Schrilles Warnsignal von Führungskräften: Österreich stürzt als Standort ab

Die Presse (Clemens Fabry)
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"Presse“-Exklusiv:100 Topmanager von Töchtern von US-Unternehmen haben in den vergangenen dreieinhalb Jahren den Glauben an Österreich verloren. Die möglichen Folgen: Investitionsstopp und Kapitalabzug.

Wien. Sie arbeiten für General Motors oder 3M, Deloitte oder Hilton. Sie kommen aus Österreich, Amerika oder dem Rest der Welt. Alle aber sind sie in ihrer Karriere viel herumgekommen, was ihren Blick auf hiesige Verhältnisse schärft. In US-Konzernzentralen sollen sie ihre (Wahl)Heimat gegen die Konkurrenz anderer Standorte verteidigen. Aber sie haben selbst den Glauben an Österreich verloren, die Topmanager von 100 heimischen Töchtern amerikanischer Unternehmen. In einer Skala zwischen plus und minus Hundert ist für sie die Attraktivität des Standorts in nur dreieinhalb Jahren von plus 21 auf minus 30 abgestürzt.

Die Schuld geben sie den Politikern: Dass sie die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, traut ihnen nur noch ein Drittel zu - Anfang vorigen Jahres waren es noch 55 Prozent. Das zeigt das neueste Business Barometer der Amerikanischen Handelskammer, das PricewaterhouseCoopers (PwC) halbjährlich erstellt und der "Presse" vorab exklusiv vorliegt.

Nur Einzelmeinungen von Gutverdienern, die ihrem Ärger über „Reichensteuern“ freien Lauf lassen? Das hieße wohl die Sprengkraft der Botschaft unterschätzen. Denn wie Topmanager die Lage in ihrem Markt einschätzen, gibt oft den Ausschlag dafür, wohin die Kapitalströme der Zentrale fließen: wo kräftig investiert wird und wo man sich zurückzieht – bis hin zu Betriebsschließungen. Schon die Lohnsteuer wird zum betriebswirtschaftlichen Kriterium. Denn damit ein ausländischer Top-Mitarbeiter zum Umzug bereit ist, will er zumindest nicht schlechter verdienen. Das Unternehmen muss das Nettogehalt um die Steuern hochrechnen. Jeder „Solidaritätszuschlag“ für Gutverdienende erhöht damit die Kosten – auch für die zweite und dritte Ebene. Bei den für Wien typischen Osteuropa-Regionalzentralen ist das schnell ein Großteil der Belegschaft.

Die Folge: Der früher wenig relevante Faktor „Besteuerung von Expatriates“ verschlechtert sich stark und gewinnt zugleich an Bedeutung. Den Arbeitsmarkt nehmen die Entscheider als zunehmend unflexibel wahr. Beim Dauerbrenner „Lohnnebenkosten“ macht die Untätigkeit der Politik das Thema immer relevanter. Aber was ist mit der tollen Lebensqualität, der hohen Sicherheit, der guten Infrastruktur und den qualifizierten Arbeitskräften? Auch wo Österreich traditionell punkten kann, zeigt der Pfeil klar nach unten.

Die Nachbarn holen auf

Für Friedrich Rödler, den Ko-Initiator der Studie, liegt das vor allem daran, dass vergleichbare Länder aufholen: „Ein gutes Leben und gute Schulen findet man heute auch in Prag, Bratislava oder Warschau“, meint der PwC-Doyen und Aufsichtsratschef der Erste Group. Bei den Unternehmenssteuern sind Vorsprünge längst verloren gegangen. Ein Konkurrent ist auch der große Bruder Deutschland: „Ein kleines Land muss immer flexibler sein, mehr bieten. Sind die Voraussetzungen gleich, gehen Investoren in den größeren Markt“.

Aber lässt sich ein Kapitalabzug aus Daten ablesen? An den kurzfristigen Investitionsplänen halten die befragten Manager fest. Aber das wird niemand wundern, der die Bräuche in Konzernen kennt: Wer sein Budget nicht ausschöpft, sieht es im Jahr darauf nicht wieder. Aus den Summen ausländischer Direktinvestitionen in Österreich sind Trends schwer abzulesen, zu sehr spielen große Deals hinein. Es fällt aber auf, dass die Amerikaner unterm Strich nur bis 2005 investiert haben und seitdem (rechnet man den Bawag-Kauf durch Cerberus 2007 heraus) Jahr für Jahr Kapital abziehen.

Rödler weiß: „Bei PwC wird schon mehr zu Absiedlungen als zu Ansiedlungen beraten“. Im „Verlagerungsmonitor 2013“ beschreibt die Arbeiterkammer elf konkrete Fälle. Bei neun ging es um Töchter ausländischer Firmen – in Summe rund 1500 Jobs. Doch das ist für Daniela Homan, Generalsekretärin der US-Handelskammer in Österreich, nur die „Spitze des Eisbergs“. Viel öfter sei der Rückzug schleichend: Erweiterungsinvestitionen bleiben aus, neue Technologien starten woanders. Für kurze Euphorie sorgte noch das geplante Freihandelsabkommen EU-USA. Dass es nun durch öffentlichen Druck an der Kippe steht, mache den Managern „große Sorgen“, sagt Homan. Emotion schlägt Vernunft: Gegen eine monatelange Kampagne des Boulevards zu argumentieren, „ist wie gegen Windmühlen anzukämpfen“.

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