Bankenpaket: Erklärung des Bundeskanzlers Gusenbauer im Wortlaut

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gusenbauer(c) AP (Dragan Tatic)
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Bei der Vorstellung des österreichischen Hilfspakets für den Bankensektor sprach Bundeskanzler Gusenbauer von Profitgier des Kasinokapitalismus und dem Schutz der Sparer.

In Europa und auch in Österreich machen sich die Menschen, die Familien und die Unternehmungen Sorgen um ihre Zukunft, um ihre Arbeitsplätze, um ihre Ersparnisse, um ihre Häuser und Wohnungen. Und die vergangene Woche war gekennzeichnet von irrationalen Kursverläufen an den Börsen, von Panik und von zunehmender Angst.

Und uns wurde in den letzten Wochen sehr drastisch vor Augen geführt, was mit Märkten geschieht, die völlig entfesselt agieren. Sie regulieren sich nicht von selbst, sondern sie zerstören sich selbst. Die Finanzkrise in den Vereinigten Staaten von Amerika, deren Keim die Profitgier und jene spezifische Art von  Kasinokapitalismus ist, hat längst auch Europa erreicht. Aus der amerikanischen Immobilienkrise ist inzwischen eine globale Finanzmarktkrise geworden. Und die Dimensionen dieser Krise haben sich in den letzten Wochen verstärkt und damit alle Staaten vor große Herausforderungen
gestellt.

Wir wissen, dass die Turbulenzen, die wir erlebt haben, selbst gesunde Volkswirtschaften treffen können. Die Banken, seien sie noch so stark und noch so solide wie zum Beispiel auch die österreichischen Banken, leiden natürlich auch unter dem wechselseitigen Misstrauen, das hier besteht. Einem Misstrauen, das dazu geführt hat, dass es zu einem völligen Erliegen des Interbankenverkehrs gekommen ist.

Was bedeutet das für die Wirtschaft und für die Menschen? Unsere Klein- und Mittelbetriebe kommen damit immer schwieriger an Kredite heran und können damit keine Investitionen in künftige Arbeitsplätze tätigen. Auch für jene Menschen, die hart gearbeitet haben, die "Häuslbauer" sind und Kredite brauchen, wird es schwieriger, zu Geld zu kommen. All das hat zur Folge, dass in Zukunft das
Wirtschaftswachstum schwächer wird und die Lage am Arbeitsmarkt angespannter.

Gesunde Banken, die sich vertrauen und die sich untereinander Geld leihen, sind wesentlich für die Unternehmungen und für die Menschen in unserem Land. Und wenn Banken Schwierigkeiten haben oder ihr normales Geschäft nicht durchführen können, dann betrifft uns das alle. Es betrifft die Familien, es betrifft die Kinder und es betrifft letztendlich auch den Wohlstand, den wir uns in Österreich
über Jahrzehnte hart aufgebaut haben.

Die Politik ist daher gefordert, mit allen ihr zur Verfügung stehenden Kräften gegenzusteuern. Dazu sind kurzfristige, aber auch mittel- und langfristige Maßnahmen notwendig.

Österreich kann und darf sich nicht vom Rest Europas abkoppeln. Der gemeinsame Markt und der gemeinsame Kapitalverkehr einen uns in Europa und die gemeinsame Währung des Euro eint uns in der Euro-Zone.


Alleingänge sind nicht möglich - weil jede Maßnahme, die von einem Staat gesetzt wird, auch Auswirkungen auf die anderen Staaten hat. Das hat Österreich im Kreis der Europäischen Union immer wieder betont. Der Aktionsplan, der gestern beim Gipfel der Staats- und Regierungschefs der Euro-Länder in Paris beschlossen wurde, ist ein starkes Signal der Solidarität. In dieser Krise sind die Länder Europas vereint. Wir haben uns verpflichtet, unsere Aktionen zur Eindämmung der Finanzkrise gemeinsam und koordiniert umzusetzen.

All die Maßnahmen, die Österreich beschlossen hat und beschließen wird, wurden und werden in Abstimmung mit unseren Partnern in Europa getroffen.

Die österreichische Bundesregierung ist seit Beginn dieser Finanzkrise permanent in Kontakt. Es gibt ein permanentes Krisenmanagement und einen permanenten Dialog. Seit Wochen gibt es auf täglicher Basis Beratungen zur Finanzmarktkrise zwischen dem Vizekanzler und Finanzminister, dem Notenbank-Gouverneur und mir. Am vergangenen Mittwoch hat die Bundesregierung ein erstes Paket mit wichtigen vertrauensbildenden Maßnahmen zum Schutz der Sparer und der Banken in Österreich beschlossen. Auf Grund der weiteren Entwicklung und der Talfahrt der Börsen Ende der vergangenen Woche haben wir über das Wochenende die Spitzen der Regierung sowie die Spitzen von SPÖ und ÖVP zusammengeholt, um mit den Experten des Ministeriums und der Österreichischen Nationalbank zu beraten.

