Kroatien: „Jede Revolution frisst ihre Kinder“

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
  • Drucken

Interview. Ex-Rüstungs-Staatssekretär Vladimir Zagorec erhebt schwere Vorwürfe gegen Kroatiens Staatsspitze.

Die Presse: Warum fürchten Sie, dass Sie in Kroatien keinen fairen Prozess zu erwarten haben?

Vladimir Zagorec: Das Szenario des „Kriminalfalls“ stammt aus einer politischen Küche. Der Verdacht gegen mich ist haltlos. Denn der Hauptzeuge der kroatischen Staatsanwaltschaft, Herr Rothaichner, hat vor einem österreichischen Gericht bei der Auslieferungsverhandlung und vor dem kroatischen Landesgericht im Voruntersuchungsverfahren ausgesagt, dass er nie Edelsteine übergeben hat. Mir wurde ja unterstellt, solche Steine veruntreut zu haben. Seit 2000, als ich mein Amt zurückgelegt habe, wird politischer und psychologischer Druck auf mich ausgeübt. Es wurden meine Geschäfte und Konten untersucht – und zwar zu dem Zeitpunkt, als Stipe Mesic Präsident wurde.

Warum gerade Sie?

Zagorec: Ich war einer der engsten Mitarbeiter von Präsident Franjo Tudjman und von Verteidigungsminister Gojko Susak. 2000 habe ich mich aus der Politik zurückgezogen. Ich habe mich keinem politischen oder wirtschaftlichen Clan angeschlossen. Dann hat man begonnen, mich zu erpressen, um an gewisse Dokumente heranzukommen – an Dokumente gegen Politiker der Jahre 1991 bis 2000.

Was sollen das für Dokumente sein?

Zagorec: Mesic glaubt, dass es in diesen Dokumenten kompromittierende Unterlagen über die Involvierung der damaligen Politiker in die Privatisierung gibt. Sie glauben auch, dass da Geheimkonten angeführt werden, wo Politiker Zugriff haben sollen. Man denkt hier an das Geld, das aus dem Ausland während des Krieges an Kroatien geflossen ist.

Wie sieht dieser Druck auf Sie aus?

Zagorec: 2003 wurde ich mit einem Baseballschläger vor der Polizeizentrale in Zagreb krankenhausreif geschlagen. Die Behörden reagierten nicht. 2004 wurde mein minderjähriger Sohn entführt. Und dann kommt die Geschichte mit den Edelsteinen, als das Verfahren wegen der Entführung meines Sohnes lief. Die österreichischen Behörden wissen das. Es gipfelt darin, dass am 25. Mai 2007 Mesic seinen Sicherheitsberater Sasa Perkovic nach Wien schickte, um mich zu erpressen.

Was hat er getan?

Zagorec: Er sagte, es würden die Ermittlungen wegen der ausgedachten kriminellen Handlungen eingestellt, wenn ich Dokumente hergäbe. Sinngemäß: „Gib uns Dokumente, damit wir das Verfahren einstellen. Und wenn du nach Kroatien kommst, weißt du, was passiert: Du bist tot.“

Von diesem Treffen gibt es eine DVD.

Zagorec: Ja, und sie ist der Grund, warum die Staatsanwaltschaft Wien gegen Perkovic wegen Nötigung ermittelt.

Es gibt in Kroatien aber Gerichte, die Regierung stellt die rechte HDZ, welche Präsident Mesic sicher nicht nahe steht. Wie soll Mesic so eine Kampagne führen?

Zagorec: Er ist mächtig genug dafür. Und Premier Ivo Sanader will sich nicht allzu viel einmischen.

Sie haben im Krieg Waffen beschafft. Wie hat das funktioniert?

Zagorec: Ich war Staatssekretär für Logistik. Ich war also kein Waffenhändler, und ich habe auch keine Waffen schwarz eingekauft. Sie wurden über kroatische Regierungsstellen gekauft, hauptsächlich von Staat zu Staat. Kroatien hat das UN-Waffenembargo nicht gebrochen, weil es dieses nie anerkannt hat. Kroatien stand zu Kriegsbeginn ohne Waffen da. Unser Gegner dagegen, die Jugoslawische Volksarmee, war die fünftstärkste Armee Europas.

