ÖGB: Alle Macht dem Bund

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In einem Hearing forderte der ÖGB, die Kompetenzen der Länder zu beschneiden. Um Steuerbetrug zu verhindern, sollen künftig Registrierkassen online mit dem Finanzamt verbunden sein.

Anfang der Woche präsentierte der Gewerkschaftsbund bekanntlich seine Vorschläge zur Steuerreform. „Lohnsteuer runter“ lautete die Devise und diese wurde dann auch die ganze Woche über getrommelt. So auch bei der großen Betriebsrätekonferenz im Wiener Austria Center, bei der ÖGB-Chef Erich Foglar für 5000 Belegschaftsvertretern eine „rasche Umsetzung“ der Reform verlangte.

Um sechs Milliarden Euro wollen ÖGB und Arbeiterkammer die Arbeitnehmer entlasten. Vor allem Menschen mit geringem Einkommen sollen von der Lohnsteuersenkung profitieren. Leider wurde bei den Forderungen auf eine klitzekleine Kleinigkeit vergessen. Nämlich darauf, wie diese Steuersenkung finanziert werden soll. Ja, natürlich mit einer Vermögensteuer. Aber man kann die Sache drehen und wenden, wie man will, sechs Milliarden wird man damit nicht einspielen. Auch nicht mit dem durch die Steuersenkung belebten Konsum. Bleibt also die viel zitierte „Verwaltungsreform“. Aber wenn von Bürokratieabbau die Rede ist, dann herrscht in der Regel Schweigen. Irgendwie weiß jeder, dass unser Staat, gelinde gesagt, überverwaltet ist. Aber wo sparen? Wo Kompetenzen bündeln oder verschieben? Besser gesagt: Wem Kompetenzen wegnehmen? Damit wären wir bei einer Frage angelangt, mit der sich Politiker, Kämmerer und Gewerkschafter in der öffentlichen Debatte tunlichst nicht die Zunge verbrennen.

Apropos Zunge(nbrecher): Mitte Juni wurde die „Aufgabenreform- und Deregulierungskommission“ ins Leben gerufen. Das 14-köpfige Expertenteam soll unter dem Vorsitz des Verwaltungsgerichtshof-Präsidenten, Rudolf Thienel, und seines Vorgängers, Clemens Jabloner, genau diese heiklen Fragen wälzen. „Unser Staat soll schlanker werden. Dazu wollen wir die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung sorgfältig, kritisch und professionell durchleuchten“, sagte SPÖ-Minister und Regierungskoordinator Josef Ostermayer Mitte Juni, als die Kommission quasi installiert wurde.

Vergangenen Mittwoch hat diese Kommission, der unter anderem zwei Unternehmerinnen, sechs Sektionschefs und vier Landesamtsdirektoren angehören, im Schloss Laudon in Wien zu einem Hearing geladen. Eingeladen war unter anderem auch ein Vertreter des ÖGB. Und unter Ausschluss der Öffentlichkeit wusste dieser ganz genau, was sich der Gewerkschaftsbund unter einer Verwaltungsreform vorstellt und wie man die Lohnsteuersenkung gegenfinanzieren könnte.


Spitäler und Pflege zum Bund. Die ÖGB-Formel zur Verwaltungsreform und für die Gegenfinanzierung der Steuersenkung könnte man mit zwei Sätzen zusammenfassen: 1.) Alle Macht dem Bund. 2.) Jeder Bürger ist ein potenzieller Steuerbetrüger.

Im kleinen Kreis der Verwaltungskommissäre machte der ÖGB-Vertreter quasi Tabula rasa. Unter dem Titel „Beseitigung von Kompetenzzersplitterung“ schlug er vor, dass die Aufgabenbereiche Bauwesen, Umweltrecht, Energiewesen, Gesundheit, Pflege, Diskriminierungsschutz, Datenschutz und auch die Raumordnung künftig nicht mehr von den Ländern oder Gemeinden wahrgenommen werden sollen, sondern ausschließlich vom Bund. Der „Presse am Sonntag“ liegen die Präsentationsunterlagen vor.

