Mehr Gas aus Afrika – das wird noch dauern

ALGERIA GAS COMPLEX OF TIGUENTOURINE
ALGERIA GAS COMPLEX OF TIGUENTOURINE(c) MOHAMED MESSARA / EPA / pictured (MOHAMED MESSARA)
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Algerien ist Europas drittgrößter Gaslieferant. Wegen fehlender Investitionen kann die Produktion jedoch nicht aufgestockt werden.

Wien. Wenn der Vorschlag der EU zur Lösung des Gaskonflikts zwischen Russland und der Ukraine diese Woche voraussichtlich in eine schriftliche Einigung mündet, dürfte zumindest für den anstehenden Winter die Gefahr eines Engpasses bei Gaslieferungen aus Russland nach Europa gebannt sein. Am EU-Vorhaben, die Abhängigkeit vom Hauptlieferanten Russland zu verringern, ändert das freilich nichts. Europa kommt zwar generell der Umstand entgegen, dass der Verbrauch seit 2008 zurückgeht. Weil aber die Eigenproduktion etwas schneller fällt, nimmt der Bedarf an Importen aus anderen Staaten weiter zu.

Wie die beiden bisherigen Folgen unserer „Presse“-Serie zu alternativen Gaslieferanten gezeigt haben, ist eine schnelle Substitution russischen Gases nicht möglich. Europas zweitwichtigster Gaslieferant Norwegen kann die Förderung in den kommenden Jahren maximal um zehn Prozent ausweiten. Der zweitgrößte Gasstaat Iran wird, selbst wenn die Sanktionen sofort fallen, erst in fünf Jahren aushelfen können. Nur der weltweit größte Exporteur von Flüssiggas (LNG), Katar, könnte seine LNG-Tanker, die derzeit in das gut zahlende Ostasien fahren, schnell umlenken, sofern der Preis passt. Die Produktion bei Mehrbedarf schnell aufstocken kann Katar aber auch nicht.

Genauso übrigens wie Algerien, der führende Gasproduzent Nordafrikas und drittgrößte Gaslieferant nach Europa. Zwar sitzt das Land laut BP-Weltenergiebericht 2014 auf 4,5 Billionen Kubikmetern Gas, was 2,4 Prozent der Weltgasvorkommen entspricht und den Bedarf in Österreich und Deutschland 45Jahre lang allein decken könnte. Doch der Ausbau der Produktion lässt zu wünschen übrig, wie die Energiebehörde (EIA) im US-Energieministerium darlegt: Zwar wolle man neue Gasfelder erschließen, weil die Produktion aus älteren Feldern zurückgehe. Aber die Projekte seien viele Jahre lang aufgeschoben worden. Genehmigungen hätten auf sich warten lassen, Investoren sich zurückgehalten.

Eine Reihe von Problemen

Der Problemberg ist groß, bestätigt auch Walter Boltz, Chef der Regulierungsbehörde E-Control: Da sei zum einen der Umstand, dass die Gaspreise zwischen 2008 und 2010 so niedrig waren, dass ausländische Investoren ihren Enthusiasmus zurückgefahren und Projekte auf Eis gelegt hätten. Da sei zum anderen das Faktum, dass die Produktion in Algerien nicht niedrig-, sondern mittelpreisig sei, zumal die Vorkommen nicht in Großfeldern wie in Nigeria lägen, sondern in vielen kleinen. Und da sei drittens das Problem der Sicherheit, das mit dem arabischen Frühling zugenommen und zur Verunsicherung ausländischer Experten geführt habe.

Bisheriger Gipfel der Gefahrensituation war, dass am 16.Jänner des Vorjahrs über 100 internationale Spezialisten in der Förderanlage In Aménas, 60 Kilometer von der libyschen Grenze entfernt, von einer islamistischen Terrorgruppe als Geiseln genommen wurden und erst drei Tage später gewaltsam befreit werden konnten.

In aller Eile wird Algerien Produktion und Export nicht aufstocken können. „Es besteht eine Reihe von Vorhaben, aber die ersten gehen frühestens 2017/2018 in Produktion“, erklärt Boltz. Mittelfristig sei eine Ausweitung der Produktion um 15 bis 20 Prozent zu erwarten. Geht man davon aus, dass Algerien im Vorjahr laut IEA 73 Mrd. Kubikmeter produziert und knapp 50 Mrd. Kubikmeter exportiert hat, macht eine Ausweitung um 20 Prozent das Kraut nicht fett. Der Gesamtimport in Europa beträgt 360Mrd. Kubikmeter pro Jahr.

Dennoch: Da das zusätzliche algerische Gas vorwiegend über die zwei bestehenden Pipelines (eine dritte über Sardinien ist im Bau) und über LNG-Tanker nach Spanien und Italien fließen würde, würden diese Länder weniger aus Nordeuropa brauchen und könnten den dortigen Markt entlasten, erklärt Boltz. Und verweist gleichzeitig auf ein anderes Potenzial: „Algerien sitzt auf viel Schiefergas. Nur stehen wir ganz am Anfang der Exploration. Produziert wird frühestens ab 2020.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.09.2014)

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