Konjunktur: Siechtum statt Wachstum

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Wenn es so weitergeht, befindet sich Österreich bald offiziell in einer technischen Rezession. Die Wirtschaftsleistung sank im dritten Quartal um 0,1 Prozent.

Wien. Ob es wirklich „allen“ gut geht, wenn's „der Wirtschaft“ gut geht – wie Wirtschaftskammerchef Christoph Leitl die Öffentlichkeit vor Jahren in einer fast schon legendären Plakatserie wissen ließ – lässt sich nur schwer belegen. Aber eines scheint klar: Geht's der Wirtschaft schlecht, geht es sicher nicht allen gut.

Und Österreichs Wirtschaft geht es wieder schlecht. So schlecht, dass eine technische Rezession schon heuer möglich ist – und zwar dann, wenn auch das vierte und letzte Quartal wieder negativ wird. Wie das Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo am Freitag mitteilte, schrumpfte die heimische Wirtschaft im dritten Quartal nämlich um 0,1 Prozent – und zwar sowohl im Vergleich zum Vorquartal als auch im Vergleich zum Vorjahr. Ende Oktober ist noch eine glatte Null errechnet worden.

Nun ist ein Minus von 0,1 Prozent natürlich nur eine homöopathische Bewegung – aber eben in die falsche Richtung. Von der Zuversicht, die die Wirtschaftsforscher noch Anfang des Jahres hatten, ist nicht viel geblieben. „Die Konjunktur ist schwach und schwächt sich weiter ab“, sagt Wifo-Experte Marcus Scheiblecker zur „Presse“. Die Gründe für das Ende des Aufschwungs: verunsicherte Unternehmen, die zu wenig investieren; sparsame Haushalte, die zu wenig konsumieren und die schwache weltweite Konjunkturlage. „Vor allem die Abschwächung der Emerging Markets trifft uns stark“, so Scheiblecker.

Österreich liefert zwar 30 Prozent seiner Exportwaren nach Deutschland – wie zum Beispiel Autoteile. Aber die deutschen Autobauer exportieren die fertigen Fahrzeuge ja weiter – und wenn die Nachfrage für deutsche Autos auf dem Weltmarkt sinkt, hat dies auch negative Auswirkungen auf Österreich. Dabei hält sich die deutsche Wirtschaft auch im dritten Quartal wacker im positiven Sektor – mit 0,1 Prozent plus allerdings ebenso im homöopathischen Bereich.

Krise in Russland

Das angespannte Verhältnis des Westens zu Russland tut sein Übriges. Mit einem Exportanteil von knapp drei Prozent ist Russland zwar nur der zehntwichtigste Markt für heimische Waren. Die Exporte nach Russland sind in den ersten acht Monaten dieses Jahres kumuliert aber trotzdem um zwölf Prozent gesunken. Wobei das nicht nur an den Sanktionen liege.

„Die treffen uns, ja. Aber die wirtschaftliche Krise in Russland, die sich schon 2013 abgezeichnet hat, trifft uns noch deutlich stärker“, sagt Scheiblecker. Das Wifo gibt seine abschließende Prognose, die eigentlich schon eine Bilanz ist, erst in drei Wochen bekannt. Wohin die Reise geht, ist aber jetzt schon ersichtlich: nach unten. Ist man zuletzt noch von einem Wirtschaftswachstum von 0,8 Prozent ausgegangen, sind jetzt für das Gesamtjahr 2014 höchstens noch 0,5 Prozent zu erwarten – vielleicht sogar nur 0,4 Prozent. „Angesichts der aktuellen Konjunkturumfragen sieht es eher schlecht aus.“

Ähnlich schlechte Nachrichten kommen aus Italien – mit 6,5 Prozent der Warenexporte immerhin Österreichs zweitwichtigster Handelspartner. Das Land steckt bereits in einer echten Rezession (–0,4 Prozent im Jahr 2014). Die weitere Hitparade der österreichischen Exportpartner: Fünf Prozent gehen in die Schweiz, 4,7 nach Frankreich, 2,9 nach Großbritannien und 5,6 Prozent in die USA.Zu Hause fallen derweil die letzten Lokomotiven aus. Obwohl die Bausaison dank des milden Wetters länger war, seien auch vom heimischen Bau jetzt kaum noch Wunder zu erwarten – obwohl dieser Sektor zum Jahresanfang noch „recht dynamisch“ gewachsen sei. Dazu kommt, dass die Unternehmer auch in Österreich verunsichert sind: „Es wird zu wenig investiert“, sagt Scheiblecker. Die Konsumenten halten sich ebenfalls zurück.

Österreicher werden ärmer

„Die Einkommenssituation entwickelt sich sehr schwach“, so Scheiblecker. Real (also nach Abzug der Inflation und der kalten Steuerprogression) haben die österreichischen Haushalte seit mindestens vier Jahren keine Nettolohnzuwächse gesehen.

Heißt: Selbst im schwachen, aber vorhandenen Aufschwung der Jahre seit 2010 ist die reale Kaufkraft der Österreicherinnen und Österreicher jedes Jahr gesunken. „Und das reale Pro-Kopf-Einkommen wird auch heuer wieder sinken“, sagt Scheiblecker. Die Österreicher werden also ärmer – gemessen an der Entwicklung der Löhne im Vergleich zu Inflation und Steuern.

(c) Die Presse

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2014)

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