Coach Zotter: "Traden ist harte Arbeit und nicht gottgegeben"

REUTERS
  • Drucken

Mit Top-/Flop-Listen, News Trading, Chart-Programmen und Renditechancen bringt der ehemalige Berufstrader Helmut Zotter Neueinsteigern das Geschäft mit Aktien näher.

„Der Beruf eines Traders ist wie der Job eines Top-Managers“, sagt Helmut Zotter, Leiter Sales und Key Account Management beim Online Broker Brokerjet und selbst sieben Jahre hauptberuflich Trader, im Gespräch mit der „Presse“ überzeugt. Am meisten werde einem Trader Disziplin abverlangt, ähnlich einem Profisportler. In den ersten Jahren seiner Karriere habe die Arbeitswoche am Samstag um 16 Uhr begonnen und bis Freitag 22 Uhr gedauert. Aufgehört habe er mit dem Job wegen seiner Kinder, deren Heranwachsen er nicht versäumen wollte.

Privat hat er dem Trading nicht abgeschworen, ein hoher Grad an Enthusiasmus ist immer noch zu erkennen. Das spüren auch die Teilnehmer des Webinars der Erste-Bank-Tochter. Brokerjet hat 1500 Teilnehmer des Börsespiels der „Presse“ eingeladen, an einem Coaching-Programm teilzunehmen. 150 haben ein Ticket für die Teilnahme erhalten, 65 von ihnen sind regelmäßig bei den insgesamt sechs 45-minütigen Online-Lektionen dabei, berichtet die Bereichsleiterin bei Brokerjet, Beatrix Schlaffer.

Jeder Trade braucht eine Idee

„Im Programm wird, um einen Vergleich mit dem Tennis zu zitieren, nur der Aufschlag trainiert“, sagt Coach Zotter. Die weiteren Schläge müssen sich die Leute dann selbst oder in den Seminaren der Brokerjet-Academy aneignen. Das Repertoire muss immer erweitert werden, denn Trading sei harte Arbeit und nicht Gott gegeben. Er stellt den Tradern von Morgen das Quadranten-Modell vor. Dabei erfahren die Teilnehmer von einer Unterteilung in Wachstums- und Value-Aktien. Bei Wachstumspapieren ist der Marktwert der Firma relativ hoch und der Buchwert relativ gering. Bei den Value-Aktien läuft es umgekehrt, da hat man eine geringe Marktkapitalisierung und einen hohen Buchwert. Buchwert kenne man aus der Bilanz, Marktkapitalisierung finde man meistens schon ausgerechnet auf Finanzportalen, erkärt Zotter.

Aber wie findet man überhaupt die richtigen Wertpapiere? Zotter zählt auf das News Trading. Er zitiert den Mathematiker Benoit Mandelbrot, der schon vor 40 Jahren sagte: „Jene Aktien, die sich heute bewegen, werden sich auch in den nächsten Tagen bewegen.“ Er selbst benutze die Plattform „Seeking Alpha“. Dort sind Berichte von Privatpersonen und von professionellen Analysten zu finden. „Sie können sich drei, vier Reports von unterschiedlichen Leuten durchlesen, dann haben sie mehrere Meinungen, was einen Markt auch ausmacht“. Ohne Vielfalt gebe es keinen Markt, sondern nur eine Bewegung in eine Richtung.

50 Prozent Rendite möglich

Hinter jedem Trade soll laut Zotter auch eine Idee stehen, die fundamental begründet werden kann. Natürlich sei die Charttechnik zu Beginn sehr verlockend, weil sie einfach sei und es viel Literatur dazu gebe. Aber in vielen Fällen werde man erkennen, dass die Linienmuster allein keine Begründung geben. „Es ist halt eine grafische Formation und man wird kaum jemandem in drei Sätzen erklären können, warum das so funktionieren soll“. Ganz anders, wenn die Argumentation mit Nachrichten und Daten aus dem Unternehmen verbunden werden könne. „Dann können sie das in wenigen Sätzen erklären“, fügt der Manager hinzu. „Wenn dazu die Nachricht mit der technischen Analyse kombiniert wird, hat man meistens auch beim Handeln ein besseres Selbstvertrauen.“ Das es ständig neue Nachrichten gibt , könne man eine solche Aktie auch über längere Zeiträume traden.

Als Beispiel wird im Coaching das US-Unternehmen Clifford (Abkürzung CLF) angeführt. Das Unternehmen arbeitet mit Eisenerz und Kohle; gebeutelt durch ein schwaches Management und durch den Verfall der Rohstoffpreise in den vergangenen Jahren. Durch den Einstieg des Hedgefonds Casablanca Capital kam es zu einer neuen Unternehmensführung mit einem neuen Konzept. Demnach sollen die nichtfunktionierenden Business-Einheiten bereinigt werden, sodass am Ende der „gute“ Unternehmensteil gerettet wird und eine Steigerung des Aktienkurses zu erwarten sei. Ausgangspunkt war in diesem Fall nicht einmal eine eigentliche Unternehmensnachricht, sondern die Nachricht über eine Senkung des Leitzinses in China. Damit kann man verbinden, dass die Chinesen in der Folge mehr Rohstoffe einkaufen werden.

Trader oder Investor?

