Kommen jetzt Strafzinsen für Sparer?

Geschlachtetes Sparschwein
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Seit eine deutsche Bank Negativzinsen eingeführt hat, gehen die Wogen hoch. Fakt ist, dass derzeit zu viel gespart und zu wenig investiert wird - und dass die Banken das Geld der Sparer in dem Ausmaß nicht benötigen.

Wien. Dass in Deutschland eine Bank jetzt erstmals "Negativzinsen" verrechnet, also Geld dafür verlangt, dass sie Einlagen entgegennimmt, hat die Sparer verunsichert – und empört. Drohen jetzt großflächig "Strafzinsen" für Anleger? "Die Presse" hat die Antworten auf die wichtigsten Fragen:.

1) Wer ist von den neuerdings eingehobenen "Negativzinsen" betroffen?

Bisher hat eine deutsche Bank, die Skatbank, einen Negativzins von 0,25 Prozent auf Tagesgeldkonten mit mehr als 500.000 Euro Einlage eingeführt. Das trifft vor allem Fondsmanager und Vermögensverwalter. Privatkunden halten normalerweise nicht so hohe Einlagen auf Tagesgeldkonten, Negativzinsen für Sparbücher gibt es noch nicht. Experten fürchten allerdings, dass das Beispiel Schule macht und auch auf gewöhnliche Sparkonten übergreift.

2) Müssen österreichische Sparer mit Negativzinsen rechnen?

Bisher gibt es keine Anzeichen dafür. Allerdings haben wir hier auch eine schlechte Nachricht: Real (also unter Abzug von Kest und Inflation) ist die Negativverzinsung hierzulande längst Realität. Täglich fällige Einlagen bringen in Österreich derzeit Zinsen zwischen 0,05 und einem Prozent, ein Viertel davon zwackt der Staat noch als Kest ab. Selbst fünfjährig gebundene Sparbücher werfen nur zwischen 0,875 und 2,25 Prozent ab, wobei die oberen Extremwerte in beiden Fällen „Ausreißer“ sind, die nur eine einzige Bank bietet. Mit solchen Zinssätzen ist realer Kapitalverlust programmiert.

3) Welcher Zinssatz ist zum realen Kapitalerhalt notwendig?

Bei der diesjährigen Inflationsrate von rund 1,7 Prozent benötigt man rund 2,2 Prozent Nominalverzinsung, um sein Kapital real zu erhalten. Erst darüber beginnt ein Zinsgewinn. Nahezu alle Sparprodukte bis fünf Jahren Laufzeit sind für Sparer also ein Verlustgeschäft. Im ungünstigsten Fall (0,05 Prozent Zinsen) schrumpft das Vermögen jährlich real um fast 1,7 Prozent. Ein Prozentpunkt realer Verlust macht bei Spareinlagen von mehr als 160 Mrd. Euro 1,6 Mrd. Euro realen Verlust pro Jahr aus.

4) Was bedeuten Negativzinsen eigentlich in der Anlagepraxis?

Wir haben es hier mit einem psychologischen Schwellenwert zu tun. Real ist der Unterschied zwischen 0,05 Prozent Zinsen und 0,25 Prozent Negativzinsen nicht so gewaltig: In beiden Fällen wird auf dem Sparbuch real Kapital vernichtet.

5) Wie passen Negativzinsen mit dem Spargedanken zusammen?

Überhaupt nicht. Die Wahrheit ist: Banken benötigen Spareinlagen zur Refinanzierung des Kreditgeschäfts derzeit nicht bzw. nicht in dem Ausmaß. Das kann sich bei einem Anziehen der Konjunktur aber wieder ändern, weshalb man die Sparer bei der Stange halten muss. Nominelle Negativzinsen sind jedenfalls die klare Ansage an die Sparer, das Institut nicht mit Einlagen zu belästigen, sondern das Geld anderwärtig aufzubewahren bzw. anzulegen.

6) Wieso brauchen die Banken das Geld der Sparer nicht?

Das hat vorwiegend zwei Gründe. Erstens ist die Nachfrage nach Krediten schwach. Und zwar nicht nur in Deutschland und Österreich, sondern weltweit. Es wird global deutlich mehr gespart, als für Investitionen benötigt wird. Für eine Bank ergibt es also keinen Sinn, das auch noch durch höhere Zinsen zu befeuern. Zweitens können sich die Banken praktisch zum Nulltarif bei der EZB refinanzieren. Das Geld der Sparer ist damit teurer als das Geld von der Notenbank. Eine Bank, die auf zu hohen liquiden Mitteln sitzt, hat zudem ein Anlageproblem: Die EZB verlangt seit einiger Zeit Negativzinsen für Geld, das die Banken bei ihr „zwischenparken“.

7) Wird sich das bei steigenden Zinsen wieder ändern?

Mit Sicherheit, aber die Zinsen werden nicht so schnell steigen. Das hat auch mit dem hohen Verschuldungsgrad der Staaten zu tun. Würden die Zinsen wieder in die lichten Höhen der achtziger Jahre steigen (damals hatte Österreich beispielsweise einmal eine mit zehn Prozent verzinste Staatsanleihe begeben) würde der Großteil der Euroländer in Staatspleitengefahr geraten. Österreich zahlt beispielsweise beim derzeit niedrigen Zinsniveau für seine Staatsschuld mehr als acht Mrd. Euro Zinsen im Jahr. Das sind fast 14 Prozent der Bundes-Steuereinnahmen. Man kann sich leicht ausrechnen, was eine Verdoppelung oder Verdreifachung für den Staatshaushalt bedeutet. Die Staaten sitzen sozusagen in der Zinsenfalle. Sollte, etwa durch anziehende Inflation, eine kräftige EZB-Zinserhöhung notwendig werden, dann wird die Schuldenkrise eskalieren.

8) Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für Sparer?

Mit Hilfe der Niedrigzinsphasen sollen unter anderem Investitionen und Konsum angekurbelt werden, Sparen ist unerwünschtes Verhalten. Unangenehme Konsequenzen hat das für den Vorsorgegedanken: Private Pensionsvorsorge funktioniert bei Negativzinsen nicht.

Auf einen Blick

Negativzinsen. Eine deutsche Bank verlangt seit Kurzem Geld für Einlagen von mehr als 500.000 Euro auf Tagesgeldkonten. Experten befürchten, dass die Aktion Schule macht und auch kleinere Spareinlagen von Privatanlegern „bestraft“ werden. Der Hintergrund: Es wird zu viel gespart und zu wenig investiert, und die Banken können sich über die EZB günstiger refinanzieren als über Spareinlagen.

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