ÖIAG-Wolf: „Ich bin ein Auslaufmodell“

Siegfried Wolf, chairman of Austrian state holding OIAG, leaves a news conference in Vienna
Siegfried Wolf, chairman of Austrian state holding OIAG, leaves a news conference in Vienna(c) REUTERS (HEINZ-PETER BADER)
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ÖIAG-Aufsichtsratschef Siegfried Wolf sieht in der ÖIAG kein Chaos und wehrt sich gegen Vorwürfe von Notenbank-Präsident Claus Raidl. Er verteidigt die Struktur des ÖIAG-Aufsichtsrats, die Zurufe aus der Politik unmöglich macht.

Die Presse: Mit dem Abgang auf Raten von ÖIAG-Vorstand Rudolf Kemler hängt ein weiterer Manager aus dem Bereich staatseigener Betriebe angezählt in den Seilen. Was ist da los?

Siegfried Wolf: Ich würde weniger sagen, dass er angezählt in den Seilen hängt. Wir sind bei der Bestellung Kemlers davon ausgegangen, dass wir keine Fünfjahresverträge mehr vergeben, sondern nur noch Vertragslaufzeiten von drei Jahren fixieren, wobei man nach 24 Monaten entscheiden muss, ob die Verlängerungsoption gezogen wird. Herr Kemler ist jetzt aber an uns herangetreten und hat aufgrund der gesamten Dimension der letzten Ereignisse gebeten, dass wir ihn nicht verlängern, sondern es eine einvernehmliche Lösung gibt. Er steht damit bis 31. Oktober 2015 zur Verfügung – vorausgesetzt, es gibt keine Veränderung in der Struktur der ÖIAG. Auslösender Moment war das OMV-Thema.


Sie nennen es Thema, andere wie Claus Raidl bezeichnen es als Desaster.

Wenn jemand wie Raidl durch die verstaatlichte Industrie alle seine Positionen und eine fette Pension erreicht hat und das System noch nutzt, um sich als Präsident in die Notenbank zu setzen, um sein Gehalt aufzufetten, frage ich mich, mit welcher Berechtigung solche Leute in der zweiten Reihe sitzen und auf den Aufsichtsrat herunterspucken. Die Aufsichtsräte in der ÖIAG sind alles erfolgreiche Wirtschaftsleute, die es bei Gott nicht notwendig haben, dass sie sich da mit irgendwelchen Politscharmützeln auseinandersetzen müssten.


Auch der Bundeskanzler und der Wirtschaftsminister sprachen in der Causa OMV von Chaos.

In der Sache war es kein Chaos. Der Aktienkurs der OMV sinkt seit 16 Monaten kontinuierlich. Warum? Weil jedes Quartal ein angekündigtes Ergebnis nicht erreicht wurde. Natürlich gibt es bei einer Explorationsstrategie ein gewisses Risiko. Aber wenn ein Projekt nach dem anderen nicht funktioniert, aber weiterhin Geld hineinfließt, dann muss man nachjustieren.

Aber die Situation war generell zu dieser Zeit sehr schwierig.

So leicht mache ich es mir nicht. Die Peers (Vergleichsgruppen an der Börse, Anm.) haben sich zur gleichen Zeit nach oben entwickelt.

Was ist also falsch gelaufen?

Wenn ein Vorstand seit Monaten über die Medien streitet, wenn es für ihn wichtiger ist, wer mit wem auf welcher Party sitzt – geht das nicht. Wenn das mein eigenes Unternehmen wäre, würde ich alle auf der Stelle heimschicken.


Warum wurde OMV-Chef Roiss dann vor einem Jahr verlängert?

Damals hat man einstimmig beschlossen, ihn zu verlängern. Jetzt wurde im Aufsichtsrat einstimmig beschlossen, Roiss nur bis Sommer 2015 im Amt zu behalten.


Ist das geschickt, wenn an der Spitze des wichtigsten staatlichen Unternehmens ein Vorstand mit Ablaufdatum sitzt?

Es darf in der Führung eines Unternehmens kein Loch geben. Einen provisorischen CEO festzulegen ist meiner Meinung nach die schlechtere Lösung. Es ist ein klarer Beschluss gefallen – den sollten jetzt auch alle akzeptieren.


Manchen im Vorstand und Aufsichtsrat werden Eigeninteressen unterstellt.

Solche Spekulationen gibt es. Für mich sind sie ein Schwachsinn. Kein Aufsichtsrat in einem börsenotierten Unternehmen kann sich so etwas erlauben. Im Aufsichtsrat der OMV sitzen integre Leute. Auch jeden Vorstand, der so etwas macht, würde ich sofort beim Staatsanwalt anzeigen. Nur damit das klar ist. Das gilt auch für das Thema Borealis-Verkauf. Ich beanspruche für die Aufsichtsräte in der ÖIAG, dass wir im Sinn des österreichischen Eigentümers und Steuerzahlers für die Republik handeln und einen Mehrwert und kein Durcheinander schaffen.


Es wird kritisiert, dass der ÖIAG-Aufsichtsrat aus einer Clique befreundeter Industrieller besteht.

Damit wurden politische Zurufe unmöglich gemacht, das Unternehmen hat davon profitiert. Davor hat das Unternehmen einen Schuldenberg von mehr als sieben Milliarden Euro gehabt. Heute sind wir schuldenfrei. Es wurden 3,2 Mrd. Euro Schulden abgebaut, 2,3 Mrd. Dividende ausbezahlt und 6,9 Mrd. Privatisierungserlöse erzielt.


Wären Sie gekränkt, wenn Sie nicht gefragt werden, ob Sie weitermachen wollen?

Ich bin ein Auslaufmodell. Mein Mandat ist mit der Bilanz 2016 zu Ende. Das ist mein Ziel. Noch habe ich es nicht erreicht. Aber wenn jetzt ernsthaft an neuen Strukturen gearbeitet wird, geht es sich aus.

Ihnen wird durch ihr Naheverhältnis zu Russlands Präsident Putin und Gazprom eine doppelte Interessenlage vorgeworfen.

Auch wenn das gezielt immer wieder unterstellt wird, werden derartige Gerüchte auch nicht wahr. Wir haben als Republik Österreich ein Vorkaufsrecht, falls die Ipic ihre Anteile an der OMV verkaufen würde – und ich gehe davon aus, dass wir davon Gebrauch machen müssten. Außerdem habe ich klargemacht, dass ich mich meiner Stimme enthalten werden, wenn über einen Einstieg der Gazprom diskutiert wird.


Wie stellen Sie sich die ÖIAG neu vor?

Eine schlanke Holding mit drei Säulen: börsenotierte Unternehmen, Infrastruktur – von Energie über Wasser bis zum Breitband. Und drittens eine Auffanggesellschaft für Bad Banks.


Wie geht es der Männerbeziehung zwischen Frank Stronach und Ihnen?

Wir telefonieren regelmäßig.


Was sagen Sie zu seinem politischen Engagement?

Es ist ein Rennen, das er nie hat gewinnen können. Damit hat er leider an seinem Monument gerüttelt. Das tut mir persönlich leid.


Wie wettbewerbsfähig ist Österreich noch?

Man kann die Wettbewerbsfähigkeit über die Kaufkraft messen. Wenn diese durch zu hohe Abgaben- und Steuerquote sinkt, ist das schlecht. Arbeiten muss noch leistbar sein.


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