Semperit-Chef: "Es ist kein Problem, woanders hinzugehen"

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Semperit-Chef Thomas Fahnemann setzt auf das Zugpferd USA und warnt die Regierung davor, im Zuge der Steuerreform die Gruppenbesteuerung abzuschaffen. Denn ohne Industrie werden wir unseren Lebensstandard nicht halten.

Die Presse: Experten warnen vor einem Comeback der Rezession. Teilen Sie diese Befürchtungen?

Thomas Fahnemann: Ich glaube nicht, dass es so schlimm wird wie 2009, aber es ist offensichtlich, dass sich die Konjunktur in Europa massiv eintrübt. Andererseits sind wir von Südostasien und China seit zweieinhalb Jahren enttäuscht. China ist schwierig. Die sieben Prozent Wachstum finden nicht im Industriebereich statt. Indien ist enttäuschend. Das Zugpferd heute sind die USA. Der US-Markt ist für uns sehr erfreulich.

Stichwort Re-Industrialisierung.

Ja, der Gaspreis liegt dort bei einem Drittel von Europa oder China. Auch Semperit verzeichnet in den USA die höchsten Wachstumsraten.

Aber die niedrigen Rohstoffpreise sind vor allem ein Zeichen der fehlenden Nachfrage.

Wir sehen das bei unseren Rohstoffen seit fast zwei Jahren, da sind wir auf sehr niedrigem Niveau. Aber ich hatte nicht den Eindruck, dass die Nachfrage etwa nach Kautschuk oder Gummi so gering war. Meine Analyse dazu: 2009 kam die Finanzkrise in der Realwirtschaft an. Und das war, als würde man gegen eine Mauer knallen. Da herrschte ein halbes Jahr Stillstand. Aber kurz nach dieser Untergangsstimmung war Ende 2009 schon wieder jeder optimistisch, und es wurden massiv Überkapazitäten produziert, weil die Erwartungen viel zu hoch waren.

Und was passiert jetzt?

Wir haben uns über die vergangenen zwei Jahre ganz gut darüber gerettet. Nur wenn jetzt ein Einbruch kommt, dann wird das grob. Ich rede jetzt nur über die Industrie. Auch für Semperit wird das nächste Jahr, vor allem in Bezug auf Deutschland, schwieriger werden. Hingegen erwarte ich aus den USA ein deutliches Plus.

Wie schwer trifft Semperit der Ukraine-Konflikt?

In der Ostukraine stehen die ganzen Minen, da geht nichts. Das merken wir kurzfristig, etwa bei hydraulischen Schläuchen. Dass die Förderbänder stillstehen, werden wir später merken.

Aber es kann doch nicht sein, dass in der Ukraine sämtliche Minen stehen, und die Weltmärkte spüren es nicht.

Daran sieht man die Überkapazitäten. Trotzdem: Ich glaube nicht, dass wir so überhitzt sind wie 2007 und 2008. Deswegen glaube ich nicht, dass es so dramatisch wird. Dennoch ist mir die Diskussion zu verhalten, viele verniedlichen die Lage. Das wird konjunkturell sehr schwierig. Das erste Halbjahr 2015 wird sehr anspruchsvoll.

Anspruchsvoll ist die Situation auch für Arbeitnehmer, es gibt in Österreich sinkende Reallöhne.

Ja, die Reallohnverluste gibt es, und deshalb braucht es auch eine Steuerreform. Die Abgabenlast in Österreich ist zu hoch. Und ich habe die Hoffnung, dass in der neuen Regierungs-Konstellation etwas weitergeht. Auf der anderen Seite hat Semperit 22 Produktionsstandorte auf der Welt, und wir müssen überall wettbewerbsfähig sein. Wir stellen heute noch – und werden das auch in Zukunft tun – Industrieprodukte in Österreich her. Das ist zugegeben nicht der günstigste Standort. Früher haben wir Lohnsteigerung durch höhere Produktivität ausgeglichen, aber in jüngster Zeit ist das schwierig geworden. Wir müssen bei den Steuern und Abgaben etwas tun.

Sie delegieren das Problem an die Politik.

Nein, wir müssen wettbewerbsfähig sein. Aber das Problem der Reallohnverluste kann ein Unternehmen allein nicht lösen. Wir haben wieder 20 Millionen in den Standort Wimpassing investiert, aber die Rahmenbedingungen müssen auch stimmen.

Damit wären wir bei der Steuerreform: Da geht's nicht nur um die Entlastung das Faktors Arbeit. AK und ÖGB wollen auf der anderen Seite die Gruppenbesteuerung auslaufen lassen.

Wenn wir die Gruppenbesteuerung abschaffen, nehmen wir dem Standort Österreich viel an Attraktivität. Das muss man sich überlegen. Heute ist es kein Problem, woanders hinzugehen. Es muss jedem klar sein, dass wir unseren Lebensstandard ohne Industrie nicht halten können.

Apropos Lebensstandard: Im Frühjahr wurde Semperit in Thailand Lohndumping und Kinderarbeit vorgeworfen. Sie ließen die Vorwürfe intern prüfen.

Sie sprechen den Finnwatch-Bericht an. Wir werden Kinderarbeit niemals dulden, sie ist auch nicht vorgekommen. Der Vorwurf ist falsch. Aber unsere Nachforschungen haben auch ergeben, dass nicht alles in Ordnung ist. Das sage ich ganz offen. Wir haben in Thailand Gastarbeiter; die sind immer ein Jahr in Thailand, meist auch ein zweites Jahr. Diese Gastarbeiter kommen, um Geld zu verdienen und das Geld ihren Familien zu schicken. Sie wollen so viele Überstunden wie möglich machen. Wenn wir sie nicht lassen, haben wir keine Arbeiter mehr. Dann gehen sie zur nächsten Fabrik.

Aber es wird ja auch in Thailand Gesetze geben.

Und an die halten wir uns.

Wie viele Wochenstunden arbeiten die Gastarbeiter?

Zwischen 55 und 60, wenn wir ihnen weniger Stunden geben, gehen sie weg.

Sie halten sich also bei den Überstunden weiterhin nicht an die Empfehlungen der Bürgerrechtsplattform Finnwatch?

Andernfalls bekommen wir die Arbeiter nicht. Und wir sind weit unter den Wochenstunden, die in Thailand gesetzlich erlaubt sind.

ZUR PERSON

Thomas Fahnemann ist seit April 2011 Vorstandsvorsitzender der Semperit AG Holding. Fahnemann war zuvor Vorstandschef der RHI AG und der Lenzing AG.

Semperit beschäftigt weltweit 11.200 Menschen, 700 davon in Österreich. Das Unternehmen erzielte 2013 einen Umsatz von 906,3 Millionen Euro. Der Gewinn vor Steuern und Zinsen (EBIT) lag bei 87,8 Millionen Euro.

Das Unternehmen besteht aus den Sektoren Sempermed (Operations- und Untersuchungshandschuhe), Semperflex (Hydraulikschläuche), Sempertrans (Förderbänder) und Semperform (Handläufe für Rolltreppen) und stellt seit 30 Jahren keine Autoreifen mehr her.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2014)

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