die Unternehmen natürlich ein Problem“, so der Unternehmervertreter.

Eltern in der Verantwortung

Eine Aussage, der auch Viktor Wagner, Geschäftsführer des Gebäudeerhalters Reiwag Facility Services zustimmt. „Wir brauchen Bildung, Bildung und nochmals Bildung. Wenn manche Eltern die Grundausbildung im Familienverband vernachlässigen, müssen wir etwas dagegen tun“, so Wagner. Gerade in seiner Branche könne er die Versäumnisse bei Sprache und sozialen Kompetenzen gut beobachten.

Die in der Umfrage festgestellten Probleme beziehen sich auf potenzielle Lehrlinge im Alter von bis zu 25 Jahren. Diese sogenannten Millennials, die um das Jahr 2000 ihre Pubertät durchlebt haben, stellen Betriebe anscheinend vor besondere Herausforderungen. Unternehmen müssten diese Jahrgänge anders ansprechen, sagt Marion Maurer, Director of Human Resources bei McDonald's Österreich. „Diese jungen Erwachsenen sind eine der spannendsten Gruppen in unserer Gesellschaft. Sie brauchen maximale Flexibilität in ihrer Arbeit und direktes Feedback ihrer Vorgesetzten. Dann sind sie ein extrem wichtiger Bestandteil jedes Teams“, so die Personalchefin.

Fortschritte gibt es bei der Integration von begünstigt Behinderten in den Arbeitsmarkt. Als begünstigt behindert gelten Personen, die einen Behinderungsgrad von mindestens 50 Prozent aufweisen. Die Beschäftigungsquote dieser Gruppe liegt in Österreich bei 65Prozent. Im internationalen Vergleich ein Spitzenwert. In Deutschland liegt dieser etwa nur bei 52Prozent.

Neue Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderung schaffen die NEBA-Schnuppertage des Sozialministeriumservice. Die im Jahr 2013 erstmals organisierte Aktion vermittelt Behinderte und Jugendliche mit Lernschwäche an Firmen. Im Vorjahr konnten so über 660 Probe-Arbeitsplätze geschaffen werden. (cki)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.08.2014)

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