Sie wollen keine konkreten Staaten nennen. Aber wieso waren in der kroatischen Armee plötzlich Helme der DDR-Streitkräfte zu sehen, deutsche Sturmgewehre, Steyr-Scharfschützengewehre?

Zagorec: Stimmt, es gab deutsche G-3-Sturmgewehre, Waffen von Heckler & Koch, Steyr-Gewehre, russische, rumänische, ungarische, bulgarische Kalaschnikows, amerikanische M-16-Sturmgewehre, Gewehre aus Südafrika und Israel und so weiter. Hier waren immer Firmen zwischengeschaltet, die nicht selber produzierten.

Zeigt das nicht, dass Kroatien mit all diesen Staaten gehandelt hat?

Zagorec: Nicht mit allen, aber mit einigen von ihnen. Genauso haben manche Länder geholfen, dass Kroatien seine eigene Waffenindustrie aufbauen konnte.

Es heißt, Sie hätten Geld für den Waffenkauf zur Verfügung gehabt – und für sich abzweigen können.

Zagorec: Für alle Waffen, die je beschafft wurden, wurde das Geld vom Finanzministerium zur Verfügung gestellt. Es hat direkt an die Firma bezahlt. Das Verteidigungsministerium hat nur über die Auswahl der Waffen entschieden. Ich habe niemals Geld in die Hand bekommen, und auch niemand in unserem Ministerium.

Hat man Ihnen bei den Waffenkäufen je Schmiergeld geboten?

Zagorec: Nein, nie.

Sie sind 2000 nach Wien gekommen und haben mit Hilfe österreichischer Banken begonnen, Immobiliengeschäfte in Kroatien zu machen. Welche Banken waren das?

Zagorec: Raiffeisen, Bank Austria, Bawag, Hypo Alpe Adria, Erste.

Wie hoch war davor Ihr Monatsgehalt als Staatssekretär?

Zagorec: Rund 20.000 Kuna. Also etwa 3000 Euro. Außerdem saß ich in vielen Aufsichtsräten, da habe ich ein bisschen etwas verdient.

Diese Geschäfte sollen 260 Mio. Euro Umfang gehabt haben. Wie bekommt man als nicht sehr gut bezahlter Ex-Politiker Banken dazu, so hohe Kredite zu geben?

Zagorec: Diese Behauptung stammt vom Boulevardmagazin „Nacional“. Dafür gibt es keine Grundlage. Ich habe elf Jahre lang die Logistik im Verteidigungsministerium geführt und mir so einen positiven Ruf aufgebaut. Banken, Fonds, Firmen, mit denen ich in meiner Zeit als Staatssekretär Kontakt hatte, haben mir geholfen, dass ich Projekte direkt auf Chefebene präsentieren konnte.

Woher kommt der Vorwurf der kroatischen Staatsanwaltschaft, Sie hätten Geld an die liechtensteinische Firma „Sambuca“ überwiesen und dafür Kredite von der Hypo Alpe Adria bekommen?

Zagorec: Weil sie auf Betreiben von Mesic behauptete, dass die Bank mir keinen Kredit gibt, wenn es kein Depot als Sicherheit gibt. Die österreichische und die liechtensteinische Finanzmarktaufsicht haben das untersucht und nichts Illegales gefunden.

Wie kam Liechtenstein ins Spiel?

Zagorec: Manche der Investoren, die an den kroatischen Immobilienprojekten beteiligt waren, haben ihre Firmen in Liechtenstein.

Sie haben einen Großteil Ihrer besten Jahre für Ihr Land geopfert. Sind Sie enttäuscht, dass die Regierung Sanader Sie nicht mehr unterstützt?

Zagorec: Diesen utopischen Glauben an einen Dank für meine Arbeit hatte ich früher. Aber jede Revolution frisst ihre Kinder.

Zur Person

Vladimir Zagorec (44) war in den 90er-Jahren als Staatssekretär im kroatischen Verteidigungsministerium für Rüstung zuständig.

Seit 2006 ermittelt Kroatiens Staatsanwaltschaft wegen Verdachts der Veruntreuung gegen ihn. Ein internationaler Haftbefehl führt im März 2007 zu seiner kurzzeitigen Inhaftierung in Wien. Er ist auf Kaution frei und bekämpft die Auslieferung an Kroatien, da ihn dort kein faires Verfahren erwarte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.