Wie man Googles Übermacht bricht

Coffee cups with Google logos are seen at the new Google office in Toronto
Coffee cups with Google logos are seen at the new Google office in Toronto(c) REUTERS (MARK BLINCH)
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EU-Parlamentarier wollen Google zerschlagen, um den Monopolisten zu beugen. Doch wer Google Grenzen setzen will, braucht keinen Vorschlaghammer, sondern neue Konkurrenten.

Wien. Google ist überall. Im Internet, im TV-Gerät, auf dem Handy und im Navi. Seit vier Jahren untersucht die EU-Kommission, wie sie dieser Marktmacht des amerikanischen Suchmaschinen-Giganten Herr werden kann. Ohne Erfolg. Am heutigen Donnerstag stimmt das EU-Parlament über eine besonders radikale „Lösung“ ab: Brüssel soll den unliebsamen Datenkraken in seine Einzelteile zerschlagen. Die Suche müsse von anderen Geschäftsbereichen strikt getrennt werden, dann sei die Marktmacht des Konzerns mit einem Streich aus der Welt, so der Plan.

Doch so simpel und einleuchtend die Idee auch klingen mag, gut ist sie nicht. Dieser regulatorische Vorschlaghammer wird Google nicht in die Knie zwingen.

Internet „züchtet“ Monopole

In der Ökonomie sind derart große Staatseingriffe in die Wirtschaft nur dann zu rechtfertigen, wenn Unternehmen ein Monopol bilden und die daraus resultierende Marktmacht ausnützen. Mit über 90 Prozent Marktanteil in vielen europäischen Ländern ist Google mit Sicherheit die populärste Suchmaschine des Kontinents. Ein böser Monopolist ist sie deswegen aber nicht zwingend. Google hat nicht so viele Menschen versammelt, weil kein Konkurrent daneben bestehen kann, sondern weil es den Nutzern ein gutes (und günstiges) Angebot macht.

Im Vergleich mit der „realen“ Welt gelten im Internet andere Gesetze. So entstehen Monopole im Netz meist rascher. Dafür sorgt der sogenannte Netzwerkeffekt: Mit jedem zusätzlichen Kunden, den ein Unternehmen für seinen Web-Dienst begeistern kann, steigt der Nutzen für alle anderen Kunden. Das unterstützt die Bildung natürlicher Monopole. Wettbewerbshüter rund um den Globus wissen nicht, wie sie mit diesen digitalen Großmächten umgehen sollen.

Auch die geforderte Abspaltung der Google-Suche von anderen Geschäftsbereichen brächte wenig. Bei der Suche wäre Google immer noch klarer Marktführer. Und in den anderen Bereichen läuft es schon jetzt teils recht holprig, wie das Beispiel Google+ zeigt.

Zudem ist es im Internet auch schwieriger, einmal erworbene Marktmacht tatsächlich auszunützen. So groß Facebook oder Google sein mögen, brauchbare Alternativen wie die Suchmaschine DuckDuckGo sind immer nur einen Klick entfernt. Google könnte dennoch ein Sonderfall sein, schrieben die US-Juristen Geoffrey Manne und Joshua Wright 2010 in einem viel beachteten Paper. Denn Google weiß genau über die Vorlieben seiner Nutzer Bescheid. Das könnte einen unfairen Wettbewerbsvorteil bringen. Letztlich zweifelten die Autoren aber daran, dass dieses Wissen relevant sei.

Die EU braucht Tech-Offensive

Die entscheidende Frage ist: Wer leidet unter Googles Marktmacht? Üblicherweise lassen sich schädliche Monopole in der Wirtschaft daran erkennen, dass ihre Kunden überhöhte Preise bezahlen müssen. Darüber können sich zumindest die Nutzer der Google-Produkte nicht beschweren. Von der Web-Suche über das Android-Betriebssystem bis zu YouTube: Geld verlangt der Konzern dafür nicht. Freilich „bezahlen“ die Nutzer diese Dienste mit ihren Daten, die der Konzern in der Werbewirtschaft zu gutem Geld macht. Aber wer nichts gegen diesen Datenstrip einzuwenden hat und eine bequeme, gute Lösung sucht, wird immer wieder zu Google greifen.

Sind dann also die Unternehmen die Leidtragenden, die seit Jahren darüber klagen, dass Google ihre Webseiten prominenter anzeigen müsste? Hier ist die EU-Kommission tatsächlich säumig. Es ist verständlich, dass das Parlament der Kommission klarmachen will, dass es an der Zeit ist, zu agieren. Doch es gibt sinnvollere Varianten als die Zerschlagung. So könnte Google verpflichtet werden, eigene Dienste und die jeweiligen Konkurrenten in einem Rotationsprinzip gleich prominent neben der Google-Suche zu zeigen.

Will die EU Google aber dauerhaft Grenzen setzen, ist ganz anderes gefragt. Langfristig hilft gegen die starke US-Internetwirtschaft nur eine ebenso starke Konkurrenz aus Europa. Schon aus Datenschutzgründen sollte sich die EU endlich ernsthaft auf den technologischen Wettstreit mit Amerika und China einlassen. Dringender als alle Regularien braucht der Kontinent eigene Start-ups, Infrastruktur und Softwarekonzerne, um beim nächsten Technologiesprung die Nase vorn haben zu können und Google so vielleicht vom Thron zu stoßen.

AUF EINEN BLICK

Am heutigen Donnerstag stimmt das EU-Parlament über den Vorschlag ab, Google aufzuspalten, um die Marktmacht des populären Unternehmens zu beschränken. Google wird zwar nicht namentlich genannt, der Vorstoß zielt aber klar auf den US-Konzern ab. Die amerikanische Regierung kritisierte das Ansinnen im Vorfeld. Auch der zuständige EU-Kommissar Günther Oettinger distanzierte sich von den Plänen der EU-Parlamentarier.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.11.2014)

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