Angst vor Volksbanken-Sondergesetz

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Das Volksbanken-Institut ÖVAG verdreifachte den Verlust und dürfte Geld brauchen. Die Genossenschafter können aber nur über eine Gesetzesänderung zur Kasse gebeten werden.

Wien. Nicht nur bei der Hypo Alpe Adria, sondern auch beim Volksbanken-Spitzeninstitut ÖVAG verschlimmerte sich zuletzt die Lage: Wie am Donnerstag bekannt wurde, hat der ÖVAG-Konzern im ersten Halbjahr den Verlust unterm Strich auf 203 Millionen Euro fast verdreifacht.

Begründet wird das mit einer Kapitalspritze von 128 Millionen Euro für die Rumänien-Tochter, die bis Ende 2015 verkauft werden soll. Auch für das Gesamtjahr 2014 erwartet die ÖVAG ein „deutlich negatives Ergebnis“. Der künftige Finanzminister wird sich daher neben der Hypo auch um die ÖVAG kümmern müssen. Denn die ÖVAG bildet mit den Volksbanken in den Bundesländern einen Verbund. Dieser Volksbanken-Verbund muss sich bis Oktober einem Stresstest der Europäischen Zentralbank (EZB) unterziehen. Die Ergebnisse sollen Ende Oktober veröffentlicht werden. Analysten gehen davon aus, dass ÖVAG-Volksbanken hier durchfallen werden. Dem Vernehmen nach soll eine Kapitallücke von 500 Millionen Euro bis zu einer Milliarde Euro bestehen. Nach dem EZB-Stresstest gibt es eine Nachschusspflicht von sechs bis neun Monaten.

Ein neuer Tabubruch?

Der am Dienstag zurückgetretene Finanzminister, Michael Spindelegger, schloss eine weitere Staatshilfe für die ÖVAG aus. Denn der Steuerzahler musste das Institut bereits im Frühjahr 2012 mit der Teilverstaatlichung vor der Pleite retten. Seitdem ist der Bund mit 43 Prozent an der ÖVAG beteiligt. Bank-Austria-Chef Willibald Cernko, der auch Präsident des österreichischen Bankenverbands ist, äußerte vor Kurzem Verständnis für die Position von Spindelegger.

Cernko forderte, dass bei einem möglichen Geldbedarf zuerst die Eigentümer beziehungsweise die Volksbanken-Genossenschaften einspringen sollen. Das ist auch die Position von Arbeiterkammer-Direktor Werner Muhm, der zu den wichtigsten Wirtschaftsexperten der SPÖ gehört. Doch ein Zugriff auf die Volksbanken-Genossenschafter wäre ein Tabubruch. Derzeit sind 688.000 Österreicher als Genossenschafter Miteigentümer einer lokalen Volksbank. Sie hätten sich schon im Jahr 2012 mit 220 Millionen Euro an der ÖVAG-Rettung beteiligen sollen.

Doch der Plan wurde nach massiven Interventionen der Volks- und Raiffeisenbanken fallen gelassen. Denn Raiffeisen befürchtete, dass damit ein Exempel für alle Genossenschaften statuiert würde. Immerhin sind auch 1,7 Millionen Österreicher Miteigentümer einer Raiffeisen-Genossenschaft.

Kann von einem Genossenschafter tatsächlich ein Sanierungsbeitrag verlangt werden, falls ein Institut in Schieflage gerät? Sowohl die Volksbanken als auch Raiffeisen betonen, dass dies rechtlich nicht möglich ist. Denn es gibt in Österreich ein eigenes Genossenschaftsinsolvenzgesetz. Dort heißt es, dass erst bei einem Konkurs ein Beitrag von den Genossenschaftern eingefordert werden kann.

Und zwar wenn im Konkursfall das Vermögen einer Genossenschaft zur Deckung der Forderung der Gläubiger nicht ausreicht. Das bedeutet im Klartext: Erst wenn eine ganz bestimmte regionale Volks- oder Raiffeisenkasse in Konkurs geht und das Vermögen zu gering ist, kommen die dortigen Genossenschafter zum Handkuss. Doch es gibt keine rechtliche Möglichkeit, von allen 688.000 Volksbanken-Genosenschaftern in Österreich einen Beitrag zur Rettung der ÖVAG zu verlangen.

Eigenes Gesetz notwendig

Nur über eine Gesetzesänderung könnte der künftige Finanzminister auf die 688.000 Volksbanken-Genossenschafter zugreifen. Doch das würde bei den Betroffenen zu einem Aufstand führen. Viele Genossenschafter sind einfache Bankkunden, die beispielsweise bei der Aufnahme eines Kreditvertrags auch Mitglied einer lokalen Genossenschaftsbank geworden sind.

Der zurückgetretene Finanzminister Spindelegger hat schon bei der Hypo Alpe Adria ein Sondergesetz zur Enteignung von Anleiheninhabern durchgesetzt. Doch davon waren keine Privatanleger, sondern nur institutionelle Investoren wie Versicherungen, Fondsgesellschaften und andere Banken betroffen. Diese haben rechtliche Schritte eingeleitet. Juristen sind überzeugt, dass das Hypo-Sondergesetz verfassungswidrig ist. Auch ein allfälliges Volksbanken-Sondergesetz würde zu einer Klagewelle führen. Wie es daher bei der ÖVAG weitergeht, ist unklar. Die Probleme sind dem Finanzministerium schon seit Jahren bekannt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2014)

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