Versicherung: Darf man gesund leben belohnen?

(c) FABRY Clemens
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In Deutschland will eine Versicherung günstigere Verträge anbieten, wenn ihre Kunden Sport betreiben, sich gesund ernähren und das mit einer App nachweisen.

Wien. Herr A. ernährt sich gesund, treibt Sport, raucht nicht und trinkt Alkohol in Maßen. Herr B. isst vornehmlich Fast Food, sitzt am liebsten auf dem Sofa, raucht 60 Zigaretten am Tag und trinkt in Massen. Unser Solidaritätsprinzip stellt sicher, dass der weniger krankheitsanfällige Herr A. mit seinen Versicherungsbeiträgen für die Behandlung von Herrn B. wegen Herzverfettung, Lungenkrebs und Leberschaden mitbezahlt. Nur so funktioniert der Sozialstaat.

Was aber, wenn das erste Interesse des Versicherungsunternehmens nicht das Gemeinwohl, sondern die Gewinnmaximierung ist? Die Meldung aus Deutschland, dass die Generali-Versicherung den Lebensstil ihrer Kunden überwachen will, sorgte am Freitag für heftige Diskussionen. Die Idee: Wer eine Zusatzkranken- oder Lebensversicherung abschließt, kann sich (freiwillig) dazu verpflichten, der Versicherung über eine Handy-App regelmäßig Daten über seinen Lebensstil zu übermitteln (Schrittzähler, sportliche Aktivitäten, Vorsorgeuntersuchungen).

SVA bietet geringeren Selbstbehalt

Wer sich gesundheitsbewusst verhält und Sport treibt, wird belohnt. In einem ersten Schritt mit Gutscheinen für Reisen und Fitnessstudios, in einem zweiten Schritt mit Prämiennachlässen. Das Programm Vitality soll binnen zwölf bis 18 Monaten in Deutschland angeboten werden. Ob es auch nach Österreich kommt, wird von der Wiener Generali-Vertretung derzeit geprüft.

Neu ist die Idee nicht. Die heimische Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA) bietet ein im Detail viel weitergehendes Programm seit 2012 an. Dabei legt ein Arzt bei einer Vorsorgeuntersuchung mit dem Versicherten in fünf Bereichen (Blutdruck, Gewicht, Bewegung, Tabak, Alkohol) bestimmte Gesundheitsziele fest: Ein Übergewichtiger muss beispielweise abnehmen, ein Raucher mit dem Rauchen aufhören, jemand mit hohem Blutdruck mehr Bewegung machen usw.

Bei einer Nachuntersuchung in einem halben Jahr (oder bei Bedarf später) prüft der Arzt, ob sich die Werte verbessert haben. Wurden die festgelegten Gesundheitsziele erreicht, wird der Selbstbehalt beim Arztbesuch, den alle Versicherten der SVA bezahlen müssen, von 20 Prozent auf zehn Prozent reduziert. Wer älter als 40 Jahre ist, muss nach zwei Jahren zur nächsten Vorsorgeuntersuchung, jüngere nach drei Jahren.

Mit dem Erfolg des Programms ist die SVA zufrieden. Etwas mehr als 50.000 Versicherte hätten sich bisher angemeldet (insgesamt hat die Krankenversicherung für Selbstständige 750.000 Kunden, darunter 370.000 aktive Erwerbstätige, der Rest sind Angehörige und Pensionisten).

Auch in anderen Fällen werden in Österreich bereits jetzt Gesundheitsdaten erhoben, beispielsweise beim Abschluss einer Lebensversicherung. Der Kunde muss Ärzte und Gebietskrankenkasse üblicherweise in einer eigenen Erklärung von der Schweigepflicht entbinden, damit die Versicherung die Krankheitsgeschichte einsehen kann. Teilweise schreibt das Versicherungsunternehmen sogar eine spezielle Gesundenuntersuchung vor. (rie/red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2014)

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