E-Mobilität: Neue Autos für die Stadt

(c) Daniel Novotny
  • Drucken

Ein neuer Carsharing-Anbieter, der nur Elektroautos vermietet, und ein Visionär, der Österreich mit grünen Stromtankstellen überzieht. Autofahren soll endlich umweltfreundlicher werden.

Peter Ungvari kann aus irgendeinem Grund nicht schlafen. Es ist drei Uhr morgens, eine Nacht im April. Weil er nicht schlafen kann, beginnt er im Internet wahllos zu surfen, klickt sich von Artikel zu Artikel bis er ein Video findet, das sein Leben nachhaltig verändern soll. In dem Video hält Zukunftsforscher Lars Thomsen einen Vortrag über Elektroautos. Er glaubt, dass diese die Zukunft sind. Thomsen vergleicht Benzinmotoren mit einer guten Flasche Wein. Die Nutzung von herkömmlichen Autos sei, als ob wir bei einer Flasche Wein nur 20 Prozent trinken und den Rest in den Abfluss schütten würden. Denn bei Benzinmotoren gingen 80 Prozent als Abfallstoffe verloren.

Ungvari ist nachhaltig beeindruckt. So sehr, dass er am nächsten Morgen beschließt, seinen Audi zu verkaufen und sich stattdessen ein Tesla Model S zulegt. Der Tesla ist das Modernste, was die Automobilbrache in Sachen E-Auto derzeit zu bieten hat. 367 PS, 500 Kilometer Reichweite, in 5,6 Sekunden von 0 auf 100 km/h und wohl das Wichtigste: keine CO2-Emissionen.

Peter Ungvari, Geschäftsführer der „zweipunktnull GmbH“, die unter anderem das E-Paper der „Kronen Zeitung“ produziert, hat im Mai 2014 das Wiener Start-up Blitzzcar gegründet. Ein Unternehmen, das Elektroautos verleiht und sich am liebsten gar nicht Autovermietung oder Carsharing nennen möchte. „Mit unserem Geschäftsmodell sind wir wohl einzigartig weltweit“, sagt Ungvari selbstbewusst. Er meint damit die Kombination aus E-Auto und bestellbarer Mobilität per App. Der Tesla muss nicht irgendwo abgeholt werden, sondern wird einem nach der Bestellung direkt vor die Haustür (oder woanders hin) geliefert und nach Ende der Fahrt von einem gewünschten Ort wieder abgeholt.

Denn Mobilität will von Ungvari und seiner Partnerin Birgit Neges als Service verstanden werden. Ungvari erklärt, dass auch Hotels nichts anderes wären als simple Zimmervermietung. Aber wer fühle sich schon wohl bei dem Gedanken, dass zuvor eine andere Person in diesem Bett geschlafen hat? „Das Hotel schafft die Illusion, dass die Ressource Zimmer nicht geteilt wird.“ Blitzzcar versucht nun eine Hotelatmosphäre für Autos zu kreieren. Für 80 Prozent der Autobesitzer spiele die Emotion eine entscheidende Rolle, so Ungvari.

Das geht so weit, dass er hofft, in Zukunft auch ein neues Wort einzuführen. „So wie man heute nicht mehr im Internet sucht, sondern etwas googelt, genauso soll man in Zukunft sagen: Ich blitzz mir mein Auto“, sagt er. Er setzt dabei auf das steigende Umweltbewusstsein der Österreicher: weg vom eigenen Benzinschlucker, hin zum geliehenen Elektroauto. Kosten für einen Tag: 248 Euro. Inklusive Energie. Tesla bietet gratis Tanken an den Supercharger Ladestationen des Autoherstellers. In Österreich gibt es derzeit drei davon.

Zum Tanken eine Tasse Kaffee? Peter Ungvari steigt in den zwei Tonnen schweren Tesla und gleitet fast geräuschlos in die Gutheil-Schoder-Gasse im 23. Bezirk, wo sich eine Ladestation befindet. Er möchte zeigen, wie Tanken funktioniert, in seinem Fall: Batterie aufladen.

In etwa 30 Minuten können 80 Prozent der Autobatterie an den am schnellsten funktionierenden Supercharger Ladestationen geladen werden. Anders gesagt: In 30 Minuten lädt das Auto bis zu 300 Kilometer Reichweite. „Da kann man bequem noch einen Kaffee trinken“, findet Unternehmer Ungvari und demonstriert, wie das Elektrotanken funktioniert: Das Tankkabel aus der Verankerung nehmen, mit der Tanköffnung am Auto verbinden, warten bis es zum Einrasten klickt und fertig.

Freilich, billig ist das Auto nicht: 72.000 Euro netto kostet das Tesla Model S derzeit. Für einen gesellschaftlichen Wandel in Richtung Elektromobilität ist es damit wohl noch zu teuer. Genau darauf setzt Ungvari: Durch Blitzzcar wird E-Mobilität tageweise leistbar.

