Konjunktur: Industrie-Aufträge brechen dramatisch ein

Harte Zeiten für die Industrie.
Harte Zeiten für die Industrie.(c) AP (Natacha Pisarenk)
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Die Industriellen-Vereinigung fordert Notkollektivverträge mit Lohnkürzungen, Gewerkschaft lehnt ab. Insgesamt rechnet man im vierten Quartal mit einem Rückgang um 18 Prozent.

Wien (b.l./APA).Die Lage in der Industrie verschlimmert sich von Monat zu Monat drastisch: Im November trafen um 21,9 Prozent weniger Aufträge bei den Unternehmen ein als im Vergleichsmonat des Vorjahres. Das gab Manfred Engelmann, Geschäftsführer der Bundessparte Industrie in der Wirtschaftskammer (WKÖ), bekannt. Neuere Daten liegen noch nicht vor. Im Oktober hatte das Minus 9,9 Prozent, im September 6,1 Prozent betragen. Insgesamt rechnet man im vierten Quartal mit einem Rückgang um 18 Prozent. Besonders schlecht ging es Elektro- und Elektronikindustrie, den Maschinenbauern, Autozulieferern sowie der chemischen Industrie. Von Auftragseinbrüchen verschont blieben vorerst die Nahrungs- und Genussmittelindustrie sowie die Lederverarbeitung.

Bei der Beschäftigung, die der Auftragslage normalerweise ein paar Monate hinterherhinkt, sah das Bild im November noch relativ gut aus: Zwar gab es um 1,7 Prozent weniger Arbeiter, dafür aber um 2,6 Prozent mehr Angestellte als im Jahr davor. Das ergab in Summe 427.572 Arbeitnehmer und damit noch ein leichtes Plus. Allerdings nur, wenn man die 4200 Leiharbeiter nicht dazurechnet, die abgebaut worden waren.

Inzwischen hat sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt zugespitzt. Ende Februar gab es um 46,6 Prozent mehr Arbeitslose in der Sachgüterproduktion als im Vergleichsmonat des Vorjahres– ein Plus von 11.421 Personen. Die Zahl der Zeitarbeiter ohne Job stieg binnen Jahresfrist um 9214 Personen oder 43 Prozent. Bis Ende März könnten 45.000 Beschäftige in 200 Betrieben kurzarbeiten, um 15.000 mehr als im Februar.

Sozialpartner streiten

Einmal mehr forderte die Industrie die staatliche Garantie für Industriefinanzierungen (Unternehmensanleihen), mehr Investitionsprämien, verstärkte Investitionen in die Infrastruktur– und eine flexiblere Handhabung bei der Kurzarbeit. Als Vorbild nannte Engelmann Deutschland, wo die Unternehmen bei Kurzarbeit keine Zuzahlungen leisten müssten.

Tags zuvor hatte bereits die Industriellenvereinigung (IV) an die Gewerkschaft appelliert, „Notkollektivverträgen nach schwedischem Vorbild“ zuzustimmen. Dort hatten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einer Notsituation auf Lohnkürzungen von vier Prozent geeinigt, um Kündigungswellen zu vermeiden. Diesem Ansinnen erteilte die Gewerkschaft am Freitag eine Absage: Eben erst seien die Vereinbarungen zu einem neuen Kurzarbeitsmodell beschlossen worden, das den Betrieben mehr Handlungsspielraum einräume: So kann Kurzarbeit jetzt bis zu 18 Monate dauern, die Behaltefrist nach der Kurzarbeit wurde verkürzt. „Die Unternehmen sollen einmal dieses Modell in Anspruch nehmen, bevor nach Notkollektivverträgen und Lohnverzicht gerufen wird“, meinte der Vorsitzende der Gewerkschaft Bau-Holz, Johann Holper.

Einen Notkollektivvertrag hat es in Österreich allerdings schon gegeben: Nach dem Hochwasser im Sommer 2005 vereinbarten die Sozialpartner einen befristet geltenden „Sonder-Kollektivvertrag“ für schwer betroffene Betriebe. Dieser ermöglichte Wochenendarbeit und die betriebliche Regelung von Aufwandsentschädigungen abweichend von den sonst geltenden Bestimmungen. Voraussetzung war jeweils eine Betriebsvereinbarung.

Wirtschaftskammer Österreich

AUF EINEN BLICK

Bei den Industriebetrieben langten im November um 21,9 Prozent weniger Aufträge ein als im Jahr davor. Inzwischen dürfte sich die Lage weiter verschlimmert haben. Die Industrie fordert nun Notkollektivverträge, mehr Flexibilität bei der Kurzarbeit und staatliche Garantie für Industrieanleihen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.03.2009)

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