Finanzen: Gemeinden lüften ihr Schulden-Geheimnis

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Erstmals werden ausgelagerte Schulden erfasst. Das treibt den Schuldenstand um 3,4 Milliarden. Auch eine Webseite schafft Transparenz.

Wien. Das Versteckspiel hat ein Ende. Oft und gern greifen österreichische Gemeinden zu einem Trick: Sie gliedern Teile ihrer Schulden in Wirtschaftseinheiten aus. Ein Anhaltspunkt für den wahren Schuldenstand waren bisher nur die Haftungen, die sie für ausgelagerte Gesellschaften übernehmen. Sie steigen dramatisch an: In den letzten zehn Jahren haben sie sich fast verdoppelt, von 3,4 auf 6,5 Mrd. Euro.

Heuer kann das KDZ (Zentrum für Verwaltungsforschung) in seiner jährlichen Analyse für den Städtebund erstmalig mehr Licht ins Dunkel bringen. Zu den Schulden gerechnet werden nun auch „schuldähnliche Haftungen“. Was ist damit gemeint? Ein Beispiel: Eine Gemeinde gründet eine Immobilien KG. Diese baut mit einem Bankdarlehen, für das die Gemeinde haftet, eine Schule oder ein Hallenbad. Die Miete ist niedrig, damit die Firma keine Steuer zahlen muss. Die Zinsen kann sie damit nicht zahlen. Dafür bekommt sie „Gesellschafterzuschüsse“. De facto trägt also die Kommune die Last für eine Firma, die finanziell nicht auf eigenen Beinen steht.

Gesondert weist das KDZ nur noch Haftungen für „marktfähige“ Einheiten aus, die Gewinne erwirtschaften sollten. Durch die Neuberechnung steigt der Schuldenstand der Kommunen (ohne Wien) von 2012 auf 2013 einmalig stark an: von 11,4 auf 14,8 Mrd. Euro. Macht man die Korrektur rückwirkend, steigt er seit 2010 nur leicht. Allerdings hält der Trend zu Auslagerungen an. Auch „marktfähige“ Einheiten haben Schulden, auch für sie können Haftungen schlagend werden – siehe Hypo. Zählt man sie dazu, liegen Last und Risiko der Gemeinden bei 17,8 Mrd.

Damit sie Zinsen zahlen und Schulden abbauen können, brauchen sie freie Überschüsse. Diese sind stabil und liegen mit 1,6 Mrd. Euro auf dem Niveau von 2007. Berücksichtigt man aber die Inflation, stehen Österreichs Kommunen real um 15 Prozent weniger Mittel zur Verfügung als vor der Krise. In Kärnten hat sich der Spielraum sogar halbiert. Überhaupt gilt zu bedenken: Der Überschuss ist eine Summe. Tatsächlich schreiben vier von zehn Gemeinden rote Zahlen.

Spielräume werden kleiner

An den Einnahmen liegt es nicht. Sie sprudeln seit 2007 aus allen Quellen üppig: den Bundesmitteln aus dem Finanzausgleich (plus 3,5 Prozent im Schnitt pro Jahr), Gebühren (plus 3,3 Prozent) und Gemeindesteuern (plus 2,8 Prozent). Allein, auch die Ausgaben wachsen stetig an, besonders bei der Sozialhilfe, Zuschüssen für Spitäler und der Kinderbetreuung. Besser wird es nicht werden. Das zeigt die Prognose des KDZ. Im günstigsten Szenario bleiben die Spielräume stabil. Dafür müsste aber die Konjunktur wieder anziehen und der Kelch der Steuerreform an den Kommunen vorbeigehen – eher unwahrscheinliche Annahmen.

Müssen sie aber eine Reform mittragen, die zur Hälfte ausgabenseitig finanziert ist, und stagniert die Wirtschaft, schmelzen die Überschüsse dahin. Dann müssten die Gemeinden bis 2018 um die 700 Mio. Euro oder acht Prozent ihrer Budgets einsparen, um ihre Spielräume halten zu können.

Möglichkeiten dafür fallen KDZ-Chef Peter Biwald freilich viele ein. Seit Jahren trommelt er: Kleine Gemeinden gehören zusammengelegt. Auf fruchtbaren Boden fiel die Botschaft nur in der Steiermark. Trotz der vielen Widerstände hält Biwald die dortigen Fusionen für „sinnvoll und notwendig“. Die anderen Länder sind davon noch weit entfernt. Als „Zwischenlösung“ plädiert er dort für „flächendeckende Kooperationen“.

Dabei bilden mehrere Gemeinden eine gemeinsame Verwaltung. Bürgermeister und Gemeindeämter bleiben, ihre Aufgaben werden aber deutlich abgespeckt. Rund um Städte sollten „Gebietsgemeinden“ entstehen, die Ressourcen des regionalen Zentrums besser nutzen. Wie es geht, zeigt Deutschland vor: Die „Samtgemeinden“ in Niedersachsen funktionieren schon seit dem 19. Jahrhundert. Zehn weitere deutsche Länder haben das Vorbild unter anderen Namen kopiert.

Schulnoten für Kommunen

Wie gut oder schlecht einzelne Gemeinden in Österreich wirtschaften, lässt sich auf Offenerhaushalt.at nachvollziehen. Drei von zehn Kommunen machen bei dem Projekt von KDZ, Städte und Gemeindebund schon mit und stellen ihre Finanzdaten ins Netz. Erst 150 Gemeinden lassen sich beim „Quicktest“ auch mit Schulnoten bewerten. Am schlechtesten schneiden dabei Irdning, Eisenerz und Bad Erlach ab. Die KDZ-Forscher schränken aber ein: Ein schlechter Wert in nur einem Jahr kann auch an einem stark steigenden Schuldenstand liegen. Wenn dahinter sinnvolle Investitionen stehen, muss das nicht schlechtes Finanzgebaren bedeuten. Leichter zu deuten sind gute Noten: Filzmoos, Sankt Florian und Neuhofen im Innkreis dürften sich ihre Spitzenplätze redlich verdient haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.12.2014)

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