Arbeitsmarkt: SPÖ fordert Ausländer-Stopp

(c) APA (Helmut Fohringer)
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Sozialminister Erwin Buchinger warnt vor weiterer Arbeitsmarkt-Öffnung. Präzisieren wollte man diese Pläne auf Rückfrage der „Presse“ im Sozial-Ministerium nich.

Wien (b.l.). Die vollständige Öffnung des heimischen Arbeitsmarkts für Arbeitskräfte aus Ungarn, Tschechien, Polen, der Slowakei, Slowenien und den baltischen Staaten rückt in weite Ferne. Nachdem Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (ÖVP) vor zwei Wochen von seinem ursprünglichen Drängen auf eine vollständige Öffnung gegenüber Fachkräften im Mai 2009 abgerückt war, setzte nun Sozialminister Erwin Buchinger (SPÖ) eins drauf: Er warnte Bartenstein in einer Aussendung davor, den Arbeitsmarkt „vorschnell“ zu öffnen. „Ich plädiere vielmehr für einen Stopp ausländischer Fachkräfte, solange es in Österreich hochqualifizierte Arbeitskräfte gibt“, so Buchinger.

Präzisieren wollte man diese Pläne auf Rückfrage der „Presse“ im Sozialministerium nicht: Die bestehenden Verordnungen wolle Buchinger nicht rückgängig machen, hieß es. Demnach dürften Angehörige von „Mangelberufen“ weiter nach Österreich kommen, ebenso Pflegekräfte und Gutverdiener (ab 2358 Euro brutto im Monat). Man müsse nur die Entwicklung des Arbeitsmarkts genau beobachten, bevor man weitere Kräfte ins Land hole, hieß es.

Vor einem Jahr waren vom Sozialminister liberalere Töne gekommen: „Dort, wo das inländische Arbeitskräftepotenzial ausgeschöpft ist, muss man sektoral öffnen“, sagte Buchinger im April 2007 im Interview mit der „Presse“.

Derzeit steht der Arbeitsmarkt für 65 „Mangelberufe“ aus den oben genannten Ländern offen. Dazu zählen Schweißer, Dreher, Fräser, Köche. Die Liste wurde vom Wirtschaftsministerium nach Absprache mit den Sozialpartnern laufend erweitert. Ein „Mangel“ liegt dann vor, wenn auf eine offene Stelle weniger als 1,5 Arbeitslose kommen. Mehr als 2500 Personen sind heuer auf Basis dieser Verordnung nach Österreich gekommen. Die Hälfte sind Ungarn. Mehr als ein Drittel sind Köche, gefolgt von Schweißern.

Wann Österreich seinen Arbeitsmarkt zur Gänze öffnet, ist nicht allein die Entscheidung der Minister Buchinger und Bartenstein: Im Mai 2009, fünf Jahre nach dem EU-Beitritt der acht Staaten, muss Österreich seine Grenzen vollständig aufmachen – es sei denn, es gelingt der Nachweis, dass der Arbeitsmarkt durch eine weitere Öffnung schwer beeinträchtigt würde. Derzeit zeigt sich zwar eine „Abschwächung der Dynamik“ – die Arbeitslosigkeit geht seit einigen Wochen nicht mehr so stark zurück wie in den Monaten davor– eine schwere Beeinträchtigung sahen auf dem „Arbeitsmarktgipfel“ am Dienstag aber weder Sozialpartner noch Wirtschaftsforscher.

Auch ÖVP ruderte zurück

Bis vor kurzem verfolgte man (im Einklang mit Deutschland) die Linie, den Arbeitsmarkt für ungelernte Arbeitskräfte bis 2011 geschlossen zu halten. Fachkräfte (mit Lehrabschluss oder höher) sollten bereits 2009 ins Land dürften. Vor zwei Wochen formulierte Bartenstein vorsichtiger: „Ob es 2009 zu einer Öffnung für Fachkräfte insgesamt oder für weitere Berufsgruppen kommt, werden wir uns anschauen.“

Buchinger reicht das nicht: „Die Arbeitsmarktpolitik scheint Bartenstein kein besonderes Anliegen zu sein. Er könnte wenigstens in Deutschland Anleihe nehmen.“ Dort will man den Arbeitsmarkt 2009 nur für Akademiker und Spitzenkräfte mit einem Jahreseinkommen von 63.000 Euro öffnen. „An dieser Politik sollte sich Österreich ein Beispiel nehmen“, meint Buchinger. Er verweist auf den anstehenden Jobabbau in einigen Großbetrieben. In den vergangenen Wochen hatten etwa Glanzstoff, Hämmerle, Infineon, Siemens, Bawag und Bank Austria bekannt gegeben, dass je hunderte Stellen abgebaut werden. Dadurch kämen qualifizierte österreichische Arbeitskräfte auf den Arbeitsmarkt, die den Fachkräftebedarf in den nächsten Monaten decken könnten, so Buchinger.

AUF EINEN BLICK

Österreichs Arbeitsmarkt ist für Menschen aus EU-Beitrittsländern nur teilweise offen: Gutverdiener, Pflegekräfte und 65 „Mangelberufe“ dürfen hier arbeiten. Andere müssen warten– eventuell länger als bis 2009.

Die SPÖ warnt vor „vorschneller“ Arbeitsmarktöffnung.Doch auch die ÖVP gab sich zuletzt vorsichtig: Möglicherweise dürfen 2009 noch nicht alle Fachkräfte ins Land.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.07.2008)

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