Dass der Wandel in Richtung E-Mobilität aber unaufhaltsam ist, glaubt Andreas Dangl: „Bis 2020 wird sich diese Situation stark verändern“, sagt der Unternehmer, der schon einmal zu den Vorreitern in Sachen Grüner Energie gehört hat. 1995 baute Dangl mit Hilfe von 100 engagierten Bürgern die dritte Windenergieanlage Österreichs, in Michelbach bei St. Pölten. Heute betreibt das Unternehmen „W.E.B. Windenergie“ 182 Anlagen und hat sich die Energiewende zum Ziel gesetzt. Genau deshalb baut Dangl nun parallel dazu das Unternehmen Ella auf, das eine österreichweit flächendeckende Ladeinfrastruktur für Elektroautos gewährleisten soll. Gespeist aus Grünstrom der W.E.B. Windenergie, versteht sich. Aufladen für 100 Kilometer Fahrzeit kosten bei Ella je nach Fahrzeug und Ladegeschwindigkeit zwischen drei und acht Euro. Bisher gibt es eine Station. „Wir haben das ehrgeizige Ziel, Österreich mit Schnellladestationen zu überziehen“, sagt Dangl. 25 Stationen österreichweit will er bauen, alle 70 Kilometer eine.

Grünstrom für E-Autos. Ella will alle drei gängigen E-Auto-Ladestecker bedienen, den japanischen Standard mit 50 Kilowatt Gleichstrom, den europäischen Standard mit ebensoviel und den amerikanischen Stecker von Tesla mit 43 Kilowatt Wechselstrom. Neben Tesla gibt es auch andere Anbieter, die Ladestationen in Österreich aufbauen, wie die Firma Smatrics. „Aber wenige Anbieter haben die Möglichkeit, alle drei Stecker mit Grünstrom zu versorgen“, sagt Dangl. Und das sei notwendig. Denn: „Elektromobilität macht nur Sinn, wenn auch Grünstrom in die Akkus fließt.“

In Zukunft scheint auch die Zusammenarbeit von Blitzzcar und Ella als logischer Schritt. Außerdem haben die beiden Start-ups einiges gemeinsam, etwa das Konzept der Beteiligung. Interessierte können via Crowd Investing Teilhaber werden und so zum Unternehmensaufbau beitragen. Bei Ella ist keine Verzinsung monetärer Art geplant, sondern eine Art Naturaldividende in Form von vergünstigten Ladekonditionen. Blitzzcar hat ein ähnliches Konzept. Pro 1000 investierten Euro bekommt man einen „Mobilitätstag“, wie Blitzzcar das nennt. Sprich, man kann sich den Tesla für 144 Euro pro Tag statt der 248 Euro ausborgen. Fehlen freilich noch zahlreiche Österreicher, die das Angebot auch tatsächlich nutzen. Denn noch sind E-Autos nur für eine kleine Gruppe von Personen interessant. Was wohl auch mit der begrenzten Reichweite zu tun hat, bevor man das Auto an den (wenigen) E-Tankstellen eine halbe Stunde lang aufladen kann.

Aus diesem Grund hat Andreas Dangl den Selbstversuch gewagt. 6.000 Kilometer von Österreich nach Norwegen ist er mit dem Tesla gefahren. „Ich wollte einfach wissen, ob das geht. Auch für die Kunden ist diese Frage wichtig.“ Es ging. Gut sogar. In Norwegen sind etwa acht Prozent der Fahrzeuge bereits elektrisch, das Thema ist in der Bevölkerung schon angekommen. Das Ladenetz sei besser ausgebaut als in Österreich, und die Politik schaffe gezielt Anreize, wie etwa gratis Parken in öffentlichen Garagen, sagt Dangl. „Da fährt der Führerschein-Neuling genauso wie eine Dame mit 75 Jahren, die beide in der Mobilität Umweltverantwortung übernehmen wollen.“

Österreich: Kein Land der E-Autos. In Österreich ist der Marktanteil an Elektroautos mit 0,1 Prozent derzeit vernachlässigbar. Bis Jahresende werden es knapp über 3.000 Autos sein. „In den ersten Jahren werden wir mit Ella also kein Geld verdienen“, sagt Dangl. Sein Ziel ist es, „mit interessierten Menschen gemeinsam etwas Funktionierendes aufzubauen“.

Das klingt idealistisch, aber keinesfalls utopisch: Tesla baue in ihrer neuen Fabrik so viele Akkus, wie es derzeit weltweit gibt, sagt Dangl. Dadurch sollen auch Elektroautos bis 2020 um einiges billiger werden. In Österreich, rechnet er vor, werde sich der Marktanteil damit auf drei bis fünf Prozent erhöhen. Sollte er recht haben, wird Peter Ungvari wohl noch länger für jene schlaflose Nacht im April sehr dankbar sein.

Links

Blitzzcar. Das Wiener Start-up ist am 1. Oktober mit einem Tesla gestartet und will seine Flotte bis Ende des Jahres auf drei ausbauen.
www.blitzzcar.com

Ella ist die Idee des Waldviertlers Andreas Dangl, der ein österreichweites Netzwerk an E-Tankstellen bauen will. www.ella.at

E-Autos

Blitzzcar funktioniert wie Carsharing, möchte sich aber so nicht nennen. Ein E-Auto kostet 248 Euro am Tag.

Ella will ein österreichweites E-Tankstellennetz mit Grünem Strom aufbauen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Österreich

Fuhrpark: Lieber Steckdose als Tankstelle?

E-Mobilität. Elektroautos können sich dank Förderung und geringen Verbrauchs rechnen.
Österreich

Treibstoff: Dieselpreis unter 1 Euro

Die Schere zwischen Diesel- und Benzinpreisen geht immer weiter auseinander.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.