Die Rezession hat Österreich erreicht

(c) EPA (Franck Robichon)
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Die Wirtschaft ist schon im letzten Quartal 2008 geschrumpft. Für heuer wird ein Rückgang um mindestens 1,6 Prozent erwartet. Die Export-Industrie ist besonders stark betroffen, nur der Tourismus läuft noch rund.

Wien (ju/APA). Jetzt hat die Rezession auch die Alpenrepublik erreicht: Im vierten Quartal des Vorjahres ist das österreichische Bruttoinlandsprodukt nach Angaben des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) um 0,2 geschrumpft, im laufenden Quartal wird sich der Abschwung beschleunigen. Dass der Rückgang im europäischen Vergleich relativ milde ausfiel, lag am Tourismus: Dieser Wirtschaftszweig erzielt als letzter noch kräftige Zuwächse.

„Technisch“ herrscht Rezession zwar erst, wenn die Wirtschaft mindestens zwei Quartale hintereinander zurückgeht, aber „wir tauchen gerade in eine Rezession ein“, wie Bank-Austria-Chefvolkswirt Stefan Bruckbauer meint.

Die derzeit noch geltenden Dezemberprognosen der Wirtschaftsforscher, die für 2009 von Stagnation (IHS) beziehungsweise 0,5 Prozent Rückgang (Wifo) ausgehen, sind damit bereits Makulatur. Auch Wifo-Chef Karl Aiginger geht unterdessen von einem wesentlich schärferen Wirtschaftsabschwung in den nächsten Monaten aus. Das könnte, wie berichtet, das österreichische Bundesbudget unter Druck bringen: Dieses wurde auf Basis der Dezember-Wifo-Prognose berechnet, das Defizit könnte nun schon heuer an der Dreiprozentgrenze kratzen.

Ausblick zu optimistisch

Bruckbauer schätzt, dass das heimische Bruttoinlandsprodukt heuer um gut 1,6 Prozent zurückgeht. Selbst das dürfte ein einigermaßen optimistischer Ausblick sein, wenn man sieht, wie sich die Lage bei den wichtigsten Handelspartnern entwickelt: Deutschland hat Ende 2008 schon das dritte Minusquartal in Folge erlebt – und der BIP-Rückgang ist mit 2,1 Prozent wesentlich stärker ausgefallen als erwartet. Die Wirtschaft der gesamten Eurozone ist in den letzten drei Monaten 2008 um 1,5 Prozent geschrumpft, in Westeuropa gibt es praktisch kein Land mehr, das nicht bereits in einer Rezession steckt oder gerade in eine solche eintaucht.

Weil Österreich wegen des großen Exportanteils (vor allem bei Autouzulieferungen) in sehr hohem Maß von der Entwicklung in Deutschland abhängig ist, wird sich die Talfahrt demnächst noch beschleunigen. Die heimische BIP-Kurve verläuft normalerweise mit ein paar Monaten Verzögerung ziemlich parallel zur deutschen.

Die Chancen, dass das Konjunkturunwetter bald wieder abzieht, stehen schlecht: Der deutsche Wirtschaftsforscher Hans Werner Sinn bezeichnete Prognosen, wonach es ab der Jahresmitte wirtschaftlich wieder bergauf gehen werde, am Freitag als „Unsinn“. Auch Bank-Austria-Mann Bruckbauer meint, dass eine Erholung frühestens gegen Jahresende einsetzen werde. Und das nur, wenn die Regierungen ihr gesamtes Antikrisenpotenzial auffahren. „Traditionelle Konjunkturprogramme und geldpolitische Maßnahmen werden nicht ausreichen, um in absehbarer Zeit eine Kehrtwende zu erreichen“, meinte Bruckbauer. Die Risken eines noch dramatischeren Wirtschaftseinbruchs seien jedenfalls deutlich größer als die Gefahr, durch zu heftige Antikrisenmaßnahmen Inflation auszulösen.

50 Milliarden für Konjunktur

Deutschland reagiert auf die Krise mit dem größten Konjunkturprogramm seiner Geschichte: Am Freitag hat der Bundestag beschlossen, zusätzlich 50 Mrd. Euro für öffentliche Investitionen, Steuer- und Abgabensenkungen und für Finanzhilfen an Unternehmen auszugeben. Finanziert wird das Paket über zusätzliche Staatsschulden von 36,2 Mrd. Euro.

Die Rezessionsmeldungen aus ganz Europa bildeten die Begleitmusik für die Finanzminister der sieben wichtigsten Industrienationen (G7), die sich gestern, Freitag, in Rom zu einem Gipfel trafen, um Strategien gegen die Krise zu besprechen.

AUF EINEN BLICK

Österreich taucht gerade in die Rezession ein: Im letzten Quartal des Vorjahres ist das Bruttoinlandsprodukt bereits um 0,9 Prozent geschrumpft, derzeit beschleunigt sich der Abschwung beträchtlich. Für das Gesamtjahr erwarten Experten einen BIP-Rückgang um zumindest 1,6 Prozent. Besonders stark betroffen sind die Exportbetriebe, verschont wird von der Rezession aber fast kein Bereich. Mit einer Ausnahme: Der Tourismus läuft noch auf vollen Touren – und liefert sogar Zuwächse ab. Deutschland reagiert auf die Krise unterdessen mit einem zweiten Konjunkturpaket im Volumen von 50 Mrd. Euro – dem größten in der Geschichte des Landes.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.02.2009)

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