Postensammler Ametsreiter an Telekom-Spitze

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Der Nemsic-Nachfolger leitet die Gruppe, das Festnetz und die Mobilkom. Die Bestellung des 41-jährigen Ametsreiter erfolgte laut Aussendung einstimmig.

WIEN. Boris Nemsic war Konzernchef der Telekom Austria und leitete die Handytochter Mobilkom. Hannes Ametsreiter erbt beide Ämter und bleibt Festnetzchef, betätigt sich also als Postensammler. Während Nemsic sein Büro samt dem ansehnlichen Berg alter Handys auf dem Fensterbrett räumt, um Wien Richtung Moskau zu verlassen, wurde Ametsreiter am Donnerstag vom Aufsichtsrat per 1. April bis Ende 2013 zum Jolly Joker bestellt. Sein Stellvertreter ist bis Ende März 2012 Finanzvorstand Hans Tschuden.

„Die umfangreiche Erfahrung sowie die tiefe nationale und internationale Branchenexpertise qualifizieren Hannes Ametsreiter optimal für die Position des Vorstandsvorsitzenden“, hieß es in einer Aussendung. Aufsichtsratsvorsitzender Peter Michaelis meinte: „Dadurch wird die nahtlose Fortführung der eingeschlagenen Strategie gewährleistet.“

Bestellung erfolgte einstimmig

Die Bestellung des 41-jährigen Ametsreiter erfolgte laut Aussendung einstimmig. Das ist umso erstaunlicher, als am Vormittag ein regelrechter Krieg der Worte entbrannt war. Zentralbetriebsrat Michael Kolek und Werner Luksch, Belegschaftsvertreter bei der Handy-Tochter Mobilkom, forderten indirekt ein Mitspracherecht bei der Besetzung. Der Aufsichtsrat, dem auch Kolek angehört, sollte eine interimistische Lösung beschließen und sich bei der endgültigen Entscheidung Zeit lassen.

„Kein anderer vergleichbarer Konzern weltweit würde ohne internationale Interessentensuche, ohne Einbindung professioneller Personalisten und ohne eingehende Beratungen im Aufsichtsrat derartig gewichtige Personalentscheidungen treffen, die von massiver Bedeutung für den künftigen Erfolg des Unternehmens sind“, schrieb Kolek in einem offenen Brief an die Kapitalvertreter. Mitarbeiter und Aktionäre der TA wie auch der Wirtschaftsstandort Österreich hätten sich „die besten Vorstände verdient, die man für diese Funktionen gewinnen kann“ und nicht eine schnelle Entscheidung nach dem Willen von Nemsic. Dieser soll Ametsreiter als Nachfolger empfohlen haben.

Es gehe „nicht um die Personen, sondern um die Methode“, schrieb Kolek: „Exakt eine solche Hauruckaktion würde politischen ebenso wie persönlich oder anders motivierten Interventionen Tür und Tor öffnen.“

Festnetzkommunikationschef Martin Bredl konterte, Koleks Meinung „entbehrt jeder Sachlichkeit“. Der TA-Vorstand forderte ihn „unmissverständlich auf, jede Einflussnahme mittels öffentlicher Diskreditierung sofort einzustellen“. Der Verzögerungsversuch „lässt vermuten, dass Herr Kolek Zeit gewinnen möchte, um politischen Einfluss auf die Nachbesetzung auszuüben“.

Personalnot im Management

Ein wichtiges Argument für eine schnelle Nachfolgeregelung war die Personalnot im höheren Management. Deshalb dürfte Ametsreiter den Dreifachjob übernommen haben. Auf jeden Fall wird es notwendig werden, seine beiden Posten als Marketingvorstand – in der Gruppe und in der Mobilkom – getrennt zu besetzen. Dazu kommt möglicherweise der Bedarf an einem Finanzvorstand für den Festnetzbereich. Amtsinhaber Gernot Schiessler hat mit seinen „Mobbing“-Sprüchen vor Investoren am eigenen Sessel gesägt; Nemsic hat ihm kurz vor der Rücktrittsankündigung die Zuständigkeit für Personalagenden entzogen und Ametsreiter umgebunden.

Der Abgang von Nemsic aktualisiert alte Gerüchte in neuer Form. Mobilkom-Betriebsrat Luksch unterstellt, dass der russische Mobilfunkkonzern VimpelCom unter seinem künftigen Chef Nemsic Interesse an der Mobilkom haben könnte. Die ÖIAG hat immer wieder angedeutet, dass eine weitere Privatisierung der Telekom Austria – die Republik Österreich hält noch etwas mehr als 27 Prozent – eventuell durch Ausgliederung der Mobilkom erfolgen könnte.

AUF EINEN BLICK

Chef der Gruppe, des Festnetzbereichs und der Handytochter Mobilkom: Hannes Ametsreiter hält als Nachfolger des nach Moskau übersiedelnden Boris Nemsic die Macht bei der Telekom Austria in seinen Händen. Seine Bestellung durch den Aufsichtsrat erfolgte einstimmig, obwohl Zentralbetriebsrat Michael Kolek zuvor den Aufstand geprobt hatte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2009)

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