Privatkonkurs: Wenn Schulden explodieren

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110.000 Menschen haben seit Inkrafttreten des Gesetzes vor 20 Jahren diese Chance der Entschuldung genützt.

Wien. Ex-Hypo-Chef Wolfgang Kulterer war heuer der prominenteste Privatpleitier. Seine Schulden von 8,8 Mio. Euro sind freilich weit vom Negativrekord entfernt, den eine Person mit 50 Mio. Euro Schulden hält. Kulterer befindet sich aber im „Millionärsklub“: In nicht weniger als 80 Fällen hinterließen Menschen heuer jeweils über eine Mio. Euro Passiva. In Summe ist die Zahl der Privatkonkurse heuer um 6,3 Prozent auf 8451 gesunken, gab der Kreditschutzverband von 1870 (KSV) am Donnerstag bekannt. Die Passiva fielen indes nur um drei Prozent auf 1,1 Mrd. Euro.

KSV-Experte Hans-Georg Kantner wertet die rückläufige Tendenz dahingehend positiv, dass die Banken weniger leicht Konsumkredite vergeben würden. Laut KSV-Konsumentenkreditevidenz ist die Zahl der vergebenen Kredite von 2008 bis 2014 um 5,5 Prozent gesunken. Andererseits spiegelt die Pleitefront die angespannte Lage auf dem Arbeitsmarkt wider: Nur wer ein geregeltes Einkommen hat, kann sich entschulden. Und zwar entweder über einen freiwilligen Zahlungsplan oder das siebenjährige Abschöpfungsverfahren mit einer Quote von zehn Prozent.

„Obwohl anfangs heftig umstritten, hat sich der Privatkonkurs als erfolgreiches Modell erwiesen“, sagt Kantner. Bei beiden Varianten liege über die vergangenen 20 Jahre (das Gesetz trat am 1. Jänner 1995 in Kraft) die Chance für Gläubiger, Geld zu sehen, bei über 80 Prozent. In Deutschland, wo es keine Quote gibt, werden nur zehn bis 15 Prozent der Gläubiger bedient. Deshalb lehnt der KSV auch Überlegungen des Sozialministeriums ab, die Mindestquote abzuschaffen. Binnen 20 Jahren gab es 110.000 Privatkonkursverfahren. Gut die Hälfte wurde erfolgreich abgeschlossen, viele laufen noch. Für 2015 rechnet Kantner mit keinem weiteren Rückgang. So wie die Firmenpleiten nach Jahren der Entspannung wegen der schwachen Konjunktur wieder zunehmen dürften, könnte es auch mehr Privatkonkurse geben.

Die jüngste KSV-Statistik zeigt interessante Details aus der tristen Welt von überzogenen Bankkonten und offenen Rechnungen: 70 Prozent der Pleitiers sind „echte“ Privatpersonen, die Selbstüberschätzung, exzessiver Konsum, Arbeitslosigkeit, Spielsucht, Drogen oder Krankheit in die Misere getrieben haben. Sie sind für ein Drittel der Gesamtpassiva von 1,1 Mrd. Euro verantwortlich und im Schnitt mit 56.000 Euro verschuldet. 30 Prozent sind ehemalige – gescheiterte – Unternehmer und Gewerbetreibende, die mit durchschnittlich 300.000 Euro das Gros der Schulden verursachen. (eid)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.12.2014)

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