Große Chancen in fernen Gefilden

IMF mission head Bakker and Austrian National Bank Governor Nowotny arrive for a news conference in Vienna
IMF mission head Bakker and Austrian National Bank Governor Nowotny arrive for a news conference in Vienna(c) REUTERS
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Auch kleine Unternehmen können sich europaweit behaupten. Der Schritt über die Grenze sollte aber künftig über die Nachbarländer hinausgehen.

Die Hürden sind hoch, das Risiko ist groß und ein Scheitern kann existenzbedrohend sein. Und trotzdem: Österreichs kleine und mittlere Unternehmen (KMU) nutzen zunehmend die Chance, die eine Internationalisierung bietet und stehen im europaweiten Vergleich gut da. So beträgt der Anteil der KMU, die innerhalb des Binnenmarktes exportieren, 14 Prozent. Der EU-Schnitt liegt bei acht Prozent. Bei den KMU, deren Exporte in Drittländer gehen, liegen die österreichischen Unternehmen mit fünf Prozent immerhin noch einen Prozentpunkt über dem EU-Durchschnitt.

„Je kleiner ein Unternehmen, desto weniger ist es international tätig“, weiß Thomas Oberholzner von der KMU Forschung Austria. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Einerseits arbeiten kleine Unternehmen hauptsächlich in Sektoren, in denen Internationalität keine Rolle spielt – etwa bei persönlichen Dienstleistungen. Andererseits stehen strukturelle Nachteile einer Internationalisierung im Weg. Neben dem finanziellen Aspekt spielt auch die Anzahl der Mitarbeiter eine wesentliche Rolle. „Verfügt ein Unternehmen über 20 Mitarbeiter wird es schwierig, auch nur zwei davon für einen Einsatz im Ausland abzustellen. Das ist in der Aufbauphase jedoch absolut notwendig“, so Oberholzner.

Große Risken für die Kleinen

Die Risken, die mit einer internationalen Tätigkeit verbunden sind, können von großen Unternehmen wesentlich besser überwunden werden. „Der ausländische Markt ist beim Einstieg noch weitgehend unbekannt. Ein kleines Unternehmen kann den Schritt in die Internationalität aber nur ein- oder zweimal ausprobieren“, warnt der KMU-Experte vor einem existenzbedrohenden Scheitern.

Viele KMU wählen daher die Option, als Zulieferbetrieb in den Exporthandel einzusteigen, wie eine Studie der Wirtschaftskammer zeigt. Hier tun sich die KMU besonders im Bereich Handel und Industrie hervor. Im Handel sind sie für 89 Prozent der wertmäßigen Warenexporte verantwortlich. In der Industrie punkten sie bei der Getränkeherstellung mit 92 Prozent der Warenexporte, gefolgt von der Herstellung von Textilien (69 Prozent) und chemischen Erzeugnissen (59 Prozent). „Der Trend zum Export wird eindeutig stärker“, so Christoph Haushofer, Experte für Wirtschaftspolitik in der Wirtschaftskammer. Betrachtet man sowohl Waren- als auch Dienstleistungsexporte, so zählten 2013 rund 28 Prozent der KMU zu den Exporteuren.

Chancen erkennen

Wie die Internationalisierungspotenziale von KMU identifiziert und aktiviert werden können, darum geht es im Masterprogramm „Export- und Internationalisierungsmanagement“ der Wirtschaftsuniversität Wien. „KMU weisen unterschiedlich weit entwickelte Fähigkeiten auf, Veränderungsmöglichkeiten und -notwendigkeiten, wie etwa die Internationalisierung, zu erkennen. Und so sind es oft unternehmensinterne Kräfte, die der Internationalisierung fundamental entgegenstehen“, erklärt Dietmar Rößl, Vorstand des Instituts für KMU-Management. Zentrale Aufgabe der Unternehmensführung sei es daher, ein Sensorium für die Chancenpotenziale der Internationalisierung zu entwickeln. Rößl: „Es geht darum, dass Internationalisierung als strategische Option gesehen und zugelassen wird.“

Dass der Schritt ins Ausland selten strategisch geplant ist und hier noch Aufholbedarf besteht, bestätigt Oberholzner. „Oft sind es Zufälle, aus denen sich dann ein Export entwickelt“, so der KMU-Experte. Durch Mitarbeiter im Unternehmen, die bereits Verbindungen ins Ausland haben, finden viele KMU Ansprechpartner, wodurch sich in Folge Exportgeschäfte ergeben. Exportland Nummer eins für österreichische KMU ist und bleibt Deutschland. „Die gemeinsame Sprache ist ein wesentlicher Vorteil, um in unserem Nachbarland wirtschaftlich Fuß zu fassen“, so Oberholzner. Insgesamt gehen 30 Prozent aller österreichischen Warenexporte nach Deutschland. Nachteil: Der deutsche Markt sei wenig innovativ und biete daher einen geringen Zusatznutzen für österreichische Unternehmen. „Im Gegensatz dazu ist es leichter, Marktlücken in Serbien oder der Türkei zu finden“, meint Oberholzner.

Der Trend geht jedoch in noch fernere Gefilde. „Die KMU haben das Potenzial der EU-Erweiterungen in den Jahren 2004 und 2007 gut genutzt“, so Oberholzner. Die Exportzukunft liege aber in Asien. Mit der Entfernung steigt jedoch auch das Risiko. Die Größenstruktur der KMU – sonst ein Hemmnis bei Auslandsaktivitäten – kann hier zum Vorteil werden. „So können KMU etwa bei der Fertigung flexibler und individueller auf Kundenwünsche reagieren, als dies bei Großunternehmen der Fall ist. KMU punkten zudem häufig durch ihr spezifisches Know-how“, ist WKO-Experte Haushofer überzeugt davon, dass österreichische KMU in Nischenmärkten auch fernab der Heimat durchaus konkurrenzfähig sein werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.10.2014)

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