Luftfahrt: Angst vor einer riesigen Pleitewelle geht um

(c) AP (Michael Probst)
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Hohe Kerosinpreise lösen die Gewinne der Fluglinien in Luft auf. Derzeit kostet eine Tonne Kerosin knapp 1300 Dollar - 50 Prozent mehr als noch Anfang 2008 und doppelt so viel wie vor einem Jahr.

Istanbul/ Wien (Bloomberg/eid). 5,6 Mrd. Dollar (3,6 Mrd. Euro) haben die Fluglinienim Vorjahr rund um den Globus verdient. Die Freude über die ersten Gewinne seit dem Terror-Jahr 2001 währte allerdings nur kurz. Der hohe Ölpreis und die sich eintrübende Konjunktur vernichten die Hoffnung der Luftfahrt, auch heuer Gewinne einfliegen zu können. Der Weltluftfahrtverband IATA, der 240 Fluglinien vertritt, hat am Montag bei seiner Jahresversammlung in Istanbul mit einer alarmierenden Prognose aufhorchen lassen: Sollte sich der Ölpreis auf dem jüngst erreichten Niveau von 135 Dollar je Barrel halten, werden die Airlines heuer 6,1 Mrd. Dollar Verlust einfliegen.

„Gerade wenn sich die Branche nachhaltig zu erholen beginnt, bricht über sie eine neue Krise herein, die alles Bisherige in den Schatten stellt“, warnt IATA-Präsident Giovanni Bisignani. Er vergleicht die Zerstörungskraft des Kerosinpreises mit jener der „apokalyptischen Reiter“. Der hohe Ölpreis würde in Kombination mit der geringen Nachfrage als Folge der Wirtschaftsflaute einen „perfect storm“ kreieren.

Noch im April war die IATA von 4,5 Mrd. Dollar Gewinnen für 2008 ausgegangen. Selbst wenn sich das Öl verbilligen würde – auf rund 107 Dollar je Fass – rechnet der Verband mit Verlusten von insgesamt 2,1 Mrd. Dollar. Derzeit kostet eine Tonne Kerosin knapp 1300 Dollar – um über 50 Prozent mehr als zu Jahresbeginn und doppelt so viel wie vor einem Jahr.

Hohe Nachfrage aus China

Keine andere Branche ist so abhängig vom Öl und so verwundbar wie die Luftfahrt. Experten nennen zwei Gründe dafür, dass der Kerosinpreis rascher als der Ölpreis steigt: Die knappen Raffineriekapazitäten (Kerosin ist ein sogenanntes Mitteldestillat) und die steigende Nachfrage aus China.

Das teure Kerosin wird die Gewinne in Luft auflösen – dort, wo es noch Gewinne gibt. So haben zuletzt etliche Fluglinien, darunter Air France/KLM, British Airways, Air Berlin, Ryanair und EasyJet Gewinnwarnungen ausgegeben. Fluglinien, die schon jetzt Verluste schreiben, geringe Kapital-Reserven und hohe Schulden sowie mangels Finanzkraft den Ölpreis mittels Hedging kaum abgesichert haben – wie etwa die AUA – sind jedoch auf der Verliererseite. Den US-Fluglinien macht neben dem hohen Ölpreis noch der schwache Dollar zu schaffen.

Experten sind sich einig, dass der Ölpreis nicht nur die Konsolidierung beschleunigt. Da Fusionen kein Allheilmittel sind – vor allem gegen zu hohen Produktionskosten – wird mit einer riesigen Pleitewelle gerechnet. Mehr als ein Dutzend Fluglinien sind seit Jahresbeginn in die Pleite geschlittert, darunter allein acht in den USA. Aber auch die Hongkonger Oasis und die britische Silverjet gehören zu den Opfern.

In Europa kämpft nicht nur die Alitalia gegen den finanziellen Absturz. Vor allem kleinere Billig-Airlines, die sich gegen hohe Kerosinpreise nicht abgesichert haben (wie die spanische Clickair und die slowakische SkyEurope) stehen unter Druck. John Kohlsaat, Deutschland-Chef der britischen Billig-Airline EasyJet, malt ein düsteres Szenario an den Horizont: Von 50 europäischen Fluglinien würden nur fünf selbstständig überleben – Air France/KLM, Lufthansa, British Airways, Ryanair und EasyJet.

In Zahlen

Der Luftfahrtverband IATA prognostiziert, dass die Fluglinien weltweit heuer 6,1 Mrd. Dollar Verlust machen werden. 2007 gab es 5,6 Mrd. Dollar Gewinne.

Der Grund ist vor allem der hohe Ölpreis. Kerosin ist doppelt so teuer wie vor einem Jahr. Außerdem drosselt die Wirtschaftsflaute die Nachfrage.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.06.2008)

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