IHS: Kein Chef, kein Geld, kein Plan für morgen

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ARCHIVBILD: IHS-CHEF KEUSCHNIGG ZURUeCKGETRETENAPA/ROBERT JAEGER
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HS-Chef Keuschnigg setzt sich mit der geplanten Verkleinerung des Instituts nicht durch – und tritt ab. Alternativen fehlen noch.

Wien. Es waren drei intensive und emotionale Stunden. Am Donnerstag um 13 Uhr stand fest: IHS-Chef Christian Keuschnigg tritt zurück, das Kuratorium des Instituts hatte seinen Sanierungsplan für das finanziell angeschlagene Haus abgelehnt. Ein konkretes Konzept für die Zukunft gibt es jedoch nicht. Damit beginnt für das IHS die turbulenteste Phase seiner 51-jährigen Geschichte.

Schon als der gebürtige Tiroler Keuschnigg vor zwei Jahren die Führung des Instituts für Höhere Studien übernommen hatte, war klar: Dem Institut geht das Geld aus, so wie bisher kann es nicht weitergehen. Konkret fehlen über eine halbe Million Euro für Miete, Umzug in ein neues Büro oder die Renovierung des maroden Standorts in Wien Mariahilf. Also forderte der Ökonom eine radikale Verkleinerung des Hauses. Er wollte sich von der Soziologie und den Politikwissenschaften trennen, um das IHS zu einem „schlagkräftigen und überlebensfähigen“ Wirtschaftsinstitut zu schrumpfen.

Doch das Kuratorium konnte sich am gestrigen Donnerstag nicht dazu durchringen, diesem Strategieschwenk – und dem damit verbundenen Mitarbeiterabbau – zuzustimmen. Das IHS müsse interdisziplinär bleiben, wie es bei der Gründung vorgesehen war, so die Erklärung. „Ich kann diese Entscheidung nicht mittragen“, sagt Keuschnigg zur „Presse“. „Also ziehe ich die Konsequenzen.“

„Vorgehen verantwortungslos“

Die Ablehnung seines Konzepts ist alles andere als unumstritten. „Ich bin schockiert, was hier passiert ist. Das ist absolut verantwortungslos“, sagt ein Kuratoriumsmitglied, das nicht genannt werden möchte. Keuschnigg sei infrage gestellt worden, ohne dass überhaupt eine Alternative auf dem Tisch gelegen sei. Der IHS-Chef, der vor allem bei vielen SP-nahen Kuratoriumsmitgliedern als zu neoliberal galt, musste gehen. Mit der Absage an sein Konzept sei das Institut nicht nur seinen Direktor los, sondern es fehle auch jeglicher Plan für die Zukunft. So kursiert zwar ein Gegenentwurf, wonach Soziologie und Politik gestärkt werden sollen, doch die Finanzierung ist weiterhin vollkommen ungeklärt. Die Hoffnung ist, dass die bisherigen Geldgeber bei der Stange bleiben und vielleicht doch noch ein paar zusätzliche Euro für das IHS freimachen.

Sie könnte jedoch bald enttäuscht werden. Denn die gestrigen Ereignisse führten auch zu einem Bruch innerhalb des Gremiums. Drei Mitglieder kündigten umgehend ihren Rücktritt an. Sie könnten nicht mittragen, dass das Institut in einer derart schwierigen Phase ohne Führung und tragfähiges Konzept dastehe. Vor allem das Bundesministerium für Finanzen, bisher mit 60 Prozent des Budgets der wichtigste Geldgeber des IHS, könnte sich sein Engagement in Zukunft dreimal überlegen. Das Ministerium ist interessiert an Wirtschaftsforschung, sollte sich der Schwerpunkt verändern, könnte das Interesse am IHS schwinden.

Droht Demontage des IHS?

Damit droht dem Institut eine Demontage, deren Anfänge schon einige Zeit zurückliegen. Der Hauptgrund für die Geldsorgen des IHS ist bei der Stadt Wien zu suchen. Sie subventionierte das Institut seit Gründung indirekt, indem sie den Standort in der Stumpergasse mietfrei zur Verfügung stellte. Seit 2009(!) gibt es einen Gemeinderatsbeschluss, dass dieser Zuschuss beendet wird. Mitte 2015 muss das IHS endgültig aus dem baufälligen Anwesen ausziehen.

Jahrelang spielte das Kuratorium auf Zeit und fällte keine Entscheidung. Dabei bleibt es offenbar auch nach dem gestrigen Tag. Auch Heinz Neisser, der Präsident des Kuratoriums, dem vier abwesende Mitglieder ihre Stimmrechte übertragen hatten, votierte gegen das Konzept von Keuschnigg: „Der Zeitpunkt, eine Entscheidung zu fällen, war nun der richtige. Ich bin der Auffassung, dass wir das IHS breiter aufstellen müssen, nicht nur ausgerichtet auf die Ökonomie“, sagt Neisser. Nun, nachdem an der Interdisziplinarität des IHS festgehalten werde, müsse ein Konzept erarbeitet werden, ergänzt er: „Denn das Geld innerhalb des IHS muss neu verteilt werden.“

Entscheidung kommt zu spät

Keuschnigg kritisiert hingegen, dass sich das Kuratorium nicht schon vor seiner Bestellung für eine Strategie entschieden hat: „Man hätte sich das überlegen müssen, bevor man mich gesucht hat. Denn das IHS muss ja für sein Konzept jemanden finden, der dazu auch passt.“ Er sei dafür der Falsche. Der Ökonom hatte immer den Standpunkt vertreten, das IHS solle seine Ressourcen auf jene Forschungsschwerpunkte fokussieren, „in denen wir richtig gut sind“. Dass er sich mit seiner Forderung nicht durchgesetzt hat, mache ihn nicht bitter. „Ich habe dem IHS viel zu verdanken. Ich wünsche mir, dass dieser andere Weg das Institut voranbringt und es weiterhin eine hohe Reputation genießt.“

Seine persönliche Zukunft entscheidet sich in den nächsten Tagen. Keuschnigg wünscht sich eine einvernehmliche Auflösung des Vertrags. Spätestens im Sommer 2015 will der 55-Jährige seine Zelte in Wien wieder abbrechen und an die Universität St. Gallen zurückkehren. Dort werde er sich „unter den außerordentlich guten Bedingungen“ seinen Projekten widmen und sich mit der Schweizer Wirtschaftspolitik auseinandersetzen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.10.2014)

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