Nahrung bleibt zehn Jahre lang teuer

(c) EPA (Nic Bothma)
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Appell auf dem FAO-Gipfel: Ohne rasche Hilfe drohen Hungerkrisen und Brotrevolten. Eine rentablere Landwirtschaft könnte die Entwicklungsländer aus ihrer Armut befreien.

Der Höhepunkt ist überschritten: Die Lebensmittelpreise steigen nicht dramatisch weiter, bleiben aber langfristig auf hohem Niveau. Das ist das Fazit einer aktuellen Studie der UNO-Organisation für Landwirtschaft und Ernährung (FAO). Sie dient als Diskussionsbasis für den dreitägigen Welternährungsgipfel am Hauptsitz der FAO in Rom. 40 Staats- und Regierungschefs ringen dort um eine Lösung der globalen Nahrungskrise.

Es waren die FAO-Experten, die vor zwei Jahren als Erste vor steigenden Preisen für Nahrungsmittel gewarnt haben. Doch von der Preisexplosion der letzten Monate wurden auch sie überrascht. Als die FAO im Dezember zu der Konferenz einlud, standen noch die Auswirkungen des Klimawandels auf die Landwirtschaft an der Spitze der Agenda.

Aber dann stiegen die Preise der wichtigsten Lebensmittel um 53 Prozent im Vergleich zum ersten Quartal des Vorjahres. Drohende Brotrevolten und Hungerkatastrophen wurden rasch zum alles beherrschenden Thema.

Der dramatische Anstieg scheint im Wesentlichen gestoppt. Doch nur beim Weizen hat eine Trendwende eingesetzt. Andere wichtige Lebensmittel bleiben auf Zehn-Jahres-Sicht teuer. Politik und Entwicklungshilfe müssen sich auf das neue Niveau einstellen.

Das ist ein überraschendes Ergebnis. Denn bisher waren hohe Nahrungsmittelpreise kurzfristige, oft durch Ernteausfälle bedingte Phänomene. Auch betrafen sie nur einzelne, nicht alle Bereiche der Landwirtschaft. Neu ist, dass die Faktoren der Preisentwicklung eng vernetzt sind und einander gegenseitig verstärken: der höhere Lebensstandard (und damit Fleischkonsum) in den Schwellenländern, die leeren Lager in den westlichen Industrienationen, der hohe Ölpreis, die wachsende Nachfrage nach Bio-Treibstoffen und zunehmende Spekulationen auf Terminmärkten. Die Folge: Kleine Schocks, wie eine schlechte Weizenernte in Australien, haben eine lang anhaltende Wirkung. Die Unsicherheit steigt, die Märkte werden volatiler, das Preisniveau bleibt hoch.

Das ist der Ausblick: In der vor uns liegenden Dekade werden die Preise für pflanzliche Öle inflationsbereinigt um 50 Prozent höher liegen als in der letzten. Bei Raps und Butter sind es 30 Prozent, bei Getreide 20, bei Reis und Zucker 10. Wie sehr die Bio-Treibstoffe dafür mitverantwortlich sind – die Schätzungen variieren zwischen 3 und 30 Prozent Anteil am Preisauftrieb – lässt die Studie offen. Darüber wird auf der Konferenz heftig debattiert. Was die FAO-Studie jedoch bietet, ist ein Lösungsansatz: sofortige humanitäre Hilfe für alle, die Hunger leiden, verbunden mit einer Renaissance der sträflich vernachlässigten Landwirtschaft in den Entwicklungsländern.

Denn die FAO sieht – stärker als die Weltbank in ihrem Krisenszenario – in den hohen Preisen auch eine Chance. Ihre Hoffnung: Wenn auch die ärmsten Länder an der Landwirtschaft verdienen können, werden sie investieren, die Produktivität verbessern und sich selbst aus den Fallen von Armut und Hunger befreien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.06.2008)

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