Das Coaching ist kein virtueller Frontalvortrag, die Teilnehmer können online auch Fragen stellen. Ein User will wissen, was sich für ein Gewinn ergebe, wenn er um 100 Euro bei einem Aktienwert von 16 Dollar einen Trade setzt und die Aktien mit einem Wert von 17 Dollar wieder verkauft. Keine schwierige Frage für den Experten. „Mit einem Dollar erzielt man ungefähr sieben Prozent Gewinn, aus den 100 Euro werden 107 Euro“, antwortet Zotter. Von den sieben Euro Bruttogewinn seien noch die Kosten für den Broker und die Kapitalertragssteuer abzuziehen. Sieben Prozent Gewinn in zehn Tagen bezeichnet er als „relativ gute Performance“. Das entspreche umgerechnet auf ein ganzes Jahr mehr als einer Verdoppelung des Kapitals. 50 Prozent Rendite im Traden hält der Coach für hochtalentierte Trader für möglich. Nicht hauptberufliche Händler müssen ihre Ziele etwas herunterschrauben. Ein Vorteil sei es auch, dass man beim News Trading relativ unabhängig vom Markt sei, wenn man die Methode des News Trading anwende. „Es gibt immer Nachrichten, egal ob es rauf oder runter geht.“

Aber was ist nun eigentlich er Unterschied zwischen einem Trader und einem Investor? Einen Trader definiere man nicht - wie fälschlicherweise häufig verstanden - an der Häufigkeit der Trades, sondern daran, wie lange er in einem Trade „drinnen bleibt“. „Ein Trader handelt von wenigen Stunden bis wenigen Tagen, maximal zwei Wochen“ klärt Zotter auf. Der Trader versuche den Zeitraum zu verkürzen, weil er damit auch die Einflussfaktoren reduziert, sagt der ehemalige Berufstrader und untermauert sein These mit einem Beispiel: Es ist leichter vorauszusehen, dass der Kollege in der nächsten halben Stunde nach Hause gehen wird, als zu wissen, ob er in zwei Jahren noch im Unternehmen ist.

Anfängern rät der Experte zuerst drei Monate mit einem Demo-Konto zu üben. Er gibt allerdings zu bedenke: Es ist wie auf der Bühne, wo es auch zwischen Proben und Liveaufführung ein große Differenz gebe. Er selbst könne sich an meinen letzten 100 Echt-Trades viel besser erinnern als an tausende Demo-Trades.

Zeitaufwand überschaubar

Am Anfang sei etwa eine halbe Stunde Zeitaufwand pro Tag notwendig. Er empfiehlt Top/Flop-Listen und diese dann abzuarbeiten. Dabei wird man feststellen, dass an manchen Tagen weniger los ist oder eben sehr viel. Wer weniger Zeit hat, könne auch nur an bestimmten Tagen beispielsweise immer nur Dienstag und Donnerstag traden. Denn am Montag sind immer weniger Nachrichten, genauso am Freitag. Das reiche für eine Aktie pro Woche. Er geht in auf eines der einschlägigen Portale oder schaue in einer Suchmaschine, welche Nachrichten zu der Anführung in den Listen geführt hat. Das dauere etwa zehn Minuten. Eine Nachricht wird sicher hängenbleiben. „Es gibt Gerüchte über eine Übernahme“ oder „Die Firma X hat einen Chip entwickelt und es gelang einen Vertrag mit der Firma Y zu machen“. Dann nimmt man diese eine Aktie, die überbleibt, und schaut sich den Chart an. Durch das „Herunterbrechen“ erhöht man die Produktivität, die Ressourcen werden dort eingesetzt, wo es Sinn macht. Die Chartanalyse ist extrem aufwendig.

Die Aktiensuche vergleicht Zotter mit der Kunst, die berühmte Stecknadel im Heuhaufen zu finden. Dazu brauche man einen strukturierten Prozess. Am Anfang fühlt man sich wie in einem Assessment-Center, an das Zeitalter der Postkastenspiele zurückerinnert. Je besser man mit Technologie umgehen kann, desto mehr Zeit spart man in der Umsetzung. Alle Chartprogramme bieten Levels, man kann Alarme setzen, es werden auch Apps angeboten, bei Alarmen werden SMS oder E-mails geschickt.

Startup-Unternehmer oder Trader

Eine exakte Zahl, wie viele hauptberufliche Trader es in Österreich gibt existiert nicht. Ein Indiz vielleicht, sagt der Manager: Das TRADERS-Magazin hat in der DACH-Region in seiner deutschsprachigen Ausgabe etwa 5000 Abonnenten, zum Vergleich in den USA sind das 500.000. Die Branche sei sehr verschlossen, es werde viel zu wenig niveauvolles Training angeboten, nimmt sich Zotter kein Blatt vor dem Mund.

Das angesehene „Wall Street Journal“ macht Menschen, die das Trading als Hauptjob im Auge haben, Mut. Dort wird in einem Artikel der Weg zum amerikanischen Traum so beschrieben: Entweder man gründet ein Startup oder man wird Trader; beides sind Möglichkeiten aus wenig Kapital viel Kapital zu machen. Aber die Menschen, die dahinter stecken, sind komplett unterschiedlich. Startup-Typen sind Unternehmer, Visionäre. Sie müssen Leute begeistern können und Investoren finden. Die Trader sind mehr die introvertierten Tüftler, Typen wie „einsame Wölfe“.

>> Presse-Börsespiel

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Aktien und Boerse
Österreich

Börsenspiel: "Die Presse" handelte einen Tag am glatten Parkett

Die Ereignisse am Mittwoch in der Tickernachlese: Wirtschaftsredakteure waren beim Börsespiel 2014 dabei. "Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut", ähnlich erging es den Tradern der "Presse".
Economist

"Die Presse"-Börsenspiel 2014: User "Hami" ist Gesamtsieger

Über 6900 Teilnehmer testeten ohne Risiko Ihr Geschick mit Wertpapieren beim "Presse"-Börsenspiel 2014. Die Gewinner stehen nun fest.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.