Pyrrhussieg für die Milchbauern

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Der Streik ist abgeblasen, aber die Probleme bleiben: Der Wegfall der EU-Quoten wird den Milchpreis bald wieder drücken, den heimischen Milchproduzenten fehlen „kritische Masse“ und Effizienz.

Wien.Der „Milchstreik“ ist (in Österreich sogar ohne Preiszugeständnisse an die Milchproduzenten) vorerst einmal vorbei. Aber die Probleme, die ihn ausgelöst haben, bleiben: In der derzeitigen Marktstruktur wird Druck auf den Milchpreis regelmäßig auftreten, der im internationalen Vergleich zu klein strukturierten und zu wenig effizienten heimischen Milchwirtschaft steht ein harter Restrukturierungsprozess bevor.

1Wie konnte es passieren, dass der Milchpreis heuer plötzlich so unter Druck kam?Dass die im Vorjahr nach langer Flaute stark gestiegenen Milchpreise im Frühsommer zum Missfallen der Milchbauern wieder kräftig unter Druck kamen, war keine Überraschung: Der Milchmarkt ist europaweit streng reglementiert, die Bauern dürfen Milch nur innerhalb genau festgelegter Quoten liefern. Bei deren Überschreitung fallen Strafzahlungen an.

Weil die globale Nachfrage (und mit ihr der Preis) im Vorjahr stark gestiegen ist, hat die EU im April diese Quoten um 2,5 Prozent – und damit mengenmäßig um eine ganze österreichische Jahresproduktion – erhöht. Übrigens gegen den Willen Österreichs und Deutschlands. Das Mehrangebot drückt jetzt naturgemäß auf den Preis.

2Können die Milchbauern damit rechnen, dass sich der Preis jetzt stabilisiert?Egal, was jetzt bei den Preisverhandlungen herauskommt: Langfristig wird der Druck auf die Preise anhalten. Nach dem derzeitigen Stand laufen die Milchquoten 2015 aus. Dann könnte es durchaus sein, dass blanker Wettbewerb herrscht: Liefern kann der, der den besten Preis schafft. Der Konflikt könnte also bald wieder aufbrechen.

3Können die österreichischen Milchbetriebe mit der EU-Konkurrenz mithalten?Strukturell ist die heimische Milchwirtschaft für den kommenden Wettbewerb nicht gut gerüstet, obwohl es seit dem EU-Beitritt bereits einen dramatischen Wandel gegeben hat: Allein im Vorjahr ist die Zahl der Milchlieferanten um 2000 auf 43.500 zurückgegangen (was bedeutet, dass jeden Tag sechs Milchbauern aufgegeben haben), seit 1995 hat sich die Zahl der Milchbauern halbiert. Trotzdem liegt die durchschnittliche Betriebsgröße in Österreich deutlich unter dem EU-Durchschnitt. Auch bei der durchschnittlichen Lieferleistung pro Kuh ist Österreich nicht im Spitzenfeld.

4Wie können die Milchbauern die notwendige „kritische Masse“ erreichen?Wenn der europäische Markt, was absehbar ist, in ein paar Jahren geöffnet wird, wird der Konkurrenzdruck stark steigen. Außerhalb einer relativ kleinen Nische von Spezialitäten-Anbietern (die höhere Preise verlangen können) wird damit der Zwang zum Erreichen einer „kritischen Masse“ zunehmen. Es wird also größere Betriebseinheiten (etwa durch Betriebsübernahmen) geben. Oder gar den Zusammenschluss von Einzelhöfen zu Unternehmen, in welcher Form auch immer. Etwa, indem Produktionseinrichtungen in gemeinsame Unternehmen eingebracht werden. Das ist aber hierzulande derzeit noch ein absolutes ideologisches Tabu.

Die im Agrarbereich noch beliebte Form der Genossenschaft hat sich zur betriebswirtschaftlichen Führung von Unternehmen jedenfalls nicht sonderlich bewährt. Der (wirtschaftlich sehr erfolgreiche) Raiffeisensektor ist da schon weiter als die Bauern: Hier dominiert bei den operativen Unternehmen die Rechtsform der Aktiengesellschaft. Auch bei den Molkereien.

5Sind die Konsumenten überhaupt bereit, mehr für die Milch zu zahlen?Der Handel hat Milch und Milchprodukte in jüngster Zeit als Lockangebote eingesetzt, auf Konsumentenseite scheint der Preis aber nicht ausgereizt zu sein: Im Vorjahr ist der Absatz von Milch und Milchprodukten trotz teilweise sehr kräftiger Preiserhöhungen weiter gestiegen. Wobei die Preiserhöhungen relativ sind: Die Preise, die die Bauern bekommen, liegen auch jetzt nur minimal über denen, die zur Zeit vor dem EU-Beitritt gezahlt worden waren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.06.2008)

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