Die Krise ist zurück: Statt 1,8 Prozent Wirtschaftswachstum werden es heuer nicht einmal 0,8 Prozent sein. Im dritten Quartal ist die heimische Wirtschaft gar nicht mehr gewachsen.
Wien. Wenn die österreichische Konjunktur einmal ein Schnellzug war, der nach der Krise auf S-Bahn-Tempo gedrosselt wurde – dann hat diese gerade eine Vollbremsung hingelegt. Laut Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) gab es in Österreich im dritten Quartal kein Wirtschaftswachstum mehr – zumindest im Vergleich zum Vorquartal. Im Vergleich zum Vorjahr legte die heimische Wirtschaft zumindest 0,2 Prozent zu – aber auch das kommt quasi einem Stillstand gleich.
Im ersten und zweiten Quartal gab es zumindest noch ein verhaltenes Wachstum von jeweils 0,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Aber mit der deutlichen Verschlechterung wackelt jetzt die ohnehin bereits von 1,8 auf 0,8 Prozent reduzierte Prognose der Wirtschaftsforscher für das Gesamtjahr erneut. „Die Wirtschaft entwickelt sich schlechter als bisher angenommen, das Wachstum ist massiv zurückgegangen“, sagt Wifo-Ökonom Marcus Scheiblecker zur „Presse“. Das Ziel von 0,8 Prozent Wachstum in diesem Jahr sei jetzt wohl nicht mehr zu erreichen. „Grund ist sicherlich die äußerst schwache Weltkonjunktur“, so Scheiblecker: „Das gilt nicht nur für den Euroraum, sondern auch für die BRICS. Die sind vorher stark gewachsen. Das fehlt uns jetzt. Selbst China wird sein Wachstumsziel von 7,5 Prozent heuer verfehlen.“ Aber auch in Österreich sei die Nachfrage nicht sehr solide. „Investitionen und Binnennachfrage sehen schlecht aus“, so Scheiblecker. Besonders betroffen seien die Sachgüterproduktion und der Maschinenbau.
Der pessimistische Eindruck wird durch die Konjunkturerhebungen von Industriellenvereinigung und Bank Austria verstärkt: Laut IV sehen die Unternehmen zum ersten Mal seit zwei Jahren negativ in die Zukunft. Und im monatlichen BA-Einkaufsmanagerindex weisen zum zweiten Mal in Folge fast alle Komponenten auf eine weitere Talfahrt hin.
Ist Sonderkonjunktur möglich?
Bleibt die Frage: Was kann die Politik unternehmen? Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl ließ am Donnerstag keine Zeit verstreichen, um neue Konjunkturhilfen zu verlangen. Nach ersten positiven Maßnahmen wie der Breitbandoffensive brauche es jetzt mehr – etwa bei der Wohnbauförderung und der thermischen Sanierung. Staatssekretär Harald Mahrer (ÖVP) unterstrich bei einer Pressekonferenz die Bemühungen der Regierung um „Wachstumsinvestitionen“. Aber sind staatliche Hilfen wirklich ein effizienter Weg?
Nein, sagt Franz Schellhorn, Leiter des liberalen Thinktanks Agenda Austria. „Uns wurde lange erklärt, der Staat müsse schuldenfinanziert investieren. Das haben wir fünf, sechs Jahre lang gemacht – und jetzt haben wir höhere Staatsschulden, aber immer noch kein Wachstum“, so Schellhorn: „Wir kaufen uns Wohlstand – aber überdecken damit die Probleme.“
Das Problem aus Schellhorns Sicht: Die gestiegenen Staatsschulden müssen auch bedient werden – und das signalisiere Arbeitnehmern und Investoren, dass man von ihnen in Zukunft noch mehr Geld via Steuern verlangen werde. „Die Deutschen hatten eine Sonderkonjunkur, weil sie die Staatsausgaben mit einer Schuldenbremse beschränkt haben“, so Schellhorn. Österreich sollte sich daran ein Vorbild nehmen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2014)