Ich möchte mich an dieser Stelle ganz ausdrücklich bei Vizekanzler und Finanzminister Molterer für seine Vorbereitungen und für die exzellente Zusammenarbeit bedanken, die dazu geführt hat, dass wir Ihnen heute ein sehr umfassendes und massives Maßnahmenpaket zur Stärkung der Banken und zum Schutz der Sparer vorstellen können. 

In einem nationalen Kraftakt spannen wir unseren Schutzschirm über die österreichischen Banken. Wir schützen die österreichischen Sparer und wir sichern damit unseren hart erarbeiteten Wohlstand in
Österreich.

Mit "wir" meine ich nicht die Bundesregierung - sondern mit "wir" meine ich alle Österreicherinnen und Österreicher, bei denen wir auch um das Vertrauen werben möchten. Diese Maßnahmen sind durch die internationale Finanzkrise und nicht durch österreichische Verhältnisse für Österreich notwendig geworden. Wir legen die schützende Hand des Staates über die Banken, weil der
Markt allein seiner Verantwortung nicht mehr gerecht werden kann und wir sichern damit vor allem die internationale Wettbewerbsfähigkeit unseres Bankensektors.

Das Paket, das Ihnen nun der Finanzminister im Detail vorstellen wird, ist bis zu 100 Milliarden Euro schwer. Dieser Betrag macht zum großen Teil das Volumen von Haftungen aus. Das ist klarerweise
überwiegend ein Garantierahmen, eine unmittelbare Budgetbelastung findet nicht statt. Das heißt, es belastet die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler nicht, sondern erst dann, falls Haftungen schlagend
werden. Es ist aber gerade Ziel dieses Gesamtpakets, dass das gerade nicht passiert. Dieses Paket gibt nämlich Vertrauen zurück und beseitigt das Misstrauen. Es stärkt unsere Banken und damit auch unsere Unternehmen. Es sichert Investitionen in die Wirtschaft und in
die Menschen.

Die wichtigsten Punkte des Pakets sind die vier, die in der Presseaussendung in der Früh genannt wurden:

Punkt eins: Mittels staatlicher Garantie sollen die Banken motiviert werden, sich wieder gegenseitig Geld zu leihen. Diese Maßnahme bewirkt, den Banken die Angst vor dem Geldverleihen an andere
Institute zu nehmen und so wieder den für die Volkswirtschaft so wichtigen Liquiditätsfluss in Gang setzen. Darüber hinaus schaffen wir auch die Möglichkeit, dass der Staat Haftungen für die Ausgabe von Bankenschuldverschreibungen übernimmt, die ja ein wichtiges Finanzierungsinstrument für Banken darstellen.

Punkt zwei: Unsere Banken sind solide und verfügen über ausreichend Kapital. Wir sind der Meinung, dass man aber für die Krise noch besser gewappnet ist, wenn die Eigenkapitalbasis gestärkt werden
kann. Und wir schaffen daher auch, wie auch in anderen Ländern, die Möglichkeit, dass sich die Republik bei außergewöhnlichen Phasen der Marktturbulenzen an einer Stärkung der Eigenkapitaldecke durch Kapitalerhöhungen mitbeteiligt. Damit stärken wir das Vertrauen in die Institute und klar ist, dass wir für diesen Fall Mitwirkungsrechte des Staates vorgesehen sind.

Der Staat macht den Banken keine Geschenke, der Staat hilft den Banken, wieder ihrem ursprünglichen Geschäft nachgehen zu können.

Punkt drei: Wir schaffen, wie vergangene Woche angekündigt, die gesetzlichen Möglichkeiten für das Verbot von Leerverkäufen, damit es zu keinen Spekulationen auf fallende Kurse an der Wiener Börse kommt.

Punkt vier: Zum Schutz der Sparerinnen und Sparer in Österreich sichern wir ihre Einlagen unbegrenzt.

Lassen Sie mich zum Schluss dazu sagen: Österreich allein wäre zu diesen Maßnahmen nicht gezwungen gewesen, denn Österreich steht gut da. Aber wir können nicht zulassen, dass es irgendeinen Lizitationswettbewerb gibt und Österreich durch Maßnahmen anderer Staaten einen Wettbewerbsnachteil erleidet.

Wir haben uns gestern zu einer gemeinsamen und koordinierten Vorgangsweise entschlossen und entsprechend dieser gemeinsamen Vorgangsweise verhalten wir uns auch.

Österreich wird auch diesen Sturm durchstehen. Wir haben starke Banken, starke Unternehmen und engagierte Arbeitnehmer. Österreich ist gut aufgestellt. Und dieses Paket wird unseren Wohlstand auch in Zukunft sichern und die Österreichische Bundesregierung mit dem Finanzminister und Vizekanzler und mit mir an der Spitze hat in dieser Situation die Verantwortung wahrgenommen, die man von einer Österreichischen Regierung auch erwarten darf.

(Red.)

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