Immoeast / Immofinanz: Suche nach verschollenen 520 Millionen

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kleibl(c) APA (ROBERT JAEGER)
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Eine halbe Milliarde wurde im Kreis geschickt – und keiner weiß etwas davon. Zurzeit ist nicht nur unklar, wohin dieses Geld geflossen ist, sondern auch, in welcher Form.

wien (ju/ag.).Die Turbulenzen um die Immofinanz/Immoeast-Gruppe könnten sich nach dem Abgang des Vorstandschefs Karl Petrikovics und des Aufsichtsratspräsidiums zum Kriminalfall auswachsen: Derzeit wird nach dem Verbleib von 520 Mio. Euro aus der letzten Immoeast-Kapitalerhöhung gefahndet, deren Spur sich nach der Überweisung an eine Immofinanz Beteiligungs AG (Ibag) verliert. Zurzeit ist nicht nur unklar, wohin dieses Geld geflossen ist, sondern auch, in welcher Form. WU-Professor Christian Nowotny, der im Aufsichtsrat der Ibag sitzt, bestätigte gestern gegenüber der APA, dass derzeit eine Prüfung laufe, die bis Dienstag abgeschlossen sein soll. Die Constantia Privatbank, die externer Manager für Immoeast und Immofinanz ist, hat die interne Revision eingeschaltet.

Wie berichtet hatte der neue Immoeast/Immofinanz-Chef Thomas Kleibl bei seiner Antrittspressekonferenz die Existenz eines geheimnisvollen „Bond“ (Anleihe) mit 900 Mio. Euro Volumen enthüllt, von dem noch 520 Mio. offen seien. Die Forderung bestehe gegenüber der Ibag.

Allerdings: Der betreffende (in der Immoeast-Bilanz bilanzierte) Bond ist nach derzeitigem Stand nie emittiert worden. Und die Ibag hat, wie Nowotny gestern sagte, „keine Zahlungseingänge“ gefunden, die auf den Erhalt der 900 Mio. Euro hindeuten. Die verbliebenen Vorstände der unterdessen von fünf Großbanken aufgefangenen Constantia Privatbank, Karl Arco und Norbert Gertner, wissen nach Eigenangaben von der Transaktion auch nichts. Allerdings: Während die Ibag betont, sie habe keine Belege für einen Zahlungseingang, heißt es aus der Constantia Privatbank, dass über ein Konto der Ibag bei der Constantia Privatbank „Zahlungsein- und ausgänge ohne Wissen des Vorstands oder des Aufsichtsrats“ erfolgt seien.

Die Ibag ist laut Nowotny eine „nicht operative Abschreibungsgesellschaft“, die laut Firmenbuch zu 99 Prozent der liechtensteinischen Turnauer-Stiftung „Camilla Stiftung“ gehört. Ein Prozent hält eine liechtensteinische Stephanie Stiftung. Immofinanz-Aufsichtsrat Guido Schmidt Chiari hält eine gleichnamige Stiftung in Österreich, hat in der Vergangenheit aber dementiert, mit der liechtensteinischen Stephanie Stiftung etwas zu tun zu haben.

Wo das Geld jetzt liegt (wenn es überhaupt real geflossen ist), ist jedenfalls unklar. Freilich gibt es für 512 Mio. Euro eine Haftung der holländischen Holding Constantia B. V., der nach dem Notverkauf der Constantia Privatbank noch 80 Prozent der Industriegruppe Constantia Packaging gehören. Die Holding bestätigt die Haftung, lässt aber derzeit gerade juristisch prüfen, ob sie überhaupt gültig ist.

Petrikovics schweigt

Der Mann, der Licht ins Dunkel bringen könnte, will das nur „bei den zuständigen Behörden“ tun: Ex-Immoeast-, Immofinanz- und Constantia-Privatbank-Chef Karl Petrikovics teilte am Dienstag mit, die Diskussion um die verschwundene halbe Milliarde sei „blanker Unsinn“. Er wisse genau, wo das Geld veranlagt sei, hege keinen Zweifel daran, dass es zurückbezahlt werde, und könne sich nicht vorstellen, dass durch die Transaktion ein Schaden entstanden sei.

Die ganze Gruppe dürfte demnächst jedenfalls umfassend die Gerichte beschäftigen: Die Ibag will nach Abschluss der Prüfungen eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft einbringen, gegen die jüngste Hauptversammlung läuft eine Anfechtungsklage und Prozessfinanzierer und AK sammeln gerade Immofinanz-Anleger, die sich geschädigt fühlen und sich Schadenersatzklagen anschließen wollen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2008)

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