In einigen Punkten dürfte es dem Vernehmen nach unter den Kommissären mittlerweile sogar breiten Konsens geben. Etwa in der Frage der Bauordnung. Da seien sich die Experten tatsächlich einig, dass es in einem kleinen Land wie Österreich keine neun verschiedenen Bauordnungen geben muss, dass es sich dabei vor allem um Beschäftigungstherapie für Landesbeamte und Sachverständige handelt. Auch die Forderung, dass die „Gesetzgebung im Energiewesen“ – wie es im ÖGB-Papier heißt – künftig „ausschließlich Bundeskompetenz“ sein soll, scheint zumindest unter den Sozialpartnern, die natürlich alle einen Vertreter in die Kommission entsendet haben, paktiert.


Mehr Steuerfahnder.Vorschläge des ÖGB gab es am Mittwoch auch in Sachen Gegenfinanzierung der Steuerreform. Und er bläst dabei vor allem zur Jagd gegen Steuersünder. Diese würden dem Staat 1,8 Milliarden Euro schulden. Hier sei an der falschen Stelle gespart worden, kritisierte der ÖGB-Vertreter im Zuge des Hearings. „Personaleinsparung gelungen – Steuerrückstände steigen leider rasant an“ ist in der Präsentation zu lesen. Die Forderung des ÖGB lautet: „Aufnahme von Finanzbediensteten, damit ein lückenloser Vollzug des Steuerrechts gewährleistet werden kann.“

Nicht neu ist, dass dem ÖGB die Gruppenbesteuerung ein Dorn im Auge ist. In seiner Kritik stützt er sich auf einen Bericht des Rechnungshofs. Dieser bezifferte die Ausfälle bei der Körperschaftsteuer in den Jahren 2005 bis 2010 mit 640 Millionen Euro. Für den ÖGB ist die Gruppenbesteuerung eine „Steuerlücke“, die geschlossen gehört, weil sie ohnehin nur „einigen wenigen großen Konzernen“ nütze.

Aber nicht nur die großen Unternehmen sollen zur Steuerehrlichkeit gezwungen werden. „Besonders wirksame Maßnahmen“ gegen Steuerhinterziehung „wären die Rechnungslegungspflicht unter Verwendung von Registrierkassen, die mit dem Finanzamt online verbunden sind“, heißt es in den Hearing-Unterlagen des ÖGB-Abgesandten. Darüber hinaus sollten den Finanzbeamten im Kampf gegen mutmaßliche Steuerhinterzieher viel mehr Möglichkeiten gegeben werden, im Privatleben der Bürger zu recherchieren.

Geht es nach dem ÖGB, sollen die Finanzer künftig nicht nur in Grund- und Firmenbücher, sondern auch in Versicherungspolizzen, in die Datenbanken der Kfz-Zulassungsstellen und dergleichen per Knopfdruck blinzeln können.


Ergebnisse Ende des Jahres. Kaum zu glauben, was sich hinter dem Zungenbrecher „Aufgabenreform- und Deregulierungskommission“ so alles Spannendes verbergen kann. Ende des Jahres sollen die Ergebnisse und Denkanstöße, die das Hearing im Schloss Laudon zutage gefördert hat, dann offiziell der Öffentlichkeit präsentiert werden. „Wir können der Politik nur Vorschläge machen“, sagte VwGH-Präsident Thienel im Sommer.

Reform

Kommission. Im Juni wurde die sogenannte Aufgabenreform- und Deregulierungskommission ins Leben gerufen. Das Expertengremium unter Vorsitz von VwGH-Präsident Rudolf Thienel soll bis Ende des Jahres der Regierung Vorschläge für eine Verwaltungsreform unterbreiten.

Hearing. Vergangenen Mittwoch fand im Wiener Schloss Laudon ein nicht öffentliches Hearing statt. Interessenvertreter präsentierten der Kommission ihre Vorschläge.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.09.2014)

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