Brezinschek: Österreichs Wirtschaftsprobleme sind hausgemacht

Die Presse
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Es drohe im zweiten Halbjahr Nullwachstum. Konsum und Investitionen verbessern sich erst im zweiten Halbjahr 2015, so der Raiffeisen-Chefanalyst.

Österreich könnte im 3. bzw. 4. Quartal ein Nullwachstum drohen, sagte Raiffeisen-Chefanalyst Peter Brezinschek am Dienstag. Insgesamt sehen seine Experten - wie kürzlich das Wifo - für 2014 und 2015 lediglich 0,8 bzw. 1,2 Prozent reales Wirtschaftswachstum. Konsum und Investitionen würden sich nämlich erst in der zweiten Hälfte 2015 verbessern, sagte Brezinschek vor Journalisten.

Als Grund führte der Raiffeisen-Chefanalyst an, Österreich leide auch an hausgemachten Faktoren wie etwa einer in den letzten fünf Jahren deutlich verloren gegangenen Wettbewerbs-Attraktivität. Vergangene Lohnsteigerungen seien durch Inflation und "kalte Progression" aufgezehrt worden. Zugleich habe Österreich relativ gesehen zu hohe Lohnnebenkosten: Bei uns hätten sie seit der Wirtschaftskrise um 18 Prozent zugelegt, in der Eurozone um 13 und in Deutschland nur um zehn Prozent.

Prognose zu optimistisch

Die von seinem Haus für heuer prognostizierten 0,8 bis 0,9 Prozent BIP-Plus könnten sich "eher als Obergrenze" erweisen - nämlich wenn das hier unterstellte Quartalswachstum von je 0,2 Prozent wie nach vorläufiger Rechnung im 2. Quartal jetzt im 3. und im 4. Vierteljahr doch nicht erreicht wird. Wegen der zuletzt schwachen Industriezahlen könnte das nämlich "durchaus zu hinterfragen und auf Null bis 0,1 Prozent reduziert sein", meinte Chefanalyst Brezinschek in einem Pressegespräch.

Zur geplanten Steuerreform sei jüngst rund um die Regierungsklausur in Schladming nur über Steuertarifsenkungen gesprochen worden, nicht aber wo man Ausgaben durchforsten könne, kritisierte der Experte. Auch von einer nötigen Reform des Finanzausgleichs sei keine Rede, dieser sei weiterhin ein Angriffs-Instrument von Ländern und Gemeinden auf den Bund.

Impulse durch Steuerreform erwartet

2015 könnte seit längerem wieder ein Realeinkommenszuwachs drin sein, vermutet Brezinschek. Raiffeisen Research geht von 2,7 Prozent Lohnanstieg im kommenden Jahr aus bei einer geschätzten HVPI-Inflationsrate von 1,5 bis 1,7 Prozent. Zusätzliche Impulse könnte dem privaten Konsum die Steuerreform 2016 bringen, wodurch übernächstes Jahr dann 1,9 Prozent BIP-Plus möglich sein sollten. Damit könnte Österreich dann ebenso schnell wachsen wie die Eurozone, die unserm Land 2015 beim Wachstumstempo etwas davonziehen dürfte.

"Japanische Verhältnisse", also eine Deflation samt Stagnation oder Depression befürchtet Brezinschek für Österreich nicht. Für die relativ hohe Teuerung bei uns - im August war die Rate mit 1,5 Prozent wieder einmal die höchste im gesamten Euroraum - seien neben Wohnen auch damit verbundene administrative Kosten der Haupttreiber. Ferner verwies er auf den Tourismus-Sektor (Restaurants, Hotels) sowie u.a. Freizeit- und Nahrungsmittel-Ausgaben.

Kein Gaslieferstopp

Zur Ukrainekrise sagte Brezinschek, Kiew werde die Hoheit über die Gebiete in der Ostukraine nicht so rasch zurückgewinnen. Die Sanktionen würden jedenfalls bis ins 1. Halbjahr 2015 aufrecht bleiben, aber es drohe kein Gaslieferstopp. Die Ukraine-Krise dämpfe den Wachstumsausblick für Eurozone und CEE, sei aber an den Märkten eingepreist, so der Experte. In der Ukraine-Krise seien freilich "die Abwärtsrisiken dominant", so Brezinschek in einem Pressegespräch - also die Gefahr einer weiteren militärischen Eskalation oder von außer Kontrolle geratenden Sanktionen. Das Basisszenario sehe das freilich nicht vor.

"In den nächsten zwölf Monaten sehen wir im Ukraine-Konflikt mit 75- bis 80-prozentiger Wahrscheinlichkeit ein 'Durchwurschteln', also dass sich keine der beiden Seiten gesichtswahrend aus dem Krisenmodus herausschälen kann", sagte der Raiffeisen-Chefanalyst.

Wirtschaftlich sieht Raiffeisen Research die Aussichten für Russland und Ukraine noch immer düster und hat deshalb den BIP-Ausblick für 2015 für beide Länder reduziert. Aktuell erwartet man für Russland ein negatives Wachstum von minus 0,3 Prozent für 2014 und nur 0,5 Prozent Wachstum für 2015 - dem Land stehe ein langer Anpassungsprozess bei abflauender Konsumneigung bevor. Die Ukraine müsse sich gänzlich mit der Neuausrichtung ihrer Regionen-und Wirtschaftsstruktur beschäftigten, "hier erwarten wir ein negatives Wachstum von minus 7 Prozent für 2014 und minus 2 Prozent für 2015", so Brezinschek.

(